An den großen Jubilaren Verdi und Wagner wird im nächsten Musikjahr kaum ein Festival vorbeikommen. Auch nicht die Dresdner Musikfestspiele. Aber wie bekommen sie diese Ehrung unter das Motto „Empire“? Der Cellist und Festspielintendant Jan Vogler hat sein neues Programm vorgestellt.
Ihren Start setzen die Dresdner Musikfestspiele 2013 gestaffelt. Noch vor dem eigentlichen Eröffnungskonzert in der Semperoper, dem ein Auftakt in der Frauenkirche vorangeht, sind sie zu Gast im Konzerthaus Berlin. Das ist ein cleverer Schachzug, um das Berliner und in der Hauptstadt vorhandenen internationale Publikum in der Folge nach Dresden zu locken. Intendant Jan Vogler bekannte denn auch zur Präsentation des Festspielprogramms, dass er akzeptiert habe, wenn die Menschen heute weniger wegen des Ortes, sondern mehr wegen der dort auftretenden Künstler zu Festivals reisen.
Bei den für das kommende Jahr unter dem Motto „Empire“ in Dresden auftretenden Gäste muss sich der Cellist eigentlich keine Sorgen machen. Die von ihm nach Berlin gesandten Botschafter sind immerhin das New York Philharmonic Orchestra unter Alan Gilbert mit dem Pianisten Emanuel Ax. Das Big-Five-Orchester wird anschließend auch zwei Konzerte in Dresden bestreiten, neben dem Eröffnungskonzert in der Semperoper – dann unter Mitwirkung von Vogler im Solopart von Ernest Blochs Hebräischer Rhapsodie für Violoncello und Orchester „Schelomo“ – noch in einem speziellen Projekt in der Gläsernen Manufaktur des Festspielpartners VW. Dieser Ort sei wie geschaffen für „Kraft“ von Magnus Lindberg, einem außergewöhnlich instrumentierten Werk, das der finnische Komponist mit geradezu theatralem Anspruch verfasst hat. Mit „Prospero's Rooms“ von Christopher Rouse und der Serenade nach Platos „Symposium“ von Leonard Bernstein – im Violinpart Joshua Bell – sind dort zwei weitere im allgemeinen Repertoire nicht eben verbreitete Stücke zu hören.
Natürlich wissen die Programmmacher nur zu gut, dass für erhofften Publikumserfolg neben großen Namen und musikalischen Entdeckungen auch die auf der populären Beliebtheitsskala weit oben rangierenden Titel und Interpreten nicht fehlen dürfen. So liest sich das mit einer typisch britischen Telefonzelle auf dem Titel versehene Jahresheft der Musikfestspiele denn auch querbeet wie ein Katalog aus Wunschtiteln und Geheimtipps. Orchester- und Kammerkonzerte bieten reichlich Beethoven, Haydn, Schubert, auch Brahms, Mozart, Tschaikowsky, das im Vorjahr gegründete Dresdner Festspielorchester unternimmt Ausflüge zu Fasch, Händel, Heinichen, Pisendel, Telemann und Vivaldi – und selbstredend werden die beiden großen Jubilare den nächsten Jahres gebührend gefeiert. Doch was heißt hier: die beiden?!
Nein, im Gegensatz zu manch anderen Gedenkprogrammen beschränkt sich das Memorieren bei den Dresdner Musikfestspielen nicht auf Verdi und Wagner, deren 200. Geburtstags ins Haus stehen, sondern schließt den 100. von Benjamin Britten würdig mit ein. Dessen 1962 in Dresdens Partnerstadt Coventry uraufgeführtes „War Requiem“ kommt mit dem City of Birmingham Orchestra, dem Uraufführungsorchester unter Leitung von Andris Nelsons in die Frauenkirche – ein Konzert mit ganz gewiss hohem Symbolgehalt. Und unter dem Slogan „Sounds of the Empire“ zieht sich eine ganze Reihe von Konzerten durch die gut dreiwöchigen Festspiele. Die schottische Geigerin Nicola Benedetti gibt ein Recital unter anderem mit Werken von Edward Elgar und James MacMillan, Joshua Bell musiziert mit der Academy of St Martin in the Fields, das dann seit vierzig Jahren bestehende Vokalensemble The Tallis Scholars spannt den Bogen von der Moderne bis hin zu William Byrd sowie zum Namensgeben Thomas Tallis. Herausragend in der Festspiellandschaft dürfte das Gastspiel des britischen Ukulele-Orchesters sein, das aus acht Musikern besteht und Bearbeitungen von Wagner bis Kraftwerk präsentieren wird. Auch London Brass steht für kraftvoll geblasene Adaptionen, diesmal in einem stilistischen Spektrum von Bach bis Duke Ellington.
Die britische Hauptstadt ist mit dem Philharmonia Orchestra unter Esa-Pekka Salonen vertreten, weitere renommierte Gastorchester kommen mit dem Deutschen Symphonie-Orchester und Kent Nagano aus Berlin, aus Stockholm – unter der Leitung des früheren Festspiel-Intendanten Hartmut Haenchen das Royal Philharmonic Orchestra – sowie vom Teatro Regio di Torino. Die Italiener warten selbstverständlich mit Giuseppe Verdi auf und bringen dessen „Requiem“ in die Dresdner Kreuzkirche. Als Koproduktion der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber mit dem Staatsschauspiel und der Hochschule für Bildende Künste Dresden gibt es sogar inszeniertes Musiktheater, das den Bogen zum „Empire“ spannt, nämlich die Oper „Falstaff“, die bekanntlich auf Shakespeares „Die lustigen Weiber von Windsor“ beruht.
Für die große Wagner-Ehrung der Musikfestspiele sorgt unter anderem die Sächsische Staatskapelle mit ihrem Chefdirigenten Christian Thielemann, der Ouvertüren und Vorspiele des Dichter-Komponisten mit Hans Werner Henzes neuem Werk „Isoldes Tod“ kombiniert und in einem weiteren Konzert „Das Liebesmahl der Apostel“ am Uraufführungsort Dresdner Frauenkirche zum Klingen bringt. Neben diesem gigantischen Opus (zur Uraufführung 1843 waren weit über eintausend Sänger beteiligt) gibt es Wagner auch in kleiner Form: Just zum Geburtstag werden Louis Lortie am Klavier und Thomas Quasthoff als Sprecher einen Querschnitt aus dem Schaffen des Jubilars zum Besten geben.
Zusammen mit zahlreichen weiteren namhaften Gästen – von Jonas Kaufmann und Simone Kermes über Viktoria Mullova, René Pape und Jordi Savall bis hin zu Tabea Zimmermann – haben die Dresdner Musikfestspiele 2013 eine Menge an Potenzial im Programm, um einheimisches wie auswärtiges Publikum qualitätsvoll zu ködern. Für den neuen Verwaltungsdirektor Markus Lutz, der zuletzt in der Geschäftsführung der Deutschen Oper Berlin tätig gewesen ist, dürfte das ein praktischer Einstieg sein, um die schon in der jüngsten Vergangenheit kräftig gewachsenen Einnahmen weiter zu steigern.