Einzigartige und gut erhaltene historische Orgeln gibt es in dem Dreieck zwischen Weser und Elbe. Um sich um die Pflege und Erforschung dieser Instrumente zu widmen und ihre historische Bedeutung und ihren wunderbaren Klang einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen, wurde vor 20 Jahren die „Orgelakademie Stade“ gegründet. Sie beging am 18. Juni ihr Jubiläum mit einem Festtag in Stade.
Es ist ein unermeßlicher Reichtum an wunderbaren und gut erhaltenen historischen Orgeln, den man heute im Elbe-Weser-Dreieck finden kann. Hier, in den ehemaligen Herzogtümern Bremen und Verden, gibt es allein über 80 bedeutende Denkmalorgeln, die über 500 Jahre Geschichte des Orgelbaus widerspiegeln. Etwa ein Drittel der erhaltenen Orgeln des berühmten barocken Orgelbauers Arp Schnitger stehen in dieser Region.
Um diesen Instrumenten und ihrer musikalischen Bedeutung die angemessene Beachtung und Wertschätzung zu verschaffen, wurde vor 20 Jahren im Schloss Agathenburg die „Orgelakademie Stade“ gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern zählten die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers, der Landschaftsverband, der Landkreis und die Hansestadt Stade. Dadurch war das Unternehmen sehr breit aufgestellt und hatte eine gute Basis, um ihre Anliegen zu verwirklichen. Das Jubiläum feiert die Akademie am 18. Juni mit einem abwechslungsreichen Programm in St Wilhadi und St. Cosmae in Stade.
Von Anfang an waren insbesondere die touristischen Angebote der Akademie gut besucht. In Orgelführungen wurden die Instrumente erklärt und ihre Besonderheiten hervorgehoben. Das eigentliche Erlebnis war es aber in erster Linie, die Instrumente – gespielt von erstklassigen Organisten – zu hören. Auf Orgelexkursionen, zu Rad, Bus oder Schiff wurde die eigene Orgellandschaft erkundet, aber auch ein Blick auf die oft nicht weniger herausragenden Orgeln in der Nachbarschaft, etwa in Ostfriesland, geworfen.
Ein zweites Standbein der Akademie ist der Bereich der Forschung. Vieles ist noch unerforscht im Bereich des historischen Orgelbaus und auch der Orgelmusik für gerade diese Instrumente. Es waren große Orgelbauer, die den musikalischen Ruhm dieser Region begründeten – allen voran Arp Schnitger und sein Onkel Berendt Huß, die gemeinsam die Orgel in St. Cosmae in Stade gebaut haben. Der Musikwissenschaftler Konrad Küster sagt über sie: „Sie haben an der Küste von Amsterdam im Südwesten bis Hamburg und dann weiter in den Raum nördlich von Ribe in Dänemark die allererste geschlossene Orgellandschaft der Welt geschaffen.“
Den wohl größten Schwerpunkt der Akademie bildet die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Für diesen Arbeitsbereich, „Alte Orgeln für junge Menschen“, ist die Organistin Annegret Schönbeck zuständig. Sie ist unermüdlich in Kindergärten, Schulen, aber auch bei kirchenmusikalischen Kollegen unterwegs, um die nachwachsenden Generationen mit den vielfältigen klanglichen Möglichkeiten der “Königin der Instrumente“ bekannt zu machen.
Wenn Schönbeck mit ihrem Orgelkoffer oder dem kleinen Bausatz für eine Pfeifenorgel unterwegs ist, trifft sie oft auf junge Menschen, die noch nie eine Orgel gesehen oder gehört haben und sie schafft es, schnell Interesse für dieses einzigartige Instrument zu wecken, oft auch gegen die musikalischen Vorprägungen im Elternhaus. So berichtet sie schmunzelnd von einem Kind, dass zu Ihr zum Orgelkurs gekommen ist, während dessen Eltern zum Festival nach Wacken gefahren sind.
Die Orgelkurse, das Stadter Jugend-Orgelforum, sind in ihrer Art der Musikvermittlung bundesweit einzigartig. Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren, die schon ersten Orgelunterricht erhalten haben, kommen eine Woche zusammen, um an den historischen Orgeln ihre Fähigkeiten weiter auszubilden und Musik etwa des Komponisten Vincent Lübeck (1654 – 1740) auf dem Instrument in Stade zu spielen, an dem er selbst Organist gewesen ist, für das er seine Werke komponiert hat.
„Insgesamt 150 Kinder und Jugendliche aus der ganzen Welt sind in den vergangenen 13 Jahren bei uns gewesen“, berichtet Schönbeck und ergänzt stolz: „In diesem Jahr werden vier Dozenten bei dem Orgelforum dabei sein, die einstmals hier ihre ersten Schritte auf der Orgel getan haben“. So mag man sich nicht wundern, wenn zum Jubiläum der Orgelakademie der 17jährige Benedikt Zimmer ein kleines Orgelkonzert gibt und am Nachmittag Kinder selbst an den Instrumenten spielen dürfen. Diese direkte Begegnung mit der Orgel – das ist das Geheimnis der Orgelakademie.
Das Jubiläumsprogramm findet man auf der Homepage der Orgelakademie (www.orgelakademie.de) in der rechten Spalte unter „Aktuelles“.
- Mit freundlicher Genehmigung, Quelle: Evangelische Zeitung Niedersachsen vom 19. Juni 2022