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Rundes, vokales Erstrahlen: Edita Gruberova singt „Norma“ in Berlin.Foto: Michael Poehn / Wiener Staatsoper
Rundes, vokales Erstrahlen: Edita Gruberova singt „Norma“ in Berlin.Foto: Michael Poehn / Wiener Staatsoper
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Die Reize des Opernmuseums: Bellinis „Norma“ in Starbesetzung, nicht ganz konzertant an der Staatsoper Berlin

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Jürgen Flimm beweist als Intendant ein glückliches Händchen in der Mischung von sparsamer, möglichst schon bewährter Innovation und arg viel Redundanz in der fast unmerklich vom Repertoire- zum Stagione-Prinzip gewechselten Staatsoper im Schiller Theater. Kleine Produktionen in der Werkstatt und Konzerte überbrücken zahlreiche Schließtage des großen Hauses, und als neueste Produktion, deren einzige beide Aufführungen schon lange ausverkauft sind, eine konzertante „Norma“.

Die allerdings geriet dank der international bewährten und auch in Berlin wieder bejubelten Edita Gruberova dann doch halb-szenisch.Die Druiden-Priesterin Norma hat im von den Römern besetzten Gallien ein verbotenes Verhältnis mit dem römischen Prokonsul Oroveso und bereits zwei gemeinsame Kinder. Nun droht sie den Geliebten an die junge Priesterin Adalgisa zu verlieren. Am Ende gesteht Norma den Galliern den Bruch ihres Gelübdes und geht mit Pollione in den Tod.

Auch diese Opernhandlung hat eine Reihe von Neudeutungen erfahren, etwa als Partisanenstück des 19. Jahrhunderts. Angesichts konzertanter Inszenierungsansätze, wie etwa bei Christoph Loys Salzburger Inszenierung der „Frau ohne Schatten“, erlangt die als konzertant angekündigte, mit deutschen Übertiteln ausgestattete Opernaufführung im Schiller-Theater de facto durchaus szenische Qualitäten, mit Auf- und Abgängen der Solisten vor Orchester und Chortribüne und abschließender klassizistischer Rückwand, –  allerdings im Sinne „alter Oper“.

Das 1831 an der Mailänder Scala uraufgeführte Melodramma in due atti erachtete Vincenzo Bellini als sein bestes Werk. In der Titelpartie verlangt es eine Belcanto-Sängerin mit Durchschlagskraft, für die in der Opernhistorie historisch María Malibran, Jenny Lind, Rosa Ponselle und Maria Callas stehen.

Edita Gruberova, die diese Partie seit 2003 in Tokio viele Male szenisch verkörpert hat, konzentriert mit wenigen Gesten alle Aufmerksamkeit des Publikums auf sich.
Wie sie das Vorspiel zum zweiten Akt auslebt und durch ihr Atmen selbst hier das Tempo des gekonnt changierenden, die „melodie lunghe“ auskostenden Dirigenten Andry Yurkevych bestimmt, das sollte man wahrlich erlebt haben, denn das gehört zu den besten Kapiteln eines Opernmuseums.

In Gruberovas Gesang faszinieren immer wieder die leisen, selbst im Pianopianissimo markig gefüllten Töne, die deutlich machen, warum dramatische Soprane, die diese Partie auch gerne verkörpert haben, Bellinis Meisterwerk die letzten Reize schuldig bleiben mussten. Gruberova bewältigt die Partie ohne Schwächen; selbst wenn ein Ton mal etwas knapp von unten ansgeschliffen wird, fasziniert kurz darauf sein um so runderes, vokales Erstrahlen.

Allerdings steht dieser Norma mit Sonia Ganassi in der Partie der Nebenbuhlerin und Freundin Adalgisa eine Künstlerin zur Seite, die ihr an Belcanto-Kultur, Stimmschönheit und intensivem Empfinden durchaus ebenbürtig ist.

Leider lässt sich Gleiches von Johan Botha als Pollione nicht sagen. Indisponiert oder uneingesungen im ersten Akt, vermochte sich der schwere Tenor zwar am Ende zu steigern, aber da er als einziger mit Klavierauszug und Notenpult hantierte, hätte sich so mancher Besucher auch hier Harry Kupfer als Regisseur gewünscht, den das Erscheinungsbild dieses Tenors zur Konzeption eines unsichtbaren Lohengrin bewogen hatte.

Ebenfalls steif, aber stimmlich prachtvoll verkörpert Alexander Vinogradov die Basso-cantante-Partie des Oroveso. Die in der zweiten Hälfte an musikalischer Inspiration deutlich abfallende Szene zwischen Oroveso und dem Herrenchor der gallischen Krieger ließ die treffliche Einlegarie „Norma il predesse“ des Bellini-Zeitgenossen Richard Wagner vermissen, welche der Dichte dieser konzertanten Aufführung ein weiteres Glanzlicht hätte aufsetzen können.

Carola Höhn als Clothilde und Kyungho Kim als Flavio, sowie der von Eberhard Friedrich einstudierte, in dieser Partitur musikdramaturgisch im Hintergrund bleibende Chor, trugen zum Gesamterfolg bei: bereits in der Pause dankte das Publikum mit standing ovations.

Weitere Aufführung: 3. 11. 2011

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