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Eine Kunst-Insel mit Musik: Das Inselfestival hat sich längst sein eigenes Publikum geschaffen. Foto: Thomas Riehle/Stiftung Insel Hombroich
Eine Kunst-Insel mit Musik: Das Inselfestival hat sich längst sein eigenes Publikum geschaffen. Foto: Thomas Riehle/Stiftung Insel Hombroich
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Fixsterne am Nachthimmel und andere Leuchtkörper

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Kunstrezeption mit einem Moment der Andacht: Eindrücke und Einschätzungen zum 12. Inselfestival Hombroich
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Begehbare Skulpturen, ein Museum für bildende Kunst, ein künstlich angelegter Flussumlauf. Architektur, Literatur, Musik in einer renaturierten niederrheinischen Park- und Terassenlandschaft. Dazu ein repazifizierter Natostützpunkt – Museum Insel Hombroich hat viele Facetten. Das Lebens­reformerische des Entwurfs ist spürbar an allen Ecken und Enden. Auch ein pfingstliches, im Biennalerhythmus organisiertes Musikfest hat daran Anteil. Eindrücke von, Einschätzungen zu einer Insel-Exkursion.

Gerade hat Till Fellner Holligers drei frühe „Nachtstücke“ auf die Reise geschickt, als sich auch schon ein vielstimmiges Vogelkonzert ins Klanggewebe mischt. Keine Störung im eigentlichen Sinn, eher eine Farbe durchaus extravaganter Art. Ein Zusatzregister, dem der Komponist, soviel steht fest, einiges würde abgewinnen können. Gewiss, auch auf Hom­broich, diesem sehr eigenen Flecken auf der großen Karte der Gegenwartskunst, ist diese Zugabe der beseelten Natur nicht unbedingt die Regel. In diesem Fall ist sie dem übergroßen Andrang geschuldet, der die Veranstalter bewog, die Tore zur Scheune, wie der ältere der beiden Konzertsäle hier heißt, weit offen zu halten. Erleichterung darüber auf allen Gesichtern. Drinnen, auf den Bänken wie auf dem eilig bereitgestellten Notgestühl ist man, der Interpret inbegriffen, dankbar für jedes Lüftchen. Und, wer draußen in lauer Pfingstnacht seinen Stehplatz eingenommen hat, um einem romantischen Klavierabend gewissermaßen auf der Schwelle zu lauschen, hat ebenfalls beides – das Natur- und das Kunstschöne. Dieses als Fern-, jenes als Nahorchester.

Hombroich, Pfingsten 2008. – Das Schlusskonzert des 12. Inselfestivals fokussiert mit Mozart/Schumann/Ravel/Holliger noch einmal jene Ästhetik, die im Verlauf eines knappen Vierteljahrhunderts Festivalgeschichte tatsächlich ihr eigenes Publikum kreiert hat. Ein Umstand, der selbst als ein kleines Kunstwerk betrachtet werden darf. Und wer in diesem Zusammenhang von Erziehung sprechen möchte, liegt auch nicht verkehrt. Wie auch immer: Hombroich ist der Beweis, dass es geht. Längst ist die Vision des verstorbenen Komponisten Gerhard Lampersberg Realität geworden, neben der Architektur, neben der bildenden Kunst auch eine Tradition genuin Hom­broicher Musikpflege zu etablieren, die auf dem klassisch-romantischen Eckstein weiterbaut. Wie jetzt zum konzertant begangenen Pfingstfest wieder hörbar wurde, ist es gelungen, diesen Fingerzeig in eine Programmatik zu übersetzen, um die sich ihrerseits ein eigener, nicht unerheblich zur Finanzierung beitragender Freundeskreis geschart hat. Einer, der nicht zur Jagd nach Novitäten bläst. An der Tendenz, die Uraufführung mit dem Begräbnis des neuen Werkes zusammenfallen zu lassen, möchte man sich hier durchaus nicht beteiligen. Auf Hombroich hält man sich stattdessen (Zeit für ein großes Wort) – ans Vermächtnis Hölderlins. Der Dichter der Deutschen wird hier mehr als nur gelesen, vielmehr gilt sein gesprochenes Wort:

„denn wiederkommen“

„Wiederhören erleichtert das Verstehen von Musik“, sagt Georg Kröll. „Wiederhören intensiviert das Musik­erlebnis und ist notwendig für eine kritische Beurteilung.“ Ein Plädoyer, das Richtung wie Linie von Programmierung und Kuratierung „auf der Insel“ bestimmt. In der Folge haben sich Namen wie Hans Zender, Rolf Riehm, Helmut Lachenmann, György Kurtág und York Höller gleich Jahresringen um die Geschichte des Inselfestivals gelegt. Neben diesen Fixsternen am Nachthimmel über Hom­broich leuchten, etwas schwächer zwar, aber doch immer noch mit bloßem Auge erkennbar: Christoph Staude, der seit geraumer Zeit auf Hombroich lebt und arbeitet, Thomas Bruttger, auch in diesem Festivalzyklus mit einer Uraufführung (Klang-Spiegel-Bild/Ensemble Recherche) vertreten und nicht zuletzt der Kölner Komponist Georg Kröll, ein Schüler von Bernd Alois Zimmermann.

