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Paraphrase auf Evelyn Hamann: Sally du Randt als Grete im Schrekers „Fernem Klang“. Foto: A.T. Schaefer
Paraphrase auf Evelyn Hamann: Sally du Randt als Grete im Schrekers „Fernem Klang“. Foto: A.T. Schaefer
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Die Spiegelwelt des Theaters: Schrekers „Der ferne Klang“ in Augsburg

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Die Produktion von Franz Schrekers Oper „Der ferne Klang“ am Stadttheater Augsburg, einer Bühne mit einschlägigen Schreker-Erfahrungen aus den 20erjahren – damals sang die Gattin des Komponisten die weibliche Hauptpartie im „Schatzgräber“ – stand zunächst unter keinem guten Stern, nachdem bereits am ersten Probentag der Regisseur Nicholas Broadhurst ausgefallen war. Um so beachtlicher nun das Ergebnis, das mit nur einer Woche Verschiebung herauskam, nachdem die Regisseurin Renate Ackermann in das bereits fertige Ausstattungskonzept eingestiegen war.

Im Gegensatz zur kürzlich wieder aufgenommenen Produktion an der Berliner Staatsoper Unter den Linden, in welcher die männliche Hauptpartie ausgeblendet ist, erlebt man in Ackermanns Lesart durchaus den nach dem Phantom des fernen Klanges suchenden Protagonisten, ohne dass darum seine von ihm verlassene Geliebte Grete in ihrem Auf und Ab von Luxusdirne und Straßenhure weniger Aufmerksamkeit geschenkt würde.

Zunächst befremdlich wirkt die karge Ausstattung (Bühne und Kostüme, Timo Dentler und Okarina Peter) der mit knittrigem Stanniolpapier bespannten Bühnenflucht, die sich jedoch im Wald- und im Venedig-Akt als guter Reflektor für farbige Lichteffekte erweist und im dritten Akt einlöst: Denn der spielt auf einer schwarzen Theater-Probendekoration, und was vordem Verheißung, Glamour, sein sollte, rieselt im Schlussbild in Fetzen, gleich einem Sternenregen, vom Bühnenhimmel.

Aber das Happyend des in der Todesstunde des Komponisten wieder zusammenfindenden einstigen Liebespaars ist auch dieser Regisseurin offenbar suspekt: zwischen den Beiden gibt es die Behauptung einer undurchdringlichen Wand, Fritz stirbt nicht, sondern verändert tatsächlich den dritten Akt seiner Oper „Die Harfe“. Und während das Original mit Gretes verzweifelten Ausrufen „Fritz – ach Fritz – – was ist dir – – –? “ endet, so ist es hier ein herablassend bedauerndes „Ach, Fritz!“

Die Doppelung der Figuren der Haupthandlung mit jenen der Oper in der Oper wird stimmig voran getrieben; so verweist etwa das gestreifte Kostüm jenes Sängers, der mitten im zweiten Akt der „Harfe“ das Beisel aufsucht, aufgrund seines gestreiften Kostüms, darauf, dass er in Fritzens Oper die Partie des Grafen spielt. Und auch in Gretes Traumerzählung treten deren Eltern als auslösende Gewaltfaktoren wieder in Erscheinung. Sehr mädchenhaft initiiert die gertenschlanke Sally du Randt die Partie der Grete(-Greta-Tini) als Paraphrase auf Evelyn Hamann. Ein Staubtuch, ihr von der Kupplerin (Kerstin Descher) um den Oberschenkel gebunden, zieht sich als optisches Leitmotiv bis in den dritten Akt, wo Fritz sich dieses aufs Gesicht legt, – der Staub der Vergangenheit hat ihn eingeholt. Mathias Schulz als Komponist Fritz rettet sich mit punktierten Spitzentönen durch die ihn überfordernde Partie.

Zu den rollendeckenden Protagonisten zählen Stephen Owen als Winkeladvokat Dr. Vigelius und Jan Friedrich Eggers als Schmierenschauspieler. Überzeugender als Seung-Gi Jungs Graf verkörpert sein Landsmann Seung-Hyun den Chevalier. Zauberhaft anzusehen und anzuhören die (zum Teil noch im Studium befindlichen) jungen Dirnen von Isabel Blechschmidt, Stephanie Hampl, Maria Theresia Jakob, Maria Bader und Jasmin Hörner. Im Mittelpunkt des auf der Drehscheibe angesiedelten Bordells ist das Bühnenorchester positioniert, dessen „Ziugeunermusik“, mit Zymbal, einen besonderen Stellenwert erhält, wie auch – dank dem unmerklichen Einsatz der Tontechnik – die ätherischen Fernchöre (Karl Andreas Mehling obliegt die Einstudierung des vielfach solistisch eingesetzten Chors).

Während der langen Version des Nachtstücks erfolgt betont langsam, Tisch für Tisch, Requisit für Requisit, der Umbau zum Schlussbild; zugleich aber senkt sich eine Spiegelfläche über das Orchester, welche den Klangkörper als Hauptakteur dieser Oper ins Bewusstsein des Zuschauers rückt. In der Tat nehmen Dirigent Dirk Kaftan und das Philharmonische Orchester Augsburg den ersten Rang in dieser Produktion ein, die auch auf CD erscheinen soll.

Widerspruchsloser, heftiger Applaus des Premierenpublikums, aus Abonnenten und angereister Schreker-Gemeinde, für eine Produktion, die den Beweis erbringt, dass Schrekers Werke auch für Stadttheater-Betriebe tauglich sind und bei enormer Anstrengung, wie jetzt in Augsburg, auch zu beachtlichen Erfolgen verhelfen.

Weitere Aufführungen:
3., 14., 28. März, 6., 16. April und 8. Mai 2010

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