How! Der Kulturhäuptling hat gesprochen. Bernd Neumann (CDU) hat in seiner Funktion als „Der Beauftragte der Bundesregierung für Medien und Kultur“ ein Positionspapier verfasst. „Ohne Urheber keine kulturelle Vielfalt“ nennt er das Papier, das nach einer Einleitung in 12 Punkten, wie der Name schon sagt Position bezieht. Jubelrufe kommen schon vom Deutschen Kulturrat, dem Deutschen Musikrat und der GEMA. Der Verband der Zeitungsverleger wird nicht allzu spät nachziehen, auch wenn Freitag ist. Aber das Papier ist problematischer als es auf den ersten Blick wirkt.
Und das beginnt schon mit dem Zeitpunkt seiner Veröffentlichung. Was bedeutet es, wenn der Vertreter der Bundesregierung, drei Tage vor einer Anhörung zu diesem Thema in einer Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ ein so präzise, vor allem konkret formuliertes Papier lanciert? Dies ist kein Zufall. Offensichtlich will Neumann Fakten setzen und auch besetzen. Was bedeutet es für die Wertschätzung dieses Gremiums? Es bedeutet, dass man es nicht achten will. Wäre die Meinung des Beauftragten der Bundesregierung gefragt gewesen, er hätte sie längst formulieren können und vielleicht hätte es dann auch zu einer Einladung vor diese Kommission gereicht.
Die GEMA war mit ihrer Stellungnahme zum Thema: schnell – um es neutral auszudrücken. Um 14:49 Uhr flatterte die Stellungnahme als PDF ins Mailfach. Und man betont auch den Zusammenhang zur Sitzung der Enquete-Kommission. Noch früher dran war der Deutsche Kulturrat (13:45 – pdf-Erstellung) und als einer der ersten, wenn nicht der erste, hat man das Papier auch publik gemacht. Kann es sein, dass Google den Beauftragten der Bundesregierung einfach übergeht. (Bequem nachzulesen ist es übrigens dort, und nicht im PDF, das der Deutsche Kulturrat bereitstellt – übrigens von seinem Server, nicht von dem der Regierung).
Seltsam reagiert das restliche Netz, welches sich sonst wie nichts auf derartige Verlautbarungen stürzt. In der Süddeutschen-Online und Welt-Online ist ein Hinweis einer Nachrichtenagentur zu finden, in dem zwei Streitpunkte zentral auftauchen (Netzsperren und Leistungsschutzrechte für Verleger). In den Blogs ist auch nichts los. Es sei denn, man zählt die Informationen des Deutschen Musikrates hierzu. Der Generalsekretär des Verbandes Christian Höppner interpretiert das Papier so: „Letztlich sitzen Urheber und Nutzer in einem Boot, denn ohne Urheber gibt es keine Kreativität und ohne Kreativität keine Kulturelle Vielfalt.“ Eine Logik, der man sich nicht verschließen kann.
Nein, im Ernst. Natürlich muss man sich das Papier zur gegebenen Zeit ansehen. Es hat einige Hämmer zu bieten, die mit dem ersten Satz beginnen. „Die Geschichte der Literatur, Musik, Kunst und Wissenschaft ist auch eine Geschichte des Schutzes des geistigen Eigentums.“ Das ist zwar nicht richtig, auch wenn es wie aus der Werbung klingt, aber sagen kann man das ja mal. Und so geht es weiter. Wenn schon vielleicht nötig, werden wir später auf das Papier eingehen. Denn anders als die Profi-Leser der Verbände, die zu einer überraschend einhelligen Meinung kommen, werden wir nicht in einer Spontanaktion eine Unterschrift auf diese Positionswaschmaschine leisten; denn wir haben ja auch an der Abfassung dieses Papier auch nicht mitgewirkt.
Zu lenken wäre daher hier eher auf aktuelle Stellungnahmen von Praktikern. Ilja Braun hat auf irights.info gefragt: „Leben Autoren vom Urheberrecht? Ein nützlicher Mythos“.
Am gleichen Ort stellt, ebenfalls vor der Sitzung der Enquete-Kommission Mathias Spielkamp seine Thesen und Antworten vor, die er als Sachverständiger dort einbringen wird, durchaus mit Änderungen, die auf Vorschlägen beruhen dürfen, die man ihm macht. Zumindest ist das eine offene und im wahrsten Sinne des Wortes politische und demokratische Herangehensweise.
Der Beauftragte mag sich einstweilen einmal hinten anstellen. Für einen – um den sportlichen Vergleich zu wagen – Start aus der Pole-Position muss man sich im fairen Wettbewerb bemühen.