Nun ist Gotye ja nicht aus dem Nichts gekommen. Wer genauer hinsieht, stellt fest, dass der australische Sänger und Schlagwerker mit den belgischen Wurzeln schon seit mehr als einem Jahrzehnt in der Szene unterwegs ist. Nur fehlte ihm bis vor wenigen Wochen der internationale Hit, damit man auch jenseits von Down Under etwas von seinen Songideen mitbekommen konnte.
Dann aber schaffte es „Somebody That I Used To Know“ gleich über mehrere Versionen ins Bewusstsein der Generation Youtube. Neben Gotyes eigener Fassung coverte die kanadische Indie-Combo Walk Off The Earth das Stück in einer pfiffigen Interpretation für fünf Spieler an einer Gitarre und sorgte damit für Millionen Klicks und weitere Aufmerksamkeit.
Folge dieser sich rasant beschleunigenden Karriere ist unter anderem eine Tournee durch Europa, die Gotye mit Band auch ins Münchner Freiheiz führte und als cleveren Songwriter mit Gespür für semiotische und gestalterische Feinheiten präsentierte. Denn das Quintett leistete sich den Luxus, viele der exotischen Sounds mit Originalinstrumenten zu reproduzieren. Zahlreiche Glockenspiele, Marimbas, Xylofone kamen zum Einsatz, nach nahezu jedem Song wurden die Gitarren gewechselt, damit das Klanggefüge möglichst bunt ausfiel.
Dazu kamen aufwändige Animationen im Cartoonstil, die von dämonischen Hammondorgeln, traurigen Manga-Mädchen oder grinsenden, wuchernden Kakteen kündeten. Angesichts dieser Reizvielfalt fiel es kaum auf, dass der Bandleader zwar über eine schöne, aber wenig kraftvolle Falsett-Stimme verfügte, sich motivisch geschickt beim Popinventar von Air bis Peter Gabriel bediente und dass der Part der erkrankten Sängerin Kimbra kurzerhand von den Frauen im Publikum übernommen wurde. Wichtig war die Wirkung des Ganzen, und die verankerte Gotye als cleveren Tüftler mit Gespür für Ohrwürmer im Gedächtnis der Zuhörer.
Zwei Abende später gab sich Sting, Vorbild einer ganzen Generation von Rock- und Pop-Musikern, im Kesselhaus die Ehre, einer für seine Verhältnisse kleinen Halle mit höchsten 2000 Fans, die den persönlichen Charakter der „Back To Bass“-Tournee zum 25-Jährigen seiner Solo-Aktivitäten unterstreichen sollte. Wie erwartet bot der inzwischen jenseits der eigenen Sechziger agierende Brite ebenso routiniertes wie perfekt portioniertes Entertainment. Alte Recken wie Gitarrist Dominic Miller, Drummer Vinnie Colaiuta und junge Kollegen wie Millers Sohn Rufus an der Rhythmus-Gitarre, der Geiger Peter Tickell und die Sängerin Jo Lawry entfalteten einen betont akustisch gehaltenen Sound, dessen Feinheiten im Hallenambiente nicht immer wirklich zur Geltung kamen.
Tatsächlich wünschte sich mancher des wenig tanz-afinen Publikums in diesem Fall, die schlecht einsehbare Halle wäre bestuhlt gewesen, um mehr von den Einzelheiten des Konzerts mitzubekommen. Sting jedenfalls tat sein Bestes, moderierte charmant auf Deutsch, leitete musikalisch souverän durch den Abend, sang energisch und mitreißend. Auf dem Programm standen weniger bekannte Stücke, die erst gegen Ende der zweistündigen Show in die erhoffte Phalanx der Hits mündeten. Unterm Strich wurde es dabei immer dann richtig gut, wenn ein Minimum an Aufwand auf ein Maximum an Ausdruck stieß. Wie etwa in der zweiten Zugabe, als Sting doch noch zur Gitarre griff und ein sehr privates „Message In A Bottle“ bot. Schon allein für dieses Lied hat er seinen Ehrenplatz in den Annalen der Popmusik verdient.