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Ferne Klänge und umfangreiches Rahmenprogramm: die Münchener Biennale blickt voraus auf ihre 13. Ausgabe 2012

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Es wird die vorletzte Münchener Biennale unter der Leitung von Peter Ruzicka sein, der seit 1996 diese Position bekleidet. Nach so langer Zeit verkündete er in der Pressekonferenz zum Jahrgang 2012 dennoch ein Novum: Alle Partituren der drei Opern-Uraufführungen seien – wie bisher zu diesem Zeitpunkt noch nie – fast fertig. Wie das gesamte Festival stehen sie unter dem Motto „Der ferne Klang“ – eine Anleihe von Franz Schrekers Operntitel von 1912, der nun allerdings in freier Deutung metaphorisch zu verstehen ist.

Neu ist bei der Biennale 2012 in der Zeit vom 3. bis 19. Mai auch die ausgedehnte Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München, aus der neue Projekte als Rahmenprogramm hervorgegangen sind.

Der ferne Klang entstammt bei Sarah Nemtsov (geb. 1980 in Oldenburg) der jüdischen Musik gemäß der literarischen Vorlage von Edmond Jabès. Der aus Ägypten stammende französische Schriftsteller jüdischer Herkunft lieferte mit seinem „Buch der Fragen“ eine Geschichte des Holocaust. Doch Nemtsov interessierte darin vielmehr die feinsinnige rein menschliche Ebene der Protagonisten. Musikalisch habe sie Elemente der Vortragskunst der jüdischen Kantoren und die typische Mikrotonalität übernommen, berichtete die Komponistin, die ihre Oper „L’Absence“ zwischen 2006 und 2008 geschaffen hatte. Es sei das Ergebnis des Meisterstudiums bei Walter Zimmermann in Berlin, berichtete Nemtsov. Ihre 2006 uraufgeführten Vorstudien, deren Ausschnitt in der Pressekonferenz kurz eingespielt wurde, verrieten einen stark perkussiven Charakter und einen vom Tonumfang her schmal geführten Gesangspart von rezitativischer Strenge.

Bei der Südkoreanerin Eunyoung Kim (geb. 1973 in Seoul) bedeutet der ferne Klang eine Erinnerung. „Mama Dolorosa“ nach einem Libretto der Regisseurin Yona Kim spielt im modernen Korea und die Distanz zur Tradition schien der Komponistin im Gespräch wichtig. Dennoch: Die darin vorkommenden familiären Beziehungen und Regeln sind eindeutig der Tradition entsprungen. Auch in der Musik der präsentierten Vorstudie ließ sich die Herkunft aus der traditionellen Musik nicht leugnen. Die Kombination stark perkussiver Elemente mit aufdringlichen Blechbläsersätzen sowie die hochdramatische Intensität finden Parallelen in asiatischen Musikformen, speziell in den vokalen Gattungen. Mit einem Opernakt „Minuten-Spuren“ im Rahmen der Gemeinschaftsoper „hin und weg“ war Eunyoung Kim bereits 2008 bei der Münchener Biennale vertreten.

Noch nicht vollendet ist die Oper „Wasser“ von Arnulf Herrmann (geb. 1968 in Heidelberg). Die Schlussszene fehle noch, berichtete der Komponist. Die 13 Szenen folgen aber auch keiner literarischen Vorlage. Das Libretto von Nico Bleutge sowie die Oper insgesamt entstehen vielmehr experimentell in Verschränkung des Szenischen mit dem Musikalischen. Das Ausgangsmotiv sei der Gedächtnisverlust eines Hotelgastes, berichtete der Komponist, der im vergangenen Jahr mit dem Förderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung ausgezeichnet wurde. Der Verlust der Identität spiegelt sich etwa in der Verfremdung der Musik, die wie von einer Schalplatte, deren Loch versetzt wurde, abgespielt erklingt. Zwei Szenen der Oper wurden bereits konzertant uraufgeführt. Jede der Szenen trägt allerdings eine eigene Charakteristik, wobei auch Erinnerungen an vergangene Szenen – ferner Klang – aufgegriffen werden.

Das Biennale Extra „A Game of Fives“ unter der musikalischen Leitung von Errico Fresis gehört 2012 jungen Komponisten der Universität der Künste Berlin, die sich mit dem Thema „Der ferne Klang“ in freier Weise durch Hinterfragung der Wahrnehmungsprozesse – so Fresis – genähert haben. Dazu gehören interaktive elektronische Möglichkeiten wie auch eine Installation ohne szenische Darstellung.
Ein besonders spannendes Projekt verspricht das Sonderkonzert der Münchner Philharmoniker zu werden. Drei chinesische Komponisten nahmen sich den chinesischen Originaltext vom „Lied von der Erde“ – von Gustav Mahler in Übersetzungen verarbeitet – erneut vor.

Zur Biennale gehört auch ein Konzert der musica viva des Symphonieorchesters des BR mit einer Uraufführung von Tristan Murail sowie ein Konzert des Münchener Kammerorchesters unter der Leitung von Nocholas Collon. Klangspuren plus mit einem Gesprächskonzert mit der Komponistin Eunyoung Kim sowie eine Podiumsdiskussion der Bayerischen Akademie der Schönen Künste ergänzen das Programm.

Anton Biebl, stellvertretend für den erkrankten Kulturreferenten der Landeshauptstadt München, zeigte sich hocherfreut, von gemeinsam mit der Biennale entwickelten „neuen Formaten“ im Sinne von „Zusammenarbeit, Vernetzung und Nachhaltigkeit“ berichten zu können. Dazu gehört Biennale Special mit Auftragskompositionen mehrerer Münchner Komponisten zum Thema „Nucleus“, mit der interaktiven Video-Oper „mystery – mach dir kein bild“ von Helga Pogatschar, einer multimedialen Video-Oper „An Index of Metals“ von Piano Possibile, „NEDA – der Ruf, die Stimme“ von Alexander Strauch sowie dem Schülerprojekt „Musik zum Anfassen“. Zum Thema „Neues Musiktheater – neue Orte – neue Vermittlungsformen“ findet in Zusammenarbeit mit dem Münchner Kulturreferat ferner ein Symposium mit Diskussionsforum statt.

Ein weiteres Novum ist die Biennale-Werkstatt der Münchner Volkshochschule, die dem allgemeinen Publikum Einblicke in die musikalische Arbeit gewährt. So auch die wohl tiefer gehenden Hintergrundgespräche, die in Kooperation mit der Evangelischen Stadtakademie München sowie mit dem Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde veranstaltet werden.

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