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Der Spieltisch der Billerbeck-Orgel. Foto: Eberhard Hilse
Der Spieltisch der Billerbeck-Orgel. Foto: Eberhard Hilse
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Ende eines Provisoriums – die neue Orgel im Dom zu Billerbeck

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Wer mit dem Auto oder – besser noch – mit dem Fahrrad die münsterländischen Baumberge durchstreift, dessen Blick fällt früher oder später auf zwei bleistiftspitze Kirchtürme. Man sollte ein paar hundert Meter weiter fahren, dann liegt er in seiner vollen Größe vor dem Auge des Betrachters: der Ludgerus-Dom in Billerbeck.

Ein gewaltiger Sakralbau, Ende des 19. Jahrhunderts errichtet zu Ehren jenes heiligen Liudger, der im Jahr 805 das Bistum Münster gründete und dessen erster Bischof er wurde. In Billerbeck ist Liudger vier Jahre später, 809, gestorben – und der große neugotische Dom war die katholische Antwort auf den damals tobenden „Kulturkampf“ mit der protestantischen preußischen Regierung. Den Dom haben die Billerbecker sich damals einiges kosten lassen – er war und ist das Wahrzeichen ihrer Stadt. Jetzt, nach über einhundert Jahren, bekommt er seine erste „richtige“ Orgel.

Am Ende fehlte das Geld! Da hatten die Billerbecker jahrelang gespart und gesammelt für den Neubau ihres Ludgerus-Doms – und als dann die riesige Wallfahrtskirche über dem Sterbeort des heiligen Liudger endlich fertig war, mangelte es an finanziellen Mitteln, um den Dom mit einer Orgel auszustatten, die den mächtigen neugotischen Raum klanglich auch nur annähernd hätte füllen können.

Immerhin fanden sich ganz zum Schluss doch noch ein paar großherzige Spender in dem beschaulichen Städtchen zwischen Coesfeld und Münster, mit deren Unterstützung ein Orgelneubau in Auftrag gegeben werden konnte. Das war im Jahr 1898. Aber mit seinen schlappen 32 Registern war das Instrument aus der münsterschen Orgelbauwerkstatt Fleiter nichts anderes als ein Provisorium – viel zu klein für ein Gotteshaus von kathedralhaften Ausmaßen, in dem sich bei Wallfahrtsgottesdiensten bis heute regelmäßig Tausende Gläubige versammeln und eigentlich erwarten können, von einem kraftvollen Instrument geführt und begleitet zu werden.

Nun aber ist alles anders: Der Ludgerus-Dom bekommt eine Ludgerus-Orgel, die ihren Namen auch verdient. Am 26. März 2014 wird sie in Dienst gestellt, auf den Tag genau 1205 Jahre nach dem Tod Liudgers in Billerbeck. Die feierliche Orgelweihe besorgt Kardinal Willem Jacobus Eijk, der Bischof von Utrecht, wo Liudger geboren wurde.

Die neue Orgel

Und was bekommen der Bischof und die übrigen Gläubigen zu hören? Ein Instrument, wiederum aus der traditionsreichen münsterschen Werkstatt Fleiter, das die Ästhetik der großen französischen Kathedralorgeln des 19. Jahrhunderts aufgreift, ohne sie Eins-zu-Eins zu kopieren. Mit satten Grundstimmen und markigen Trompeten, mit glänzenden Mixturen und farbigen Solo-Registern – und mit einem gravitätischen Pedal als sonorem Fundament. Stolze 71 Register sind da auf der Empore versammelt! Zum Vergleich: die Schwalbennestorgel im Kölner Dom verfügt über 56 Stimmen, die neue Orgel im Dom zu Regensburg zählt 80 Register.

Gesteuert wird das Billerbecker Instrument vom viermanualigen Spieltisch aus, der die Registerzüge in einem Halbrund und terrassenförmig angeordnet aufnimmt – nach dem Vorbild des französischen Orgelbaumeisters Aristide Cavaillé-Coll (der diese Form allerdings auch nur in seinen Orgeln von Saint-Sulpice, Sacré-Coeur und Notre-Dame realisiert hat). Zu den Selbstverständlichkeiten im heutigen Orgelbau zählen eine ausreichend große Setzeranlage (zur Speicherung von individuellen Klang- oder Registerkombinationen) und die Möglichkeit, diese auf einem Datenträger (USB-Stick) zu speichern.

Disposition

Mutig war Eberhard Hilse, Chef der Werkstatt Fleiter und als Intonateur verantwortlich für den Gesamtklang der Orgel: er sparte wahrlich nicht mit Kraft und Volumen. Am Spieltisch wirkt manches vermeintlich zu laut – unten in der Kirche aber passt alles ganz ausgezeichnet: die stark streichende Viola da Gamba 8’ im Hauptwerk, eine durchdringende Flûte harmonique 8’, vor allem das imponierende Ensemble der offenen Flûtes in 32’-, 16’- und 8’-Fuß-Lage, die den gedeckten Registern in eben derselben Lage (Bourdon 32’, 16’, 8’) unglaubliches Rückgrat bieten.

Raumgreifendes Volumen – das ist, was all den Provisorien im Billerbecker Dom mehr als hundert Jahre lang gefehlt hat. Und auch die ultimative „Krönung“, für die nun drei Chamaden verfügbar sind: horizontal in den Kirchenraum hinein sprechende Trompeten, die besonderen Glanz und Festlichkeit verströmen. Natürlich bekommen auch zarte, poesievolle Farben ihr Recht, etwa die beiden schwebend gestimmten Register Voix céleste und Unda maris – oder die Vox Ludgeri, eine durchschlagende Zungenstimme nach Art einer deutsch-romantischen Klarinette.

Von der alten Orgel aus dem Jahr 1898 geblieben sind die beiden neugotischen Gehäuse, die sich wunderbar einfügen in die Architektur des Raumes. Sie rahmen das große Fenster im Westwerk des Doms ein – und an ihnen lässt sich noch heute die Geldnot von Einst ablesen: Ein Blick aus der Nähe nämlich reicht, um zu sehen, dass nur das linke dieser beiden Gehäusehälften mit Fialen und Schnitzereien reich verziert ist. Für das Gegenüber gab es nur noch eine „einfache“ Variante. Hinzugekommen ist das Rückpositiv – ein in die Emporenbrüstung eingelassenes Teilwerk der Orgel, das sich optisch ganz bewusst absetzt vom neugotischen Stil des übrigen Gehäuses.

Nun haben die Billerbecker in den letzten Jahren eine Menge Geld und die Orgelbauwerkstatt Fleiter jede Menge Arbeit investiert: rund 1 Million Euro kostet das nach mehrjähriger Bauzeit vollendete Instrument. Nicht gerade ein Schnäppchen-Preis – aber dafür kann die Gemeinde sicher sein, dass ihre neue Orgel mehr als die nächsten einhundert Jahre überdauern wird.

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