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Innenansicht des neuen Konzertsaals. Foto: HfM Dresden
Innenansicht des neuen Konzertsaals. Foto: HfM Dresden
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Geweiht und erprobt – der neue Konzertsaal der Dresdner Musikhochschule

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Ein Neubau in Dresden und noch dazu ganz ohne Bürgerprotest, das ist schon bemerkenswert, wenn man bedenkt: Hier wurde Frank Stella mit einer grandiosen Museumsidee vergrault, ist ein Hundertwasser-Projekt in den Wind geschlagen worden, fügt Daniel Liebeskind selbst einem Militariabau nur unter heftigem Gegenwind einen aufwertenden Keil bei, wird ansonsten Legoland-Kosmetik betrieben, das Frauenkirch-Fake von Abziehbildern umstellt, schwelt ein Brückenstreit millionenteuer seit Jahrzehnten…

Ein Neubau also in Dresden, noch dazu einer mit Klang und mit Ruf! Da darf der ewigen Residenzstadt doch einmal gratuliert werden, denn nun hat auch die letzte deutschen Musikhochschule endlich einen eigenen Konzertsaal bekommen. Die „hammeskrause architekten“ des gleichnamigen Stuttgarter Büros haben einen Brückenschlag von Alt nach Neu gewagt, das Gründerzeitgebäude der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber mit ihrem Neubau geschickt verbunden, und zugleich einen wirkungsvollen Blickpunkt gleich neben die Reste des historischen Zentrums gesetzt.

Im Vordergrund stand gewiss die Akustik. Und die kam voll und ganz auf ihre Kosten. Davon konnten sich Nutzer und Gäste des Novums während einer zehntägigen „Festwoche“ überzeugen. Zwischen Eröffnungs- und Abschlusskonzert wurde so ziemlich alles ausprobiert, was von einem solchen Saal erwartet werden darf. Experimentelle Raummusik, Soloabende für Klavier, Horn und Gesang, eine veritable Jazztaufe, russische, skandinavische und amerikanische Schwerpunkte fanden sich im Programm.

Dank einer eigenwillig konzipierten Saalarchitektur – im 450 Plätze bietenden Saal gibt es kaum rechte Winkel, sind Schallreflektoren installiert, können Jalousien je nach Proben- oder Konzertsituation eingesetzt werden – wird das Gehäuse allen Anforderungen gerecht. Die dazugehörenden Unterrichts-, Bewegungs- und Probenräume erleichtern zudem mitsamt der über 90.000 Bände umfassenden Freihandbibliothek den Studienprozess gewaltig. Mit bisherigen, über die halbe Stadt verteilten Arbeitsbedingungen ist das nicht mehr vergleichbar.

Als Auftragswerk und Uraufführung steuerte Friedrich Goldmann sein „Wege Gewirr Ausblick“ bei, eine Schöpfung, die neben Schumanns „Faust“-Szenen, Webers Konzertstück op. 79 und Strauss’ „Till Eulenspiegel“ wiederum Dresden-Bezüge nachhörbar machen sollte. Für die Moderne standen ansonsten Boulez, Stockhausen und – ebenfalls in einer Uraufführung – der in Dresden lebende Elektroniker-Komponist Jorgen García del Valle Méndez.

Was da tönte, füllte den Saal aus und war kaum einmal bassig verquast oder in Höhen zirpend. Vor allem die Jazztaufe, die an einem einzigen Abend sowohl Soli als auch Bigband ausprobiert hat, lieferte beste Beweise für gut Akustik. Nicht zuletzt war in ihr der Abschied des legendären Günter „Baby“ Sommer mitzuerleben, der seinen Staffelstab – die Schlegel – an Michael Griener weitergab. Doch auch formidable Schüler und der trommelnde Meilenstein selbst kamen bestens faszinierend zu Gehör. Neben Formationen von Studenten und Dozenten überzeugte vor allem die Big Band der Hochschule. Sowas von fetzig gekonnt, das soll doch erst mal wer nachmachen.

Der Saal ist gebaut und geweiht. Nun muss er im Alltag bestehen. Das wird er, bleibt anzunehmen nach diesen sehr überzeugenden Erprobungen des Neubaus. Und, wer weiß, irgendwann erhält vielleicht auch die Stadt des neugierfreien Nabelblicks und der sächsischen Selbstbeschau einen eigenständigen Konzertsaal. Verdient hätten ihn zumindest die Künstler, Ensembles und die Musikinteressierten in dieser Stadt.

 

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