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Erste Live-Performance der Münchener Biennale 2020: Noa Frenkel vor dem Bühnenbild von „Subnormal Europe“, einer rasend schnellen Fahrt vom analogen zum digitalen Leben. Foto: Armin Smailovic
Erste Live-Performance der Münchener Biennale 2020: Noa Frenkel vor dem Bühnenbild von „Subnormal Europe“, einer rasend schnellen Fahrt vom analogen zum digitalen Leben. Foto: Armin Smailovic
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Eine Milliarde für das Überleben der Kultur

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Infrastrukturförderung ist der richtige Weg · Von Olaf Zimmermann
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Deutschland ist ein Musikland. Keine künstlerische Sparte erhält so viel Aufmerksamkeit wie die Musik. Keine Sparte hat ein so ausgeprägtes Förderwesen wie die Musik. Keine Sparte hat ein so ausgeprägtes Vereins- und Verbandswesen wie die Musik. In keiner Sparte sind die verschiedenen Glieder der Wertschöpfungskette in einem so engen Austausch. Doch jetzt in der Corona-Pandemie überschlagen sich die Stimmen aus dem Musikbereich, die behaupten, die Musik sei von der Politik in der Krise schlicht vergessen worden. Das stimmt einfach nicht!

Unbestreitbar ist, dass der Musikbereich ähnlich der Darstellenden Kunst in besonderer Weise von der Pandemie betroffen ist. Musik lebt in der Regel vom gemeinschaftlichen Musizieren, egal ob Pop oder Rock, ob Jazz oder Schlager, ob Kirchenchor oder Sinfonieorches­ter, ob Musiktheater oder Kammerstück. Aufführungen vor Publikum konnten in den letzten Monaten nicht stattfinden. Die Musikwirtschaft spricht von einem Schaden in Milliardenhöhe. Noch offen ist, wann Chöre, wann Bläser, wann andere wieder gemeinsam „wie vorher“ musizieren können.

Ja, die Probleme sind sehr groß. Doch, vieles, auch zur Unterstützung des Musikbereiches, wurde schnell auf den Weg gebracht, anderes befindet sich derzeit in Beratungen. Der Bund hat innerhalb kürzester Zeit Soforthilfen gestartet und dabei auch die Solo-Selbständigen und kleinen Unternehmen in den Blick genommen. Der Haken bei den Soforthilfen ist, dass sie sich an Künstlerinnen und Künstler als Unternehmen richtet und daher folgerichtig auf Betriebskosten abzielen. Die Betriebskosten von Künstlerinnen und Künstlern, die zuhause arbeiten, sind allerdings in der Regel eher gering. Sie haben jedoch gegenüber anderen Solo-Selbständigen, die nicht künstlerisch tätig sind, zumindest den Vorteil, dass sie das häusliche Arbeitszimmer, das sie auch steuerlich absetzen können, als Betriebskosten geltend machen können. Trotzdem bleibt es nach wie vor richtig, dass es gut wäre, wenn ein fiktiver Unternehmerlohn geltend gemacht werden könnte. Vor allem weil der vereinfachte Zugang zur Grundsicherung teilweise unnötig erschwert wird, da für die sogenannten Optionsgemeinden die Bundesagentur für Arbeit kein Weisungsrecht hat und deshalb die verbesserten Bezugsbedingungen nicht durchsetzen kann. Hier gilt es nachzubessern, beziehungsweise den Verantwortlichen in den Optionskommunen deutlich zu machen, dass auch sie sich einen erheblichen Aufwand ersparen, wenn sie den vereinfachten Zugang zur Grundsicherung ermöglichen.

Trotz aller Kritik an der Grundsicherung, gerade auch aus dem Musikbereich: Der erleichterte Zugang zu diesem sozialen Sicherungssystem ist ein Segen. Wäre man nicht diesen Weg gegangen, hätten tausende Künstlerinnen und Künstler ihre Wohnungen und damit oft auch ihre Arbeitsorte verloren und manche unter ihnen hätten sogar, mitten in Deutschland, Hunger leiden müssen. Die Argumentationen von manchen, die sagen, der Verweis auf die Grundsicherungen sei eine Zumutung, vergessen, dass wir diese „Zumutung“ unter erheblich erschwerteren Voraussetzungen seit vielen Jahren mehr als vier Millionen Menschen in unserem Land zumuten.

