Erst das Silvesterkonzert des Zweiten Deutschen Fernsehens, bald die Osterfestspiele in Salzburg? Die Sächsische Staatskapelle Dresden könnte schon bald gemeinsam mit ihrem künftigen Chefdirigenten Christian Thielemann ein weiteres Traditionsfeld der Berliner Philharmoniker bestellen.
Christian Thielemanns Abschied von München klingt so einvernehmlich freudvoll, als fiele Ostern und Weihnachten endlich mal auf ein gemeinsames Datum. Nach siebenjähriger Amtszeit als Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker läuft sein Vertrag an der Isar diesen Sommer turnusgemäß aus. Von den Querelen vor zwei Jahren, als über eine Vertragsverlängerung keine Einigung mit dem Stadtrat erzielt worden ist, war jetzt keine Rede mehr. Christian Thielemann hat jetzt ein Jahr ohne festen Posten vor sich, Langeweile dürfte bei dem gefragten Dirigenten aber kaum aufkommen.
Auch vor den Philharmonikern liegt ein Jahr ohne Chef. Zu 2012/23 tritt Lorin Maazel die Nachfolge an. Dann übernimmt auch Christian Thielemann ein neues Amt und wird als Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle nach Dresden kommen. Dort ist der 52-Jährige freilich schon sehr präsent, hatte in der Vergangenheit zahlreiche Gastkonzerte geleitet, sprang erfolgreich ein, als Ex-GMD Fabio Luisi mal krankheitshalber absagen musste, und brillierte zum vorigen Jahreswechsel mit Ausschnitten aus Franz Lehárs „Lustiger Witwe“ beim live aus der Semperoper übertragenen Silvesterkonzert des ZDF. Als ruchbar wurde, dass Thielemann mit der Kapelle dieses viele Jahre von den Berliner Philharmonikern gepachtete Konzert zum Jahreswechsel übernehmen sollte, warf Luisi vorzeitig hin.
Die Berliner waren aber nicht nur auf Silvester im Zweiten abonniert, sondern unter anderem auch auf die 1967 durch Herbert von Karajan ins Leben gerufenen Salzburger Osterfestspiele. Diese Verpflichtung haben sie nun mit Wirkung ab 2013 zugunsten des offenbar aufstrebenden Festspielhauses von Baden-Baden recht kurzfristig beendet. Die nächsten Ostertage sind also die letzten für Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker an der Salzach. Für sie geht es dann direkt an die Oos.
Aus Salzburg tönen Worte die „Nachdenkpause“ und „Neuorientierung“, was allerdings mehr nach nebulöser Beschwörung klingt. In der Gerüchteküche hingegen wabern die Nebel schon weitgehend lichter: Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle sollen nach Salzburg kommen. Ein naheliegender Schachzug, denn dieses Orchester ist sowohl im Opern- als auch im Konzertbereich höchst renommiert, es hat seine Meriten auch immer mal wieder in Salzburg geerntet, wo es zuerst 1923 unter Fritz Busch gastierte und seitdem mehr oder minder regelmäßig aufgespielt hat.
Befremdlich ist nur ein Blick in diverse Kalender: Die Kapelle ist traditionell zu sogenannten Palmsonntagskonzerten in Dresden verpflichtet – und die liegen nun einmal recht nah an Ostern. Bei guter Planung ein lösbares Problem. Schwerer scheint da schon jetzt Thielemanns Verpflichtung zu Ostern 2014 an der Wiener Staatsoper zu wiegen – österreichische Medien schreiben von einem „Kampf um Thielemann“.
Der aber schaut zunächst aufs Naheliegende, etwa auf eine Koproduktion von Sächsischer Staatskapelle und Festspielhaus Baden-Baden im Februar 2012. Die Dresdner werden dann unter ihrem immer noch künftigen Chefdirigenten zu Philippe Arlauds Inszenierung von „Ariadne auf Naxos“ aufspielen. Richard Strauss liegt ihnen ja. Noch so ein Brückenschlag. Denn der einstige „Hausgott“ an Dresdens Oper hatte bekanntlich neben Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal gewaltigen Anteil an der Gründung der Salzburger Festspiele.
Eben dort nun dürfte Christian Thielemann in wenigen Tagen für Klarheit sorgen, was das Aufeinandertreffen zumindest von künstlerischen Feiertagen betrifft. Zeitgleich übrigens, aber das ist auch nur ein Zufall, wie ihn sich keine noch so perfekte Dramaturgie zusammenreimen könnte, zeitgleich musizieren die Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle in der Semperoper, wo sie mit Gustav Mahlers 6. Sinfonie auftreten und den Preis der diesjährigen Dresdner Musikfestspiele erhalten werden.