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Tomasz Zagorski als Idomemeo in Philipp Himmelmanns Isnzenierung an der Staatsoper Hannover. Foto: Staatsoper
Tomasz Zagorski als Idomemeo in Philipp Himmelmanns Isnzenierung an der Staatsoper Hannover. Foto: Staatsoper
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Loderndes dramatisches Feuer – Mozarts „Idomeneo“ am Staatstheater Hannover

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Was für eine Exposition! In wenigen Strichen legt Wolfgang Amadeus Mozart in seinem 1781 uraufgeführten „Idomeneo, Re di Kreta“ eine Welt der menschlichen Emotionen bloß, die von vornherein eine vordergründige Haupt- und Staatsaktion der in mythologischer Antike spielenden Geschichte verlässt. Die von den Griechen gefangene trojanische Prinzesson Ilia liebt Idamante, den Sohn des Besetzerkönigs Idomeneo. Und der Regisseur Philipp Himmelmann interessiert sich nicht für die Aktualisierung der Geschichte selbst als vielmehr für die Absolutheit der Gefühle.

Das hat er in Bremen auch schon beispielhaft mit „La Finta Giardiniera“ gezeigt. Hier greift er zu extremen Mitteln: Es gibt kein Bühnenbild und keine Kostüme, die entweder eine historische Situation oder eine historische Person zeigen. Alle tragen weiße Gewänder (von Petra Bongard), sind darüberhinaus weiß geschminkt und auf der ebenfalls weißen Bühne steht ein riesiger Quader, der sich bewegt, ohne dass die Protagonisten ihn beeinflussen können: vielleicht ein Symbol für die seelischen Wände, die alle so quälend in sich tragen (Bühnenbild Elisabeth Pedross). Einziges realistisches Symbol ist das Blut, das in seiner Doppelbedeutung als innere Wunden und äußere wirkliche durch die Angriffe des Ungeheuers beklemmend genau gesetzt wird.

Die von Mozart selbst so geliebte Musik, die er für das damals wohl beste Orchester Europas in München schrieb, gibt Himmelmann recht: Mit ihr ist Mozart weit in den psychischen Bereich seiner Personen vorgedrungen, Liebe bei Ilia, Verzweiflung bei Idamante, pathologische Hilflosigkeit bei dem ansonsten erfolgsgewohnten Idomeneo (der Heldentenor Tomasz Zagorski enorm facettenreich), der in den unlösbaren Konflikt gerät, seinen Sohn dem Poseidon opfern zu müssen. Liebe, Ehrgeiz und Todesbereitschaft bei Elettra (sehr gut Brigitte Hahn), die an Idamante nicht herankommt… Angesichts der Tatsache, dass der eben durchgehend wunderbaren Musik viel szenische Statuarik entgegensteht, ist das eine mutige Entscheidung, die allerdings Anlaufzeit braucht und nicht so gleich überzeugen kann. Zumal in der Aufführung die eindrucksvollen Stimmen von Ilia (Ania Wegrzyn) und Idamante (Barbara Senator) sich vom Timbre her zu ähnlich sind. Doch das verliert sich nach einem eher zähen ersten Akt,  und es entsteht eine zunehmend spannende Kongruenz der Musik mit der Szene – und mit zunehmender Differenziertheit der seelischen Expressionen werden auch die Stimmen der beiden individueller.

Gleichwohl wird die Kerngeschichte – Besetzung und Unterdrückung - in aller Deutlichkeit erzählt und gipfelt in einem wunderbaren Schlussbild, wenn der verzichtende Idomeneo in der Menge verschwindet und das neue Paar Ilia-Idamante vom Volk auf ein Podest gehoben wird, das wiederum herunterfährt.

Dass diese Aufführung so funktionieren konnte, hängt auch mit der musikalischen Umsetzung zusammen. Seit Nicolaus Harnoncourt 1980 „Idomeneo“ als eine sensationelle Entdeckung präsentierte, sind da musikalisch Maßstäbe gesetzt. Der Dirigent Martin Haselböck hatte nicht nur sinnvoll gekürzt – was natürlich bei der wunderbaren Musik immer schade ist, dramaturgisch aber überzeugte –, sondern entfachte mit dem niedersächsischen Staatsorchester Hannover ein geradezu loderndes dramatisches Feuer und krassen Mut zur Sprödigkeit, Herbheit und Härte dieser einzigartigen Partitur.

 

Idomeneo ist Mozarts größte Choroper, und auch hier blieben neben der musikalisch homogenen und klangschönen Leistung szenisch kaum Wünsche offen.

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