Das Netzwerk Neue Musik ist tot – es leben seine Kinder: Der jüngste Spross dieser neuen Spezies aus Vermittlungsauftrag und Musikförderung nennt sich Netzwerk Neue Musik Baden-Württemberg und hat sein Büro im Theaterhaus Stuttgart. Dort leitet Christine Fischer die Geschäfte des im Oktober 2012 gegründeten Vereins als stellvertretende Vorsitzende. Sie kommt aus dem Netzwerk Süd, einem der 15 Projekte des Netzwerks Neue Musik der Bundeskulturstiftung, das von 2008 bis Ende 2011 seine Netze knüpfte.
Noch aktiv sind immerhin zehn: „KlangNetz Dresden“, die „Chiffren“ in Kiel, der „Klangpol Oldenburg“, „Musik 21“ in Niedersachsen, das Projekt „ON“ in Köln, „Spektrum Villa Musica“ in Rheinland-Pfalz, „Mehr Musik“ in Augsburg, „Entdeckungen“ in Essen sowie „Mehrklang“ in Freiburg und „Netzwerk Süd“ mit Sitz in Stuttgart. Vereinsvorsitzender des jüngsten Netzwerks ist Georg Riedmann, Kulturamtsleiter in Donaueschingen (siehe Seite 29). Weitere Vorstandsmitglieder stammen aus Netzwerkprojekten in Freiburg und Karlsruhe. Geballte Expertenschaft also. Doch der neue Verein ist nicht nur mit Kompetenz gesegnet, sondern auch mit 300.000 Euro aus den Händen der Kulturstiftung Baden-Württemberg.
Nach Musik 21 in Niedersachsen ist das Netzwerk neue Musik Baden-Württemberg das zweite landesweit aktive Projekt. Neue Musik als Ländersache? In diesem Fall ja, und im Gegensatz zum Netzwerk Musik 21 in Niedersachsen bekommt das baden-württembergische Projekt sein Geld nicht nur aus den Kulturfördertöpfen, sondern aus den Etats für Bildung und Schule: Neben dem Referat für Kunst der Abteilung des Wissenschaftsministeriums war vor allem das Referat für Schulmusik der Hauptinitiator. Bevorzugt sollen Ausbildungsorte für Musikpädagogen in das Projekt einbezogen werden. Das neue Netzwerk ist also gut ausgestattet und passt ideal in eine Landschaft sprießender Bildungsoffensiven. Analog zur Kunstförderung, stellt sich auch im Bereich der kulturellen Bildung die Frage, in wieweit Projekte das Fördersystem ersetzen oder ergänzen. Kommt jetzt, nachdem der Musikunterricht an allgemein bildenden Schulen kaputtgespart wurde, die Rettungsmaßnahme in Form von Vermittlungsprojekten?
„Das Wesen der neuen Musik ist, Grenzen zu überschreiten, unerhörte Klänge und Formen zu suchen, Zeit und Raum neu erfahrbar zu machen“, so der Ausschreibungstext fürs Jahr 2013 – auch wenn das Wortgeklingel eher hohl tönt, der Lerninhalt heißt explizit Neue Musik und das ist gut so. „Neue Musik für jedermann“ haben sich die Netzwerker in Donaueschingen und Stuttgart auf die Fahnen geschrieben. Was aber werden die gut hör- und instrumental geschulten Schulabgänger in zehn Jahren machen, wenn sie Musik der Gegenwart hören wollen und keiner spielt sie mehr? Das SWR Orchester Baden-Baden und Freiburg, das ausgewiesene Orchester für die zeitgenössische Musik, wird es nach dem Willen der SWR-Intendanz dann nicht mehr geben. Lesen Sie dazu unseren Offenen Brief an den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann auf Seite 8: „Zwei Orchester sterben und die Politik schweigt.“