Zurück zu den Wurzeln? Rätselt ein Frankfurter Musikmesse-Oldie, der sich über 40 Jahre an unterschiedlichsten Stellplätzen, mal dem Gedröhn, mal der Masse, auch öfters der Ödnis ausgesetzt sah, wenn er sich jetzt das revolutionäre Konzept für den Branchen-Event 2016 zu Gemüte führt (siehe S. 11). Da geht’s für manche Aussteller zurück in die bunkerähnliche Halle 8.0, in der für den damaligen Verlagswinkel alles begann. Schlechte Luft, winzige Kojen – vielleicht hat man mittlerweile eine funktionierende Klima-Anlage installiert.
Eine deutliche Klima-Veränderung – noch keine Katastrophe – mag die Messeleitung zu einer für ihre Verhältnisse sensationell weitreichenden Veränderung der Konfiguration gedrängt haben: Aussteller-Stände im „klassischen“ Segment schrumpften. Der darbende Musikalienhandel bediente sich reisekostenfrei im Vorfeld zu Messe-Konditionen via Internet. Stagnierende Besucherzahlen in Frankfurt weit unter einem markt-adäquaten Level betrübten – abweichend von offiziell genannten Zahlen – die Standbetreiber.
Und fantasievolle Konkurrenz in Leipzig und anderswo baute sich auf: die eben nicht nur den drögen Handel krawattenbehängter Grau-Anzugträger in meist muffigen Kabuffs bei schlechtem Filterkaffee förderte, das Publikum aussperrte, den Direktverkauf verbot. Die vielmehr das zu vertreibende Kulturgut angemessen präsentierte: Mit Lesungen, Konzerten, Panels zu Themen des gesellschaftlichen Wandels, der Veränderung des Käufer-Verhaltens – und nicht zuletzt dank der Präsenz namhafter Künstler, die in kluger Kooperation mit den Medien feine Präsentationsflächen erhielten.
Sicher ist es dem quirlig gewordenen Messedirektor Wolfgang Lücke zu verdanken, dass man sich in Frankfurt gegen allerhand Widerstände angestaubter Branchen-Platzhirsche vorsichtig solchen Kommunikations-Plattformen öffnet. Mit der Vorsicht ist jetzt endlich Schluss. Zeitliche Distanz des elektronischen „Pro-Light-and-Sound“-Rumpelgeflimmers vom musikalischen Messegeschehen. Eine Stunde späterer, menschenfreundlicher Beginn. Öffnung fürs Publikum, das dann auch direkt einkaufen kann. Viel mehr Platz für inhaltlich wertige Präsentationen, die sich schon in diesem Jahr als Erfolgsrezept bewährt haben.
Jahrelang bejammerten wir gerade an dieser Stelle das Betonverharren der Messeverantwortlichen auf überkommenen Konzepten – auch angesichts der Kunden-Wanderbewegungen ins Internet. Jetzt kann der musikalische „Point of Sale“ in Frankfurt beweisen, dass es einen gewaltigen Unterschied macht, ob man ein Instrument oder eine Note dank gleißender Prospektlyrik im Web anschafft oder den Gegenstand der Sehnsucht in die Hand nehmen, gründlich prüfen kann. Ein facebook-ferner Beratungs- und Kommunikationstreff scheint im Entstehen, bei dem weder berufspolitische Fragen noch feiner Kulturgenuss zu kurz kommen. Möglicherweise endlich wieder der Treff für Musikmenschen aller Sparten. Nächstes Jahr offen für alle vom 7. bis 10 April. Wir sehen uns.