Musiker haben immer das Bestreben auf ihren Instrumenten Bestleitungen zu erzielen, die Töne müssen klar und präzise sein – auch in den Randlagen. Die Instrumentenbauer machen oftmals gewaltige Klimmzüge für nur geringfügige Veränderungen am Instrument. – Seit einiger Zeit gibt es ein Verfahren, dass aus der Metallindustrie kommt und das sich mancher Musiker für sein geliebtes Instrument gar nicht so recht vorstellen mag. Aber die Behandlung – so seltsam sie erscheinen mag – zeigt deutliche Wirkung!
Musikalische Jahrestage (12) – 21. September – Tag des Handwerks
Die menschliche Stimme ist wohl das einzige Musikinstrument, das nicht handwerklich gefertigt wird. Alle anderen Musikinstrumente werden von Spezialisten mit einem oft über hunderte von Jahre erprobten und bewährten Wissen in ihren Werkstätten gefertigt. Die Spanne der dabei verwendeten Materialien und Techniken ist riesengroß. Dabei hat sich aber das Musikinstrumentenhandwerk auf seinen Lorbeeren ausgeruht, neue Materialien und neue Techniken wurden entwickelt und erprobt und dann oft auch in das eigene Tun dauerhaft übernommen.
Heute, am 21. September, feiert das Handwerk bundesweit auf Anregung des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) seit 2010 seinen Feiertag. Das Datum kann von Jahr zu Jahr variieren – es ist immer der dritte Sonnabend im September. Das ZDH als einer der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft vertritt immerhin die Interessen von etwa einer Million Handwerksbetrieben mit etwa 5,6 Millionen Beschäftigten und circa 368.000 Auszubildenden. Der Feiertag soll auf das Handwerk aufmerksam machen – das geschieht bei vielen Veranstaltungen der einzelnen Betriebe und der regionalen Handwerkskammern – und natürlich Jugendliche auf die Ausbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen hinweisen, denn: Der Bedarf an Fachkräften ist ungebrochen und immens!
Natürlich sind wir auch auf diesen Tag wieder durch unsere Lieblingsplattform „Kuriose Feiertage“ (https://www.kuriose-feiertage.de) aufmerksam geworden. Anders als bei den anderen Beiträgen dieser Serie wollen wir das eigentliche Thema, das Handwerk selbst, aber heute einmal vollständig verlassen und uns einer Randerscheinung (es gibt sie nur ein einziges Mal in Deutschland) zuwenden. Dabei ist der hier vorgestellte Georg Selders mit seinem Unternehmen „Soundfresh“ kein Übermensch und auch kein Überhandwerker – und er ist auch niemand, der die „Fehler“ der Handwerker ausbügelt. Er hat eine eigene Idee, die die handwerklichen Produkte in gewisser Weise „veredelt“. Ob man seine Tätigkeit überhaupt als Handwerk bezeichnen will, das mag jeder Leser für sich selbst entscheiden.
Zuerst aber noch ein schneller Blick auf die anderen Festtage, die an diesem Tag begangen werden. Ist „Kuriose Festtage“ an den meisten Tagen fast übermäßig auf den amerikanischen Raum konzentriert, kommt heute wohl ausnahmsweise kein Tag aus den USA vor. Wie so oft, haben die anderen Festtage – einzig der „Internationale Iss-einen-Apfel-Tag“ könnte vielleicht als Ausnahme angesehen werden – wenig miteinander zutun und haben mit dem Tag des Handwerks keine echten Berührungspunkte: der Glasrecyclingtag in Deutschland, der Tag der Schiene in Deutschland (wird vom 20. – 22. September begangen), der Internationale Tag des Roten Pandas, der Welt-Alzheimertag, der Internationale Abgasfrei-Tag, der Tag des Friedhofs in Deutschland, der Internationale UNO-Weltfriedenstag und der Welttag der Dankbarkeit.
Spannungen
Musikinstrumente werden durch eine Vielzahl von Techniken und Arbeitsgänge zum Endprodukt. Da wird mit dem Hammer geschlagen, das Blech getrieben oder etwas verlötet. Immer wirken dabei Kräfte auf das Instrument ein und es werden quasi Energien in das Instrument eingebracht. Das führt als ganz natürliches Ergebnis zu kleinsten und allerkleinsten Spannungen. Diese sind ganz normal und von den Instrumentenbauern nicht zu vermeiden. Die Musiker – was ihre Instrumente betrifft geradezu hypersensible Menschen – spüren das, indem sie formulieren, dass ihr Instrument in einem bestimmten Tonbereich anders klingt oder ein Ton nicht so gut anspricht wie andere. Wir sprechen hier nicht (!) von handwerklichen Fehlern, sondern von allerkleinsten Klangnuancen, die die Musiker durch ihre Spieltechnik auszugleichen wissen – seit alters her.
