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Die Dattel fällt nicht weit vom Stamm: Solisten des ChorWerks Ruhr  in Rupert Hubers „Tamar“ Foto: Paul Leclaire
Die Dattel fällt nicht weit vom Stamm: Solisten des ChorWerks Ruhr in Rupert Hubers „Tamar“ Foto: Paul Leclaire
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Lauwarme Luft in der Gebläsehalle – aber mit Inbrunst: „Tamar“ bei der RuhrTriennale

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Fastenbeginn: Vier Tage vor der Premiere begannen der Trompeter Markus Stockhausen und seine vier Team-Kollegen auf Nahrungs- und Genussmittel zu verzichten, da der ‚ganzheitlich’ inspirierte Kölner Tonkünstler Karlheinz Stockhausen mit seiner Improvisationsvorlage „Goldstaub“ gefordert hatte: „Vier Tage ganz allein/ Ohne Speise/ In größter Stille“ zu leben (ergänzt wird diese Anweisung durch das Gebot „Denke so wenig wie möglich“).

Im Rahmen einer „musikalischen Installation“ erinnerte die RuhrTriennale an die esoterische Nummer aus dem Jahr 1968 (faktisch handelte es sich um ein Konzert mit älterer und neuerer Musik, dem eine kleine Ballettnummer vorangestellt wurde). Ob die Fasten- und Abstinenzregeln tatsächlich eingehalten wurden und sich von daher eine vollgültige Interpretation von „Goldstaub“ ergab, ist mit dem klassischen Instrumentarium von Musikkritik nicht zu ermessen.

Butohtanz – das bedeute „Bruch mit den rationalern Prinzipien der Moderne“. Und dass diese Form des Robbens mit gequälten Mienen aus „introspektiven Übungen“ entspringt, will man gerne glauben. Auch das das, was Ko Morobushi und seine zwei Nebenkriecherinnen zelebrierten, „zu einer neuen Perspektive der Innenwahrnehmung“ führen kann. Schön für sie. Als zentrales Stück dirigierte Rupert Huber, Leiter des WDR-Chors, des ChorWerks Ruhr und des Projekts „Tamar“, in schwarzer Kittelschürze die doppelchörige Motette „Singet dem Herrn ein neues Lied“ von Johann Sebastian Bach – sichtlich animiert, aber nicht immer mit den richtigen Einsätzen für die auf roter Fläche angetretenen Damen und Herren des vom Land besonders geförderten Ruhr-Chores. Das Dirigat des glatzköpfigen Rauschebarts war das einzige ernsthaftere szenische Element des Abends. Es mutete an wie eine unfreiwillige Karikatur jener Dorfschulmeister, die einst ihre Kirchenchöre derart betreuten (inzwischen sind in ihrem Milieu professionellere Standards üblich).

Dattelpalme. Nach der Umbaupause, in der eine stattliche Zimmerpalme und etliche Klangschalen aufs rote Arbeitsfeld geschafft wurden, versammelte sich eine Kammer-Formation der Ruhr-Chorwerker mit geschlossenen Augen um die Dekoration. Während der Dirigent mit Assistentin einen Holzstamm traktierte, horchten die Sänger in sich hinein und übten Selbstbefreiung durch Stöhnen und Schreien. Zur Vorbereitung dieser Art von Gruppenimprovisation und -therapie, der zuzuschauen geistig nur bedingt anregend ist, hatten die Ausführenden im Frühjahr eine gemeinsame längere Dienstreise in den Oman unternommen und in deren Zusammenhang auch Dattel und Dattelpalme bewundert. Jetzt galt der Dank Seiner Majestät Sultan Qaboos bin Said, der hierzulande wegen seines engagierten Eintretens für die Gleichstellung der Frauen bestens bekannt ist. Gekrönt wurde das „Ritual“, das eine Episode aus Tan Duns „Tea“ kopierte, durch ein alpenländisches Schmankerl in Terzen und Sexten, das Guru Huber mit der Assistentin anstimmte: „So isch’ fei recht“.

Tamar – diese reichlich von gedrucktem Wort begleitete Szene, die an die Stelle einer der von Gérard Mortier zu Beginn des Jahrzehnts etablierten freien und grenzüberschreitenden „Kreationen“ tritt, ist hoch subventioniert, offen anti-aufklärerisch, nebenbei zumindest demokratiefremd und beileibe nicht ernsthaft „multikulturell“. Offensichtlich versucht der gegenwärtige Leiter der RuhrTriennale, der Opernregisseur Willy Decker, an den trüben Rändern eines therapiebedürftigen und -willigen Publikums gewisse Segmente abzudecken: er bietet religiöse Surrogate als ‚Opium fürs Volk’ (K. Marx) feil. Das sollten die Gesundheitsbehörden nach den therapiebedingten Todesfällen von Berlin-Hermsdorf im Auge behalten.

Wenig Charme entwickelt Rupert Hubers Kauzigkeit. Und die musikalische Ergründung der Dattel war bestenfalls eine Schnapsidee. Stellt man in Rechnung, dass Decker seine Karriere an der Kölner Oper begann, indem er den Dackel von Frau Hampe, der Gattin eines früheren Intendanten, ausführte, dann lässt sich der tiefe schöpferische Impetus erahnen, welcher den Auftrag motiviert haben könnte: Mit Dackel und Dattel ging es nach oben bis zu bestbezahlten Kulturfunktionärsjobs im Lande NRW. Warum ein im Prinzip vernünftiger Kulturkonservativer wie der CDU-Staatssekretär Heinrich Grosse-Brockhoff dergleichen durchwinkt, bleibt unergründlich.

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