Hauptbild
Ali Baba an der Komischen Oper Berlin. Foto: Bettina Stöz
Ali Baba an der Komischen Oper Berlin. Foto: Bettina Stöz
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Politisch besser geglückt als künstlerisch: Uraufführung von Taner Akyols „Ali Baba und die 40 Räuber“ an der Komischen Oper Berlin

Publikationsdatum
Body

Exakt vor einem Jahr hatte an der Komischen Oper Berlin Christian Josts „Mikropolis“ als eine Insektengeschichte mit Migrationshintergrund eine nachhaltig erfolgreiche Uraufführung erlebt. All zu platt bemüht sich Taner Akyol mit dem berühmten Märchen aus „1001 Nacht“, hieran anzuknüpfen. Erfolgreicher als seine neue türkisch-deutsche Kinderoper ist das Projekt „Selam Opera!“, welches Kinder mit türkischen Wurzeln für die Oper begeistern will und auch in den Kinderchor dieser Produktion integriert hat.

Marktszenen sind im Genre Musiktheater durchaus beliebt, aber zumeist wenig befriedigend gelöst. Dem Regisseur Matthias Davids, Leiter der Sparte Musical am Landestheater Linz, gelingt es in der Ausstattung von Sanne Danz (Bühnenbild) und Judith Peter (Kostüme) einen heutigen Basar, mit aufgehängten Türkenkoffern, Unterwäsche und Plastikstühlen, sowie bunten Verkaufsbuden, auch in den drei Stockwerken der Proszeniumslogen, zu schaffen, ja sogar die Interaktion zwischen einem Solisten im ersten Rang und der Bühne herzustellen. Aber dieses Bild erweist sich im Libretto von Çetin İpekkaya und Marietta Rohrer-İpekkaya als ein dramaturgisch entbehrliches Vorgeplänkel.

Verbal setzt das Libretto mit gesprochenen Dialogen auf Effekte des alten Kindertheaters, wie Missverstehen oder drastische Schilderungen; der Esel habe „im Zickzack gekackt“ heißt es da, und die Verfolger seien auf der Esel-Kacke ausgerutscht.

Erstmals bietet die Komische Oper Berlin keine deutsche und fremdsprachige Übertitelung in den Rücklehnen der Sitze an, obgleich die Übersetzungen hier besonders dienlich und auch erforderlich gewesen wären. Und die Behauptung, „Erklärender Übertitel bedarf es dabei nicht, dient doch als ‚Übersetzung’ die universale Sprache der Musik“, liest sich gut, erweist sich aber als eine schlechte Ausrede.

Wie im Text deutsche und türkische Passagen nahtlos miteinander verbunden sind, so auch in der Partitur, die in ihrer Vermischung von traditioneller türkischer Volksmusik und gemäßigten zeitgenössischen Kompositionstechniken in Richtung Crossover-Pop zielt. Einmal gelingt dem in Berlin lebenden, türkischkurdischen Komponisten ein eindrucksvolles Klangbild, wenn Taner Akyol mit Streichern und Schlagwerk das Nahen der Reiterkarawane von 40 Räubern charakterisiert; ein Klangteppich, der dann auf der Szene mit der bunten Mixtur von Kinder- und erwachsenen Räubern durch kollektiv aufeinander geschlagene Kokosnusshälften ergänzt wird. Zu den Höhepunkten der Partitur zählt ein traditionell a cappella intonierter, zitierter Trauergesang.

Das von Kristiina Poska mit viel Engagement geleitete Orchester der Komischen Oper Berlin umfasst auch die türkischen Instrumente Zurna und Kaval.
Im Zusammenspiel des von David Cavelius einstudierten Chors der Komischen Oper und des von Dagmar Fiebich geleiteten Kinderchores bleiben insbesondere rhythmisches Fingerschnippsen, sowie Sprechchöre im Gedächtnis.

Insgesamt setzt die Aufführung auf Lautstärke, weshalb auch die Opernsänger mikroportverstärkt agieren. Den gegenüber seiner Räubergruppe gönnerhaften Räuberhauptmann (Carsten Sabrowski) bekämpft Publikumsliebling Jens Larsen als Ali Baba, zusammen mit seinem Esel Karakaçan (Daniel Drewes) erfolgreich. Ali Babas Bruder Kasım (Stefan Sevenich) wird hingegen von den Räubern in der Schatzkammer entdeckt und in fünf Teile „gevierteilt“. Diese werden dann vom Schneider Baba İdris (Manfred Sabrowski) wieder zusammengenäht, und bei der Totenfeier für den ehrbar begrabenen Kasım werden die in Ölfässern versteckten 39 Räuber durch Schlafpulver eingeschläfert. Am Ende darf Kasıms kluge Sklavin Şirin (Ariana Strahl) Ali Babas Sohn Vehbi (Tansel Akzeybek) heiraten. Und „vielleicht werden die Räuber verhaftet, vielleicht leben sie unter anderem Namen immer noch", ist die finale, brechtische Aussage der gut zweistündigen Oper. Das vorwiegend junge Publikum klatscht nach der Pause und beim Applaus im türkischen Rhythmus mit.

Als Programmheft wird diesmal ein märchenhaft bebildertes CD-Buch angebotenen: in eine Nacherzählung des Märchen sind „Highlights der Oper“ integriert, – jedoch nur in einer auf vier Instrumente reduzierten, chorlosen Fassung und in einer auch bei den Solisten nicht voll identischen Besetzung.

Weitere Aufführungen:
3., 8., 12., 28., 30. November, 9., 14., 20. 26. Dezember 2012.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!