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Christoph von Dohnányi und das NDR-Sinfonieorchester. Foto: NDR
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Dynamik und Disziplin: Christoph von Dohnányis Beethoven-Zyklus mit dem NDR-Sinfonieorchester

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Zum Ende seiner sechsjährigen Amtszeit als Chef des NDR-Sinfonieorchesters hat sich Christoph von Dohnányi noch einmal eine besonders anspruchsvolle Aufgabe vorgenommen: Alle neun Beethoven-Sinfonien innerhalb einer Woche zu dirigieren – das erfordert ein Höchstmaß an Konzentration und auch eiserne Kondition von allen Beteiligten.

Dass der 80-jährige Maestro die vier Konzerte in der jeweils restlos ausverkauften Hamburger Laeiszhalle auswendig leitete, zeigte schon rein äußerlich, wie intensiv er sich auf das Mammutprojekt vorbereitet hatte: Nach einer über 50 Jahre währenden Auseinandersetzung mit den Werken kennt er sie ohnehin schon auf dem effeff, vertiefte sich aber noch einmal in die Partituren mit ihren verschiedenen Aufführungsfassungen, um die Beethovenschen Baupläne neu zu entschlüsseln – und sie schließlich gemeinsam mit dem Orchester in Töne zu gießen.

Das Ergebnis zeugte dann auch von einer einerseits sehr reifen, aber zugleich geradezu jugendlich-frischen Gestaltungskraft. Schon im ersten Satz der ersten Sinfonie formte Dohnányi jenen kernig-kraftvollen Klang, der die Hörer ebenso den gesamten Zyklus begleiten sollte wie die gespannte Energie des Konzerts: Immer wieder trat dort der typisch Beethovensche Geist des Aufbruchs zu Tage – aber eben in einer meisterhaft geordneten Form; Dynamik und Disziplin fanden zu einer zwingenden Einheit.

Dohnányi ließ die fein verwobenen Binnenstrukturen der Musik lebendig werden, indem er die Streicher oft zurückblendete, um motivische Vernetzungen der Holzbläser und Hörner hörbar zu machen. Durch die fein differenzierte Balance – mit einer großen Bandbreite vom echten Pianissimo bis ins kantige Forte – und eine organische Phrasierung entstand ein lebendiges Klangbild von großer Transparenz. Das funktioniert eben auch mit modernen Instrumenten und in großer Besetzung, wenn es nur gelingt, dem Orchesterspiel kammermusikalische Intimität einzuhauchen. Und das war mehrfach der Fall: Im tieftraurigen langsamen Satz der Neunten etwa, mit seinem warmweichen Geigenklang, in der herrlich schlanken Vierten, oder auch im zweiten Satz der ersten Sinfonie: Da entfaltete die Musik eine sanft schwingende Eleganz – auch, weil Dohnányi hier, wie in allen Sinfonien, flüssige Tempi wählte, die sich stark an den originalen Metronomangaben, beziehungsweise deren Relationen orientierten.

So lief auch der titanische Trauermarsch der Eroica nie Gefahr, auf der Stelle zu treten oder gar sentimental zu werden. Die Zurschaustellung musikalischer Emotionen und dirigentischer Ekstase ist dem Stilisten Christoph von Dohnányi ja ohnehin ein Gräuel. Dementsprechend behält seine Körpersprache bei aller Energie immer eine gelassene Souveränität; auch wenn er dramatische Akzente setzt oder – wie im Finale der Fünften – plötzlich die überwältigende Strahlkraft der Blechbläser hereinbrechen lässt, ist er doch nie „außer sich“, sondern bleibt stets der überlegte Gestalter.

Unverkennbar erntete er mit dem Zyklus den Ertrag einer intensiven, sorgfältigen und sicher auch mitunter mühsamen Probenarbeit. Die hat sich definitiv ausgezahlt – obwohl in puncto Präzision beileibe nicht alles glatt ging. In raschen Staccato-Passagen und an manchen Übergängen klapperte es etwa bisweilen merklich, und den Beginn vom Finale der Achten musste Dohnányi sogar abbrechen, um noch einmal neu zu beginnen. Da schien die bemerkenswerte Kondition des Orchesters auf der Zielgeraden fast aufgebraucht. Doch wie ungerührt der Dirigent und seine Musiker (unterstützt durch die exzellenten Sänger des NDR Chores und des RIAS Kammerchores sowie ein gutes Solistenquartett) danach weiter machten und mit einer fulminanten Neunten den ganzen Zyklus ins Ziel steuerten, ließ die unerschütterliche Souveränität umso deutlicher zu Tage treten. Insgesamt eine sehr eindrückliche und zurecht minutelang bejubelte Interpretation, die die Messlatte für die Zukunft hoch legt – nicht nur bei Beethoven. So könnte das Elbphilharmonie-Niveau klingen.

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