Was haben all diese Schlager aus einem Dreivierteljahrhundert gemeinsam? „Ausgerechnet Bananen“, „Wenn ich sonntags in mein Kino geh’“, „Capri Fischer“, „Heimweh“, „Ganz in Weiß“, „Fußball ist unser Leben“ und „Verdammt, ich lieb’ dich“. Es sind allesamt Bestseller der 1924 gegründeten „Polydor“. Bettina Greve, zuständig für die Online-Aktivitäten der Firma, hat nun eine erste Chronik dieser deutschen Schallplattenmarke vorgelegt. Und sie hat damit eine Lücke geschlossen. Während es im anglo-amerikanischen Raum längst Usus ist, die Geschichte legendärer Labels wie Motown, Atlantic oder Chess aufzuarbeiten, betritt Greve hier (fast) Neuland.
Was haben all diese Schlager aus einem Dreivierteljahrhundert gemeinsam? „Ausgerechnet Bananen“, „Wenn ich sonntags in mein Kino geh’“, „Capri Fischer“, „Heimweh“, „Ganz in Weiß“, „Fußball ist unser Leben“ und „Verdammt, ich lieb’ dich“. Es sind allesamt Bestseller der 1924 gegründeten „Polydor“. Bettina Greve, zuständig für die Online-Aktivitäten der Firma, hat nun eine erste Chronik dieser deutschen Schallplattenmarke vorgelegt. Und sie hat damit eine Lücke geschlossen. Während es im anglo-amerikanischen Raum längst Usus ist, die Geschichte legendärer Labels wie Motown, Atlantic oder Chess aufzuarbeiten, betritt Greve hier (fast) Neuland.Das Tonträgergeschäft ist extrem schnelllebig. Schmerzlich vermisst man bei den meisten Mitarbeitern der Medienmultis so etwas wie Geschichtsbewusstsein. Umso erfreulicher ist Greves „Polydor“-Story, die gewissermaßen als Abfallprodukt entstanden ist: „Als die Deutsche Grammophon 1998 ihren 100. Geburtstag feierte, strahlte dieses Jubiläum auch ein wenig auf Polydor ab. Einige Journalisten interessierten sich offenbar nicht allein für die traditions- und prestigereiche Klassik-Marke, sondern auch für die Popmusik-Aktivitäten des Hauses. Diese Pressevertreter wurden damals aus der gemeinsamen PolyGram-Telefonzentrale zu Polydor vermittelt, ihre Fragen und die positive Resonanz auf einen kurzen in Polydors Pressedienst veröffentlichten Abriss zur Geschichte des Pop-Labels gaben den Anstoß zu dieser Chronik.“Plötzlich war das „Gedächtnis“ der oft längst ausrangierten Kollegen wieder gefragt, denn – so wurde Greve bewusst – „viele Geschichten rund um unsere alte Schallplattenmarke sind nicht auf Papier, sondern nur in den Köpfen der Künstler oder der Mitarbeiter – auch der ehemaligen –archiviert.“ Und so ist ihr Buch ein liebevolles Familienalbum geworden, das so nebenbei auch die Geschichte der Tonträger im 20. Jahrhundert illustriert: von den 78er-Schellackscheiben über die Langspielplatten bis zur Compact Disc. Besonders lesenswert sind dabei die ersten Kapitel über Emil Berliner und die Anfänge der „Polydor“ bis zur „Machtergreifung“.
„Ich hab’ zu Haus ein Grammophon“ hieß es in den Roaring Twenties und aus dem Trichter erklangen die Couplets von Otto Reutter, Max Hansen und Claire Waldoff. In den Dreißigern folgten Marlene Dietrichs in Paris aufgenommenes Chanson „Allein in einer großen Stadt“ und die großen Ufa-Tonfilmschlager. Nach dem Krieg tanzte man wieder Polka. Bill Ramsey besang bei „Polydor“ 1958 sogar einen „Wumba-Tumba-Schokoladeneisverkäufer von ’nem andern Stern“. Da ging es bei der Firma noch patriarchalisch zu, wie sich Ramsey erinnert: „Es wurden damals nicht nur Produkte verkauft, sondern Künstler gefördert, promotet – und auf sie aufgepasst. Es war ein wärmeres, geborgeneres Gefühl als heute. Die wenigsten Künstler hatten ja ein eigenes Management. Ich auch nicht, aber ich wusste, dass ich immer bei meiner Plattenfirma anrufen konnte, um Tipps oder Hilfe zu bekommen.“
Anfang der Sixties gaben sogar die zukünftigen Beatles als Begleitband von Tony Sheridan ein Gastspiel. „My Bonnie“ fiel Brian Epstein in die Hände, und sofort übernahm er das Management der Beatles. Er bat den Produzenten Bert Kaempfert, die Gruppe aus dem „Polydor“-Vertrag zu entlassen. Kaempferts Antwort: „Das sind nette, begabte Jungs, ich will ihnen keinen Stein in den Weg legen.“ Das Label setzte weiter auf Freddy, Gus Backus, Peter Kraus und Roy Black. Bis Mitte der 60er Dank des „Beat Clubs“ auch bei uns der Siegeszug der britischen Rockmusik begann und „Polydor“ das Repertoire des britischen Schwesterlabels auswertete: Jimi Hendrix, The Who, Cream und The Bee Gees. In den 70ern verband man das rote Logo vor allem mit einem Namen: ABBA. Danach profitierte die Firma von der Neuen Deutschen Welle und dem Musical-Boom („Cats“). Wie sang Barry Ryan einst: „Zeit macht nur vor dem Teufel halt.“
Bettina Greve: Sternenhimmel. Die Chronik einer deutschen Schallplattenmarke, Hannibal, Höfen 2001.
Unter dem Titel „Sinfonie der Sterne“ ist bei Bear Family Records eine dazugehörige 8-CD-Box (mit Buch und DVD) erschienen.