Zurzeit ist das Konjunkturpaket noch in den Beratungen des Deutschen Bundestags und des Bundesrats. In der letzten Woche vor der Sommerpause vom 29. Juni bis 3. Juli stehen die abschließenden Beratungen an. Für den Kulturbereich sind drei Bestandteile des Konjunkturpakets bedeutsam.

Da sind zuerst die Bestandteile zu nennen, die sich in erster Linie an die Wirtschaft richten und selbstverständlich auch für die Musikwirtschaft gelten. Das sind die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für sechs Monate, die Ermöglichung des steuerlichen Verlustrücktrags, ein Programm für Überbrückungshilfen in Höhe von 25 Milliarden Euro, hier werden als Beispiele aus dem Musikbereich Clubs und Unternehmen der Veranstaltungslogistik extra genannt, die Verlängerung des vereinfachten Zugangs zur Grundsicherung bis zum 30.09.2020, ein Programm zur Stabilisierung gemeinnütziger Einrichtungen, dazu zählt auch der Breitbandausbau, der für Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft, Kultureinrichtungen und gemeinnützige Kulturinstitutionen im ländlichen Raum vordringlich ist. Einige der Maßnahmen sind kurzfristiger Natur, andere sind mittelfris­tig angelegt.

Das zweite große Vorhaben, das für den Kulturbereich zentral ist, ist die Entlastung der Kommunen. Sie tragen 45 Prozent der öffentlichen Kulturfinanzierung. Es ist daher wichtig, dass die Kommunen finanziell entlastet werden, damit sie nicht in den kommenden Jahren an der Kulturfinanzierung sparen müssen, sondern auch hier investieren können. Wenn ich im Musikbereich beispielsweise an die Musikschulen denke, von denen sich viele in kommunaler Trägerschaft befinden, ist gerade diese Maßnahme von herausragender Bedeutung. Aber auch in anderer Hinsicht wird diese Entlastung hoffentlich in der Hinsicht aufgehen, dass keine Einsparungen vorgenommen werden müssen.

Das dritte Vorhaben ist das Paket „Neustart Kultur“ der Kulturstaatsministerin. Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, ein spezielles Förderprogramm für den Kulturbereich auf den Weg zu bringen. Bereits Anfang März habe ich einen Kulturinfrastrukturfonds für die Kultur gefordert und nicht lockergelassen, obwohl ich von vielen belächelt wurde. Noch kurz vor der Bekanntgabe wurden mir Wetten angeboten, dass die Abwrackprämie für die Automobilindustrie sicher kommt, der Kulturinfrastrukturfonds aber sicher nicht. Jetzt können wir mit Freude auf den mit 1.000.000.000 Euro ausgestatteten Kulturinfrastrukturfonds oder wie es nun heißt „Neustart Kultur“ schauen. Und dieser Fonds  ist additiv, also zusätzlich, zu den anderen Förderungsmaßnahmen, angelegt.

Kritisiert wird auch aus dem Musikbereich, dass zu wenig Geld bei den einzelnen Künstlerinnen und Künstlern ankommen wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Förderung der Infrastruktur, und das ist das Ziel dieses Programmes, genau der richtige nachhaltige Weg ist. Es kommt darauf an, die Institutionen und die Unternehmen zu sichern, damit sie auch morgen noch Aufträge erteilen können. Denn was nützt mittelfristig die Einzelförderung von Musikern, wenn die Festivals oder die Bühnen tot sind. Darüber hinaus werden über die Fonds auch Einzelförderungen an Künstlerinnen und Künstler möglich werden.

Also: Ende gut, alles gut? Natürlich nicht, denn die Pandemie ist eine Katastrophe und noch nicht zu Ende. Das Konjunkturpaket ist ein wichtiger Baustein, damit die Künstlerinnen und Künstler und die Kultur- und Kreativwirtschaft und damit auch die Musikwirtschaft, wieder Fuß fassen können. Es ist gut und richtig, dass die Kommunen entlastet werden und es kann von ihnen erwartet werden, dass sie in den nächsten Jahren nicht an der Kultur den Rotstift ansetzen. Es ist sehr positiv, dass ein spezielles Kulturförderprogramm mit immerhin 1.000.000.000 Euro vom Bund auf den Weg gebracht wurde, zusätzlich zu den anderen Bundesprogrammen und den Programmen der Länder. Wenn dies alles wirkt, wird Deutschland ein Musikland bleiben.

  • Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

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