Georg Selders ist im Jahr 2016 durch Zufall und anfangs ein wenig skeptisch und ungläubig auf ein Verfahren aufmerksam geworden, das in Amerika schon lange verwendet wird. Die Idee bei diesem Verfahren ist, dass man die Spannungen, die zum Beispiel an Lötstellen auftreten durch große Hitze oder große Kälte beseitigen kann, indem man die Lötstelle und ihr gesamtes Umfeld dieser Temperatur aussetzt. Da sich Lötstellen aber bereits bei einer Temperatur von +180°C wieder lösen, ist Hitze also nicht das geeignete Verfahren.
So hat sich Selders eine große Kühltruhe angeschafft, in der die ganzen Instrumente ganz langsam und gleichmäßig auf -180°C heruntergekühlt werden. Dabei ist zu beachten, dass das gesamte Instrument gleichmäßig heruntergekühlt wird – das Metall der Schallbecher ist dabei dünner als etwa angelötete Ringe. Das dünne Metall lässt sich schneller durchkühlen, als die dickeren Ringe. Deshalb wird die Temperatur pro Minuten nur um ein bis zwei Grad Celsius abgesenkt. So können in diesem Prozess auch keine neuen Spannungen entstehen. Wichtig ist bei diesem Verfahren, dass in der Kühlanlage keine Feuchtigkeit herrscht und etwas Eiskristalle entstehen können. Daher wird mit Flüssigem Stickstoff gearbeitet, der in den gasförmigen Zustand gebracht wird. Dabei entstehen aus einem Liter Flüssigem Stickstoff etwa 700 Liter gasförmiger Stickstoff.
Im Verhältnis zur Raumtemperatur (als vor dem Abkühlen) schrumpft das Instrument im abgekühlten Zustand etwas. Bei einer Trompete können das auf die gesamte Rohrlänge etwa drei bis vier Millimeter, fast ein halber Zentimeter, sein. An der Metallstruktur selbst ändert sich aber nichts.
Ein Holzblasinstrument oder eine Gitarre können nach dem Prozess zwei bis drei Gramm leichter sein als vorher. Bei Holz stellt das Abkühlungsverfahren eine Art künstlichen Alterungsprozess dar – möglicherweise noch enthaltenes Wasser und Harze werden dabei abgeschieden. Bei Holz, zum Beispiel bei Gitarren kann durch die Kälte der Lack aufplatzen, feine Haarrisse im Lack entstehen. Das nehmen die Kunden aber für den hinterher besseren Klang in Kauf.
Der gesamte Vorgang dauert im Normalfall etwa 20 Stunden. Bei extrem dickeren Materialien kann dieser aber auch mal bis zu über 50 Stunden dauern. Am Ende werden die Instrumente auf 35°C temperiert, was dem Instrument in dieser schonenden Behandlung einfach „gut tut“.
Der Kunde entscheidet!
Selders selbst sagt über sein Verfahren, dass es der „Klangoptimierung“ dient. Diese Optimierung ist für die Zuhörer im Normalfall nicht zu hören. Aber die Musiker berichten durchgängig davon, dass sich ihr Instrument in seinen klanglichen Möglichkeiten verbessert hat. Natürlich muss man sich auf diese neuen Feinheiten seines Instrumentes als Spieler einstellen und sehr schnell wird der Umgang mit dieser Gewohnheit. Einige O-Töne von Künstlern mögen zeigen, wie sich die Kältebehandlung auswirkt:
- „Die Trompete spielt sich jetzt insgesamt glatter, klingt in sich runder und ich spiele seitdem lieber mit dem engeren Mundstück, weil das den schöneren Klang macht und sich leichter spielen läßt. Das Zentrieren der Töne auch in der Höhe fällt mir jetzt viel leichter. Meine Flöte ist total super geworden. Das fis3 läuft viel glatter in der Reihe und spricht um einiges leichter an als vorher. Insgesamt schwingt die Flöte viel leichter durch und auch die Tiefen und die Mittellage sprechen besser an und werden lauter als zuvor.“ (Britta Balluff, Trompete & Flöte)
- „Weicherer Ton/Sound, aber auch fett und giftig, wenn man möchte. Viel breiter mit viel weniger ‚Spielaufwand’! Die Ansprache der Töne ist Irrsinn, gerade in der Höhe. Das läuft jetzt schier von allein. Mein Problemton kommt jetzt einfach, sauber und klar auf Anhieb.“ (Udo Rippstein, Bariton)
- „Der größte Unterschied liegt in der Ansprache und beim Spielgefühl. Es fühlt sich leichter an, Bindungen gelingen besser und die hohen Töne klingen absolut präzise.“ (Andrew Joy, Horn)
Um noch einmal auf den „Internationalen Iss-einen-Apfel-Tag“ zurückzukommen: wahrscheinlich ist es doch nicht so klug, den Apfel auf -180°C abzukühlen. Im übrigen soll man, so sagen es die Ärzte, Obst sowieso nicht so kalt essen. Schade, aber auch dieser Feiertag scheint uns hier doch nicht weiterzuhelfen.
Weitere Informationen:
- Homepage von Georg Selders / soundfresh – https://soundfresh.de
- Share by mail
Share on