Namentlich Kröll ist es, der seinen verehrten Lehrer denn auch immer wieder als Kronzeugen anruft. Dessen „Monologe für zwei Klaviere“, im Eröffnungskonzert vom begnadeten Duo Andreas Grau/Götz Schumacher präsentiert, wurde einmal mehr als eine Musik gehört, die in der Art, wie sie etwa Bach zitiert, im Werk selbst verdichtet hat, was das Inselfestival im großen und ganzen ins Werk zu setzen bestrebt ist. Erinnern, Wiederholen, Durcharbeiten kann – Hombroich bringt es an den Tag – eine ausgesprochen lustvolle Erfahrung sein.

Für diese Konzentration auf das Werk, zu der sich der langjährige Kurator des Inselfestivals Georg Kröll ohne Umschweife bekennt, sind den Veranstaltern im Laufe der Zeit zwei Spielorte zugewachsen. Das „Haus der Musik“, konzipiert vom österreichischen Architekten Raimund Abraham, ist im Rohbau zwar fertiggestellt – doch bis dieser imposante, sich zum Kosmos öffnende Musentempel bezogen werden kann, wird nach dem überraschenden Tod der Gründerfigur Karl-Heinrich Müller noch einige Zeit vergehen.

Bis dahin teilen sich die Aufgabe, die Wahrnehmung zu schärfen, eine in Leichtbauweise, akustisch manche Wünsche freilich offen lassende Veranstaltungshalle sowie besagte Scheune, eine vom Blauregen im Laufe der Jahre liebevoll eingehüllte Holzarchitektur, deren Inneres wie in der Kirche mit Holzbänken ausgeschlagen ist. Heilige Nüchternheit in Tanne. Außer dem Blick ins Grün nichts, was das Auge ablenkt.

Dass der Kunstrezeption hier ein Moment der Andacht eingeschrieben ist, kommt den Interpretationen hörbar zu Gute. Künstler wie Till Fellner im Schluss- oder wie Grau/Schumacher im Eröffnungskonzert wussten und wissen solche Intimität, solche Konzentration aufs Wesentliche zu schätzen. Eine Erfahrung, die sie dem Publikum mit außergewöhnlichen Darbietungen zurückschenken. Wer einmal hier war, kommt wieder, was auch damit zusammenhängen mag, dass die Insel-Gastfreundschaft sprichwörtlich geworden ist. Noch an den von gemeinsamen Mahlzeiten begleiteten wie gekrönten Konzerten spüren die Interpreten die Differenz zu einem Musikbetrieb, der sie im wesentlichen vor sich hertreibt, der „Auftritte“ aneinanderreiht.

„Vorzeitbelebung“

Zu den Neuerungen, die in diesem Festivalzyklus manche Erwartungen auslösten, ohne diese am Ende ganz einzulösen, gehörte ein erstmals anberaumtes, von Jörn Peter Hiekel geleitetes Symposium. Nun wäre Hombroich nicht Hombroich, wenn es einer Konvention, und sei es einer noch so schönen, nicht eine ungewohnte Seite abtrotzen würde. Eingeladen waren denn auch neben zwei Musikwissenschaftlern (Ralph Paland, Martin Zenk) vor allem die auf dem Festival gespielten Komponisten, um ihre „Reflexionen zu Vergangenheit und Gegenwart in der neuen Musik heute“ vorzutragen. Hierbei mochte es nun allerdings mit einer eher mangelnden Erfahrung zu tun haben, dass der auf den verstorbenen Insel-Poeten Thomas Kling rekurrierende Titel „Vorzeitbelebung“ die eingeladenen jüngeren Komponisten wie Hans Thomalla und Sebastian Claren zu Spekulationen verleitete, die von der Subjektivität ihres Werkentwurfs kaum mehr gedeckt waren. Die Abhängigkeit, die etwa Claren von postmodernen Theoretikern im Stil eines Harry Lehmann bekundete, dokumentierte am Ende denn doch mehr das Selbstmissverständnis des Künstlers als generalisierenden Philosophen als dass sich der Referattitel „Geschichte und Schönheit“ am Werk des referierenden Tonsetzers hätte zeigen wollen.

Einen Holzweg, den Manos Tsangaris und Isabel Mundry weniger, Hans Zender und Rolf Riehm ganz und gar vermieden, indem vor allem letztere sich konsequent an ihrem Werkschaffen orientierten. Zender hielt sich an Hölderlin, den er wunderbar rezitierte; Riehm an Bach, zu dessen Contrapunctus 11 aus der Kunst der Fuge er seine ebenso anarchische wie kongeniale Näherung vorstellte. Ein Gewinn.

Wenn „Vorzeitbelebung“ (was zu wünschen wäre) in die zweite Runde gehen sollte, läge es inselästhetisch durchaus nahe, dann auch die Riege der Interpreten hinzuzubitten. Sofern Seher wie Hans Zender recht haben, wenn sie im Interpreten über dessen Mittlerfunktion zum Urtext hinaus das Eigenschöpferische erkennen, wäre Hombroich doch sicherlich der Ort, genau dies ins Bewusstsein zu heben.

Apropos. Als Till Fellner, die interpretatorische Entdeckung dieses Festivaljahrgangs, bei seiner letzten Zugabe, bei Liszts „Au lac de Wallenstadt“ angelangt war, reagierte schlussendlich auch Hombroichs Vogelkolonie. Andächtiges Schweigen im Walde.

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