Soll uns das beruhigen? Unsere stets zuverlässige, gelegentlich überpingelige Deutsche Presseagentur vermeldet lächelnd: Keine Sorge – prima Klima auf der Wies’n. „Sonne, blauer Himmel und ein gelungener Anstich: Die Wies’n hat einen Bilderbuchstart hingelegt. Mit zwei Schlägen zapfte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) – inzwischen Meister dieser Kunst – das erste Fass Bier an und stieß mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf eine friedliche Wies’n an. Dass nichts passiert, dass alle wieder heil nach Hause kommen: Das ist das Wichtigste – da sind sich alle einig.“ Ehrensache. Sonst versäumen wir in der Glotze noch die Klatsche, die der FC Bayern den Kölsch süffelnden Geißböcken verpasst hat. Sonst was Wesentliches im bunten Strauß des Weltgeschehens? [Vorab aus der Zeitung „Politik & Kultur“ 2019/10.
Ach ja, Hertha Berlin hat die ersten drei Punkte in der Bundesliga geholt, CDU-Experten (aus dem Seeheimer Kreis?) wollen einen Masterplan gegen Rechtsextremismus entwerfen. Thomas Gottschalk singt den aktuellen Oktoberfest-Hit „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unser Klima nicht“. Der Alt-Entertainer war mit seiner Lebensgefährtin Karina Mroß aufgetreten. Während sie standesgemäß ein wetterfestes stoßdämpfergefüttertes Dirndl trug – blau mit rosafarbener Schürze – erschien der Entertainer im weißen Kühlschrank-T-Shirt mit Hosenträgeraufdruck und Hofbräuhauswerbung.
Und schwupps geht’s weiter mit unserem blitzgescheit-heiteren Rundblick auf die zentralen zeitgeschichtlichen Aktualitäten: Der hessische Landtag startet zu seiner zweiten diesjährigen Plenarwoche. Die schwarz-grüne Koalition verzichtet dabei mangels Masse auf eine Regierungserklärung. Die 137 Abgeordneten aus den sechs im Landtag vertretenen Fraktionen werden über mehrere Gesetzeslesungen diskutieren sowie über aktuelle Themen wie die Internationale Automobilausstellung (IAA) und die Gefahren durch den Rechtsextremismus. Die CDU-Regierungsfraktion hat als Schwerpunktthema den Digitalpakt für die Schulen gesetzt. Der Bund verpflichtet sich, den Ländern fünf Milliarden Euro für den Zeitraum von fünf Jahren zur Verfügung zu stellen. Die wollen gerecht verteilt und rasch verbraten sein.
Unsere derzeit recht beliebten „Grünen“ wollen im Bundesrat ein sogenanntes „Klimapaket“ entweder verschärfen oder stoppen. Bei diesem Paket soll es sich – laut BILD-Zeitung – um ein aufgrund bundespostalischer Schlamperei stark verspätetes Geschenk an den mittlerweile verstorbenen Brennstoffmotor-Fortbewegungs-Beschleuniger Ferdinand Piëch handeln. Unter spöttischen Twitter-Splittern voller Seitenhiebe auf die bundesdeutsche Steinzeittechnologie und die „Dreckschleuder Brandenburg“ erhob Amerikas Super-Donald natürlichen und gottgegebenen Anspruch auf alle Gebiete des Globus, die „seltene Erden“ beheimaten, nötig zum Bau effektiver Batterien und Raketentreibstoffe.
Auf den vorsichtigen Protest unserer Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hin, die wenigstens ein paar Promethium- und Yttrium-Krümel zur dauerhaften Beleuchtung ihres Campingbusses sichern wollte, entsandte Trump nach einem freundschaftlichen Telefonat mit Wladimir Putin die gesamte amerikanische Handelsflotte unter Geleit der Navy zunächst nach Mexiko, dann via Venezuela und Libyen nach Hamburg, Sassnitz, Rostock und – versehentlich – Stettin, vollgepfropft mit drei Millionen Einreisewilligen in die „damned“ Brandenburger Wüste.
Zur gleichen Zeit startete das Verwaltungsgericht Meiningen im Rechtsstreit um das kommunale Vorkaufsrecht für ein von der rechtsextremen Szene genutztes Gasthaus in Kloster Veßra im Landkreis Hildburghausen seine auf drei Jahre angesetzten Verhandlungen. Ab sofort wird dort eine Klage des derzeitigen Pächters und Betreibers, eines Veranstalters von Rechtsrock-Konzerten, verhandelt. Der Mann habe die Inanspruchnahme des Vorkaufsrechts durch die Kommune angefochten, teilte das Gericht mit. Er hatte Ende 2014 mit dem früheren Eigentümer einen Kaufvertrag über die Immobilie abgeschlossen. Seitdem wurden dort immer wieder rechtsextreme Konzerte und Liederabende veranstaltet.
Und soeben überrascht uns der berühmte Trendforscher Sven Gabor Jansky mit einer Prognose zu einem Thema, das ich völlig aus den alternden Augen verloren hatte: „Die ganze Welt redet in diesen Tagen über Greta Thunberg, den Klimastreik und die „Fridays for Future“-Bewegung.“ Im Interview erklärt Jansky, der Chairman des Zukunftsforschungsinstituts 2b AHEAD, warum die Rettung des Klimas ganz oben auf die politische Agenda gehört, er aber trotzdem nicht zum Klimastreik geht. Er hält Technologie für die einzig mögliche Lösung des Klimaproblems: „Eine Hauptforderung des Klimastreiks müsste der sofortige, massive Ausbau der Atomenergie sein“, sagt er, „der Humanismus war der Verrat an der Natur, nicht der SUV“.
Verwirrt starte ich sicherheitshalber eine zweite Runde meines Blickes über den Untertassenrand meines kümmerlichen Horizontes – und werde endlich mit einer wirklich segenbringenden Nachricht aus dem nordkoreanischen Raumforschungszentrum „Kimmy all your love“ versorgt. Ein mondgroßer Asteroid trifft in einer Woche auf unseren blauen Planeten. Ozapft is – aber schnell.
Theo Geißler ist Herausgeber von Politik & Kultur