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Elena Gorshunova (Ilia) und Wookyung Kim (Idomeneo) in Dresden. Foto: Matthias Creutziger
Elena Gorshunova (Ilia) und Wookyung Kim (Idomeneo) in Dresden. Foto: Matthias Creutziger
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Griechische Tragödie, mitten in Dresden: Michael Schulz inszeniert Mozarts „Idomeneo“ an der Semperoper

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An Griechenland kann man sich dieser Tage sehr leicht verheben. Vermeintliche Krisenretter machen es vor, scheindemokratisch; verstricken die Europäer in immer mehr Schulden und sich in immer mehr Schuld. Da wäre es doch an der Zeit, mal in die Antike zu schauen. Wie hat man es damals mit Schuld und Sühne gehalten? An der Dresdner Semperoper hat Regisseur Michael Schulz einen Versuch gewagt.

Biertischlösungen sind nicht angebracht, wenn es um Griechenland geht. Denn die kommen uns teuer zu stehen. Dennoch wird offenbar von der Antike bis heute, von der frühesten bis hin zur kaum noch fühlbaren Demokratie immer von oben nach unten gespart. Irgendwie hat's noch jedesmal hingehauen, dem Volk den Gürtel enger und enger zu schnallen.

In diesem Fall ist das Volk jedoch, das siegreiche der Kreter nämlich, ganz in Weiß gekleidet, trägt weite Hüte und Sonnenbrillen. So schmückt man sich vielleicht, wenn die Kanzlerin abdankt, aber wer wartet so auf die ungewisse Heimkehr seines Herrschers aus Kriegsjahren?

Bei Michael Schulz, der jetzt das Debakel um „Idomeneo“ an der Sächsischen Staatsoper in Dresden inszeniert hat, tut man das so. Da werden die gefangenen Trojaner schon mal in Lumpen über die Bühne geschubst, die heroischen Griechen aber sehen aus wie Touristen, die „all inclusive“ gebucht haben. Nur ist ihr Fürst noch auf hoher See, stürzt in die Krise und wird als Schiffbruch verbucht. Dank Neptun findet er jedoch noch einen Rettungsschirm, um damit freilich nur die eigene Haut zu verschonen. Denn zum Geschäft mit dem eiskalten Meeresgott gehört der Deal, dass Idomeneo den ersten Menschen opfern soll, dem er nach seiner Heimkehr begegnet. Solchen Abmachungen stimmen Könige gerne zu, solange sie über ein großes Volk verfügen und nicht ahnen, dass dieser erste Mensch der eigene Sohn sein wird. Das ist ganz klassische Dramatik: Die Krise spitzt sich zu!

Nur ahnt dieser Sohn Idamante noch nichts von jenem seidenen Faden, an dem fortan sein Leben hängt. Er hat ja auch genug andere Probleme. Zuerst die Nachricht vom Tod des Vaters, dann dessen plötzlich wieder zu erwartendes Erscheinen, das aber mit betontem Abstand des – verständlicherweise – völlig verstörten Familienoberhaupts verbunden ist. Zu allem Überfluss gibt es noch ein handfestes Liebesproblem, denn Idamante hat sich just in Prinzessin Ilia verguckt. Die gehört zu den Gefangenen aus Troja und ist dummerweise die Tochter des gefallenen Königs Priamos. Jedes Annähern, jeder Beischlaf wäre Feindberührung. Und politisch überhaupt nicht korrekt.

Verwirrungen der Gefühle

Es ist ein hübsches Verwirrspiel, das der Mittzwanziger Wolfgang Amadeus Mozart da auf dem Libretto von Giambattista Varesco angerichtet hat. Musikalisch zum Teil noch stark vom Barock geprägt, dann aber schon derart dramatisch und sogar psychologisch geschliffen, dass diese Opera seria – eigentlich mehr eine Tragédie lyrique – zu einem komplexen Musikdrama gerät.

Das Inszenierungsteam um Michael Schulz – Gelsenkirchens Generalintendant hat in Dresden bereits Donizettis „Liebestrank“ verantwortet und wird 2013 zu den Salzburger Osterfestspielen in Koproduktion mit Semperoper und dem Musikfestival Peking den von Christian Thielemann und der Sächsischen Staatskapelle musizierten„Parsifal“ herausbringen – hat seinen Bogen genau da angesetzt: Barockoper im Heute. Die griechische Antike bleibt da fast ausgeblendet. An Stelle trojanischer Säulen gliedern modernistische Guckkasten-Rahmen den barock gedachten Bühnenraum. Tiefenwirkung und mehrdimensionale Strukturen verschmelzen mit Projektionen von tobender See zu einem Gesamtkunstwerk des ewig Gültigen (Bühnenbild Kathrin-Susann Brose).

Was aber die von Renée Listerdal eingekleidete Personage darin anstellen soll, wirkt wenig überzeugend, bleibt mal banal und mitunter auch peinlich. Wenig Personenbezug, kaum Charakterisierungen, oft mehr verbales Behaupten statt durch die Musik schon determiniertes Sein.

Aalig und assoziativ

Anstelle des originären Balletts tauchen Komparsen auf, so richtig aalige Gesellen, die manche Szene noch einmal assoziativ wiedergeben. Das ist nicht ohne Reiz und Geschick, wirkt unterm Strich aber mehr als ein Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Geschehen. Vertane Chancen.

Allerdings gibt es unter den Sänger-Darstellern doch einige, die mehr überzeugen als die Regie. Allen voran Wookyung Kim in der Titelpartie. Sein Timbre ist edel, klangstark und ohne jeden Tadel, sein Spiel glaubhaft bis ins Detail. Der Sohn Idamante wird von Anke Vondung berührend gefühlig gegeben. Bei dieser einst im Ensemble des Hauses fest engagierten Mezzosopranistin dürfte wohl niemand die Herrenpartie vermisst haben, die mal von Kastraten, mal auch von Tenören gesungen worden ist. Ihre geliebte Königstochter Ilia wird von der russischen Sopranistin Elena Gorshunova gesungen, die ganz unaufdringlich und menschlich den Spagat von Trauer und Liebe bezwang. Dabei hatte sie in der Figur der Elettra einen heftigen Widerpart, den Rachel Willis-Sørensen mit gesteigerter Verve dargestellt hat. Die Rachearie dieses neuen Ensemblemitglieds ließ aufhorchen – auch in ihrer gedanklichen Nähe zu Straussens Elektra! – und machte gespannt auf weitere Begegnungen mit dieser amerikanischen Sopranistin.

Überzeugend wie immer agierte der Staatsopernchor, den Pablo Assante einstudiert hatte. Er band sich ins klar organisierte Musizierschema der Dirigentin Julia Jones ein, die diesen Mozart eher strukturierte denn interpretierte.

Zur Premiere wurde brav applaudiert. Das eigentliche Happy End erwies sich in der Bezwingung göttlicher Macht durch menschliche Liebe. Der Meeresgott war schließlich überzeugt und verzichtete auch weitere Opfer. Seine Bedingung dafür: Idomeneo sollte abtreten und den Thron an Idamante und Ilia übergeben.
So einfach ginge das heute nicht mehr, schlicht aus dem Grund, weil geeignete Brautpaare fehlen. Aber das Volk, diese Weitsicht hat auch Michael Schulz aufgezeigt, stattet seine neuen Machthaber noch immer höchst prachtvoll aus. Tribut wird gezollt – oder erpresst –, da kann es dem Souverän im Lande noch so dreckig gehen. Woran erinnert uns das?

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