Sagt die Dauer der Arbeit an einer neuen Komposition etwas über die Musik? Und was sagt die Menge des Komponierten über dessen Qualität? Oder sind Entstehungszeit und Anzahl der Werke lediglich Folge mehr oder minder pragmatischer Umstände? Bloß äußerliche Faktoren, die mit den fertigen Werken selbst nichts mehr zu tun haben?
Manche Komponisten schleppen sich mühsam durch Lehrbetrieb und/oder Broterwerb mit der Hoffnung auf freie Tage oder Wochen im Sommer, um auf dem Land, am Meer, in den Bergen oder der Hitze der Großstadt die zum Komponieren nötige Zeit, Ruhe und Disposition zu finden. Andere können es scheinbar fortwährend, immer und überall. Was für Musik entsteht dabei?
Würde das Prädikat „Musiker des Monats“ nach der Menge des Komponierten vergeben, so erhielte es im Juni zweifellos Jörg Widmann. Der 1973 in München geborene Klarinettist und Komponist ist so produktiv wie es sonst auf weiter Flur nur seine Lehrer Hans Werner Henze, Wilfried Hiller und Wolfgang Rihm waren beziehungsweise sind.
Ohne dass es sich bei ihm um einen Dammbruch nach längerer kompositorischer Abstinenz handelt, bringt er allein in diesem Monat innerhalb von vierzehn Tagen von sich selbst gleich drei neue Werke für Klarinette und Orchester zur Uraufführung: am 11. Juni in Hamburg „Notturno“, am 25. Juni „Echo-Fragmente“ in Freiburg, wo er seit 2001 als Professor für Klarinette an der Musikhochschule unterrichtet, und am 27. Juni in Rom ein zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch unbetiteltes neues Werk – als Titelvorschlag zur Güte vielleicht „Echo-Echo-Fragmente“?
Unter die jungen produktiven Komponisten gehört auch Michel van der Aa. Zur Eröffnung des Holland-Festival kommt am 2. Juni im Amsterdamer Muziekgebouw aan ‘t IJ seine Oper „After Life“ nach dem Film von Hirokazu Kore-Eda zur Uraufführung. Stefano Scodanibbios Musiktheaterstück „Il cielo sulla terra“ geht am 1. Juni erstmals über die Bühne des Forums Neues Musiktheater der Staatsoper Stuttgart. Und von Bernd Franke – auch wiederholt an dieser Stelle vertreten – erklingt am 21. Juni in Zürich erstmals „Toggeli?!“ für Kammersprechchor.
Weitere Uraufführungen
5.06.: Michael Denhoff, Krzysztof Meyer, Steffen Schleiermacher,
Werke für Player Pianos, Klavier-Festival Ruhr, Zeche Nordstern Gelsenkirchen
10.06.: Norbert Sterk, Hôtel de la Paix
für Bariton und Klaviertrio, Musikverein Wien
11.06.: Johannes Quint, Sweet Beauty, Theater im Ballsaal Bonn
11.06.: Hans Koolmees, Karol Beffa, Christian Froleyks, neue Ensemblewerke zu Heines und Schumanns 150. Todestag, Robert Schumann Hochschule Düsseldorf.
11.06.: Friedhelm Döhl, Gesang der Frühe für Orchester, Lübeck
17.06.: Isabel Mundry, Werk für Violine solo, Vals Schweiz
22.06.: Nicolaus A. Huber, Barong des Méduses für Schlagquartett, Alte Feuerwache Köln
30.06.: Caspar Johannes Walter, Totenklage nach Ockeghem, Josquin und Nicolas Gom, und Rupert Huber, ruh al gulab – Seele der Rose für Chor und Sufis, Romanische Nacht St. Maria im Kapitol Köln