Schostakowitsch war da. Anlass genug für ein Festival, für die Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch. David Oistrach war auch da. Grund genug, dass nun dessen Schüler Gidon Kremer ebenfalls nach Gohrisch kommen wird. Als Kuratoriumsmitglied des 2010 gegründeten Festivals und nun auch als Solist zweier Konzerte. Der dritte Jahrgang des modernen Musikfestes wirft seine Schatten jetzt schon voraus.
Im gut bestückten Festspielkalender etablieren sie sich, die Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch. Sie finden in diesem Jahr zum dritten Mal statt (vom 28. bis zum 30. September) und stehen damit längst vor der Messlatte der eigenen Tradition. Was genau fünfzig Jahre nach dem ersten Aufenthalt von Dmitri Schostakowitsch im einstigen Gästehaus der DDR-Ministerrates zaghaft begann, darf sich inzwischen mit Fug und Recht sehr selbstbewusst behaupten. Am Ort, wo Schostakowitsch 1960 seine einzige außerhalb der Sowjetunion entstandene Komposition schuf, das berühmte Streichquartett Nr. 8 c-Moll op. 110, etablierte sich das weltweit einzige dieser Musik gewidmete Kunstfest. Seit dem Herbst 2010 ziehen jährlich für drei Tage – so lang, wie Schostakowitsch für sein sehr persönliches Werk brauchte – Anhänger des 1906 in Petersburg geborenen Komponisten in den idyllischen Kurort inmitten der Sächsischen Schweiz.
Zu verdanken ist derlei Engagement einer kleinen Handvoll von Enthusiasten sowie der tätigen Mithilfe von Musikern der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Sie verzichten ebenso wie all die inzwischen aufgebotenen Stargäste auf Honorar, bekommen lediglich ein sogenanntes Frackgeld. In kürzester Zeit ist es gelungen, ein prominent besetztes Kuratorium zu etablieren. Neben dem Violinvirtuosen Kremer gehören diesem Gremium unter anderem Irina Antonowna Schostakowitsch als Witwe des Komponisten, der Komponist Krzysztof Meyer sowie der designierte Chefdirigent der Kapelle, Christian Thielemann, an.
Ein äußerst rühriger Verein kümmert sich um die Belange des Festivals. Er hat es nicht nur erreicht, dass die zunächst eher verhaltene Bürgerschaft des Kurortes voll und ganz hinter dem Ereignis steht, sondern hat auch für mediale Präsenz sowie für den notwendigen Rückhalt in der Politik und bei Sponsoren gesorgt. Freilich steht und fällt ein jedes Festival mit dem künstlerischen Niveau. Da allerdings brauchten sich die Internationalen Schostakowitsch Tage vom Start weg nicht zu verstecken. Für Qualität bürgen einerseits die Staatskapelle selbst, andererseits die eingeladenen Gäste, zumal sie – wie etwa der Dirigent Michail Jurowski – mitunter noch direkten Bezug zum russischen Komponisten hatten. Jurowski zählt inzwischen zu den regelmäßig mitwirkenden Künstlern, auch Cellist Isang Enders sowie der Pianist Igor Levit sind zum wiederholten Male dabei.
Mangels geeigneter Spielstätten in der dörflichen Idylle von Gohrisch wurde 2010 in einer Konzertscheune musiziert. In diesem Jahr wird ebenso wie schon 2011 ein eigens errichtetes Konzertzelt für Festspielatmosphäre sorgen. Höhepunkte des Programms im September sind Kammerabende mit Kompositionen natürlich von Dmitri Schostakowitsch, aber auch von Sofia Gubaidulina, Victor Kissine, Alfred Schnittke und Mieczyslaw Weinberg. Neben Kuratoriumsmitglied Gidon Kremer werden unter anderem das aus Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle bestehende Dresdner Streichquartett sowie die Sopranistin Evelina Dobraceva, die Geiger Mikhail Simonyan und Dzeraldas Bidva auftreten. In einem Exkurs soll der Dialog zwischen Schostakowitsch und Weinberg betrachtet werden, eine Matinee macht mit der Verfilmung von Tschechows „Rothschilds Geige“ durch Edgardo Cozarinsky bekannt, zu der Schostakowitsch gemeinsam mit Benjamin Fleischmann die Musik schuf. Im Abschlusskonzert dirigiert erneut Michail Jurowski die Staatskapelle und wird Gidon Kremer einmal mehr als Solist auftreten. Neben Schostakowitsch und Weinberg steht dann auch Krzysztof Meyer auf dem Programm.
Zur Einstimmung auf die dritten Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch gibt es bereits jetzt zwei Benefizkonzerte, die am 1. Juli in den Deutschen Werkstätten Hellerau stattfinden werden. Dort wird dann ein musikalisches Kleeblatt zu erleben sein, das in dieser Form noch nie gemeinsam aufgetreten ist und ansonsten auf sehr etablierten Podien musiziert. Mit Lera Auerbach, der aktuellen Capell-Compositrice des Orchesters in dieser Saison, Lisa Batiashvili, der Capell-Virtuosin der bevorstehenden Spielzeit, sowie mit der Pianistin Yuja Wang und dem Cellisten Isang Enders stehen vier Ausnahmekünstler bereit, die in zwei Durchgängen Kompositionen und Werkbearbeitungen von Johann Sebastian Bach, Johannes Brahms, Modest Mussorgski, Sergej Rachmaninow und selbstverständlich von Dmitri Schostakowitsch aufführen. Die beiden aufeinanderfolgenden Konzerte beginnen um 15 sowie – mit Rücksicht auf einen abendlichen Feldballwettbewerb – um 18 Uhr und sollen voll und ganz dem gemeinnützigen Verein „Schostakowitsch in Gohrisch“ zugute kommen.
Gutes tun und Kunst sowie Künstler der Extraklasse erleben – wann geht das schon so einfach Hand in Hand? Am 1. Juli geht sogar noch mehr: Da können auch gleich Konzertkarten für die diesjährigen Schostakowitsch-Tage erwerben. Traditionspflege in modernem Gewand!