„Rosetti! Immer wenn ich BR-Klassik einschalte“, so kürzlich der Stoßseufzer eines Kollegen, „ertönt Rosetti!“ Da es sich bei Antonio Rosetti nicht um einen Zeitgenossen handelt, dem ein Funkredakteur durch häufiges Spielen messbare Gema-Tantiemen verschaffen könnte, sondern um einen beliebten Komponisten des ausgehenden 18. Jahrhunderts, bleibt nur eine Schlussfolgerung: Rosetti ist klanggewordenes Sinnbild eines massentauglichen Tagesbegleitprogramms.
Schon wieder Kritik und Beckmesserei in der nmz am öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Ja, aber im Gegensatz zu der gegenwärtig als schick geltenden „Komplett-Infragestellung“ von ARD, ZDF und Deutschlandradio üben wir Kritik, die helfen will. Wirksam helfen, dem Legitimationsdruck standzuhalten, kann selbstverständlich nur eine Allianz aus Politik, Zivilgesellschaft UND Printmedien, die nicht ängstlich auf Klicks im Internet starren, sondern sich Gedanken um Kultur und Meinungsvielfalt in einem demokratischen Gemeinwesen machen. Nicht hