Schon steht ein großes und etwas unhandliches Instrument vor der Tür – das Instrument des Jahres 2024. Es ist Zeit für einen kleinen Rückblick und eine erste kleine Zusammenfassung – hat die Mandoline neue Freunde gefunden? Hat dieses herausgehobene Jahr für das Instrument einen Gewinn gebracht?
Das Jahr der Mandoline in der nmz (Teil 10): Zwischenbericht
Die Mandoline ist ein wunderbares und leider immer noch viel zu unbekanntes Instrument – das kann man gegen Ende des Jahres schon sagen. Ihre Musik aber gehört nicht nur auf venezianische Gondeln, sondern ist Teil unseres Musiklebens, der eigentlich ein zweites Jahr als Instrument des Jahres verdient hätte.
Ein Jahr ist oft viel kürzer, als man denkt. Wenn gegen Ende eines Jahres der Landesmusikrat Schleswig-Holstein ein neues Instrument des Jahres kürt, dann – zum Beispiel im Rahmen einer Serie in der nmz – scheint unendlich viel Zeit vorhanden zu sein, um sich diesem Instrument von allen Seiten her zu nähern. Selbst bei den vermeintlich bekannteren Instrumenten gibt es so viele offene und interessante Fragen, dass das Jahr ganz schnell zu kurz wird: Wo kommt das Instrument her, wer hat es erfunden? Wer baut solche Instrumente und wie werden sie gebaut? Sieht das Instrument überall auf der Welt gleich aus oder gibt es regionale Varianten? Wer spielt solche Instrumente und wie kann man das Instrumentalspiel erlernen? Ist das Instrument eher ein Solo- oder ein Orchesterinstrument? Was für Musik wurde und wird für dieses Instrument komponiert? Gibt es in unterschiedlichen Kulturkreisen eine ganz andere Art von Musik für das gleiche Instrument? Welche soziale Bedeutung hat ein Instrument? Gibt es besondere Geschichten und Anekdoten, die es lohnen, erzählt zu werden?
Mit der Wahl der Mandoline zum 16. Instrument des Jahres im Jahr 2023 hat es einen „kleinen Bruch“ in der Reihe der Instrumente gegeben, die bis ins Jahr 2008 zurückreicht. Dieses konnte man schon an den gehässigen Stimmen merken, die bald nach der Verkündigung fragten: „Was wird es 2024 wohl für ein Instrument werden? Die Trillerpfeife, die Maultrommel, das Kazoo oder gar die Melodica?“ Mit der Mandoline schien man die bekannten und bekannteren Instrumente (z. B. Trompete, Geige, Gitarre oder Orgel), die die Anfangszeit dieser Aktion geprägt haben, verlassen zu haben. Ein Strohhalm schien es auf den ersten Blick zu sein, zu dem man hatte greifen müssen, der das Fortbestehen dieser doch sehr erfolgreichen Reihe sicherstellte.
„Ein breites Interesse für das jeweilige Instrument und seine Bedeutung wecken“ – das will der Musikrat mit der Initiative „Instrument des Jahres“ erreichen. Natürlich hat er dabei auch besonders die Nachwuchsförderung im Blick. Gerade diese ist ein zunehmend wichtiges Thema. Auch im Bereich der Musik bildet sich beispielhaft ab, was gesamtgesellschaftlich zu beobachten ist andere Schwerpunkte in der Freizeit, insgesamt ein verändertes Freizeitverhalten, mehr Interesse an Computern und Smartphones, weniger Interesse an ehrenamtlicher Arbeit usw.
Eine Förderung im Nachwuchsbereich bei letztlich allen Musikinstrumenten ist von immenser Bedeutung. Vielleicht war es ein kluger Schachzug, ein Instrument zum Instrument des Jahres zu bestimmen, das in der breiteren Öffentlichkeit eher unbekannt ist. Wenn man etwas gar nicht kennt und auch keinen kennt, der wiederum das Instrument auch nicht kennt, dann kann sich eine besondere Form von Neugierde entwickeln und sich diese Einzigartigkeit, dieses Alleinstellungsmerkmal, dann schneller in Erfolg und Stolz wandeln, als wenn alle dasselbe machen und manche schneller und erfolgreicher sind. Bei der Mandoline kommt hinzu, dass die Aus- und Fortbildung der nachkommenden Mandolinisten und Mandolinistinnen zumeist nicht durch professionelle Lehrer erfolgte. Wer schon etwas mehr konnte, brachte es denen bei, die das noch nicht konnten. Das hat etwas mit der geschichtlichen Entwicklung des Mandolinenwesens in Deutschland zu tun. Die Wandervogelbewegung im ausgehenden 19. Jahrhundert war skeptisch gegenüber „den Alten“ und die Mitglieder der Arbeiterbewegung konnte sich (abgesehen davon, dass es sie nicht gab) professionelle Lehrer einfach nicht leisten. In den allermeisten Mandolinen- bzw. Zupforchestern fand noch vor wenigen Jahren und teilweise heute noch der Instrumentalunterricht durch Laien statt – nicht immer in der besten Qualität und immer wieder einmal auch ohne jegliche pädagogische Begabung. Der Wandel zu einem professionellen Unterricht in den Orchestern aufgrund musikalischer und pädagogischer Ausbildung findet erst seit wenigen Jahren statt.
„Es ist eine mühselige Arbeit“
„Es ist eine mühselige Arbeit“, weiß Steffen Trekel, Bundesmusikleiter des Bundes Deutscher Zupfmusiker, zu berichten, „Kinder dazu zu bringen, das Mandolinenspiel zu erlernen. Und er ergänzt: „Man muss um jeden Schüler kämpfen.“ [Da hilft es nicht, dass auch ein berühmter deutscher Politiker – wohl über die damalige sozialistische Arbeiterbewegung motiviert – Mandolinist gewesen ist: https://www.fes.de/adsd50/mandolinenbild] Das ist aber in der heutigen Zeit sicher auch bei anderen Instrumenten zumindest ähnlich. Die Mandoline ist einfach noch zu unbekannt, um direkt nachgefragt zu werden – da haben es Klavier und Geige deutlich einfacher. In diesem Zusammenhang müsste man fragen, ob denn diese Aktion „Instrument des Jahres“ sicht- und dann auch hörbar etwas für das Instrument und seine Verbreitung gebracht hat – „nachhaltig“ würde man das heute wohl nennen . Dieses werden wir in der nmz in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres – als 13. Beitrag dieser Serie – tun. Es braucht einfach ein wenig Zeit, damit sich zarte erste Pflänzchen (wenn es sie denn gibt) entwickeln können.
Ganz sicher ist aber durch die Initiative die Mandoline mehr ins Blickfeld gerückt worden. Viele Veranstaltungen der Landesmusikräte haben die Mandoline in den Mittelpunkt gestellt und so ein etwas exotisches Instrument immer wieder (steter Tropfen höhlt den Stein!) zum Klingen gebracht – unüberhörbar! Die Mandolinisten selbst berichten davon, dass sich – wie niemals zuvor – die Medien auf sie gestürzt haben und zu vielen Interviews und musikalischen Erläuterungen eingeladen haben. Das Vorkommen in Zeitungen, Radio und Fernsehen schafft eine neue Breitenwirkung – keine Frage. Mandolinisten würden jetzt vielleicht zu Recht ergänzen, dass auch die Mandoline und die Mandolinenmusik selbst eine große (wenn auch instrumentenbedingt vielleicht manchmal leise) Strahlkraft besitzt. Zahlreiche CDs sind in diesem Jahr erschienen, manche Verlage habe extra neue Kompositionen in Auftrag gegeben.
Ein Jahr ist kurz. Mehr konnte diese Serie leider nicht bieten – aber vielleicht hat sie Lust auf mehr gemacht: auf Hingehen und Fragen oder gar ein Instrument selbst in die Hand nehmen. Steffen Trekel hat beim 6. Norddeutsche Zupfmusik-Festival im Juni in Hamburg gezeigt, wie schnell (in etwa 90 Minuten) man sich ohne jegliche Vorkenntnisse mit dem Instrument vertraut machen kann und ganz schnell in einem spontan zusammengestellten Mandolinenorchester schöne klangliche Erfolge erreichen kann – und das mit viel Spaß! Für Kinder ist die Mandoline dabei sicher ein Instrument, das wegen seiner eigenen Kleinheit und seinem dem kindlichen Gesang ähnlichen Klang viel Freude und Spaß bringen kann.
Zum Schluss – zwei Monate liegen noch vor uns – wollen wir den europäischen und klassischen Bereich der Mandolinenmusik verlassen. Die Mandoline kann nämlich noch ganz anders – aber davon im November mehr!
Neue Termine:
- Sonntag, 19. November 2023, musiculum, 24103 Kiel, Stephan-Heinzel-Straße 9: Interkultureller Tag der Mandoline – Come& Try Angebot für die Mandoline und ihre Schwestern aus der ganzen Welt (Anmeldung über www.instrument-des-jahres.de/kurs/mandolinentag)
- https://zupfmusiker.de/konzerte/
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