Erbaulich ist das nicht: Schräge Klänge, verstörte Sänger-Darsteller, querstehend handlungsfreie Sprech- und Singbehauptungen. Dazu noch eine Regie, die alles besser zu wissen vorgibt als von der Musik hör- und erfahrbar gemacht.
Dabei ist diese jüngste Opernkomposition des 65-jährigen Komponisten Jörg Herchet, die am 6. März in der kleinen szene der Dresdner Semperoper uraufgeführt wurde, durchaus eingängig, verstören die Protagonisten nicht und erst recht nicht das klingende Werk, sollte sich auch niemand an dem andeutungsvoll verquasten Libretto (teils kopfig, dann wieder banal) von Jörg Milbradt stossen. Nein, was hier stört, sind meiner Meinung nach die nervösen Deutungsversuche der Regisseurin Julia Haebler.
Drei Türen im Raum – und kein Entkommen. Die seit zwanzig Jahren bestehende kleine szene, einst Wirkungsstätte Gret Paluccas, gilt mal als Stiefkind und mal als Schätzkästlein der grossen Semperoper. Hier haben in den vergangenen Jahren Experiment und Wagnis gebührend Platz bekommen, fanden sehenswerte Kooperationen von Opern- und Ballettensembles mit den Kunsthochschulen Dresdens statt. Für die recht bescheiden als Szenenfolge apostrophierte Herchet-Uraufführung „zueinander“ blickt das Publikum beidseits der Spielfläche auf drei überdimensionierte Türen, je eine stehend links und rechts, die dritte liegend in der Mitte. Viel Raum ist da nicht, und erst recht keine Fluchtmöglichkeit.
Drei Figuren, so allegorisch wie anonymisierend nur A, B und C genannt, sind in dieser Enge einander ausgesetzt, in Einsamkeit vereint. Sie gehen unterschiedlich damit um, A spricht, B singt, C tanzt. Eine Dreiecksbeziehung der Künste? Der Sprecher ist von der Tänzerin angetan, die himmelt stumm den dicken Sänger an, der aber verlangt nach dem hellwachen Sprecher. Auch wenn sich das Trio kurzzeitig ineinander verknäult, ist seine bedrohliche Situation doch unauflöslich. Wahre Liebe findet da niemand. Obendrein sind die Gefangenen stets unter Beobachtung – des Publikums – und der Aufseher D, E und F. Die scheinen das jeweilige Verhalten studieren zu wollen (oder in höherem Auftrag zu müssen?), greifen mitunter brutal ein, lassen dem Spiel dann wieder freien Lauf.
Wäre der puren Assoziationskraft dieser Modellsituation vertraut worden und sowieso der luziden und hoch emotionalen Musik, hätte vermutlich eine starke Gesamtwirkung erzielt werden können. Herchet, dessen bisheriges Musiktheater in den 1990er-Jahren an der Oper Leipzig uraufgeführt worden ist („Nachwache“ von Ruth Berghaus inszeniert, „Abraum“ in der Regie von Peter Konwitschny), hat hier für ein Kleinstorchester sehr klare Strukturen geschaffen, die hin und wieder fernöstliche Klanglandschaften transportieren, mitunter von Witz künden, dann bitter humorig, oft aber auch hart die arge Bedrängnis der Protagonisten reflektieren.
Umsichtig schlägt der junge Dirigent Gelsomino Rocco durch die Partitur für Cello, Flöte, Klarinette, Horn, Schlagzeug und Harfe. Der Absolvent der Musikhochschule Carl Maria von Weber hat sich bereits wiederholt als Umsetzer des Neuen erwiesen, hier gelang ihm – in Verbindung mit einem bestens motivierten und engagierten jungen Ensemble – erneut die erweckende Leistung im Dienst der Musik. Affektierten Aktionismus und gar noch ein recht simpel gestricktes Videospiel hätte es da gar nicht gebraucht.
Nächste Aufführungen: 12., 14., 15. und 21. März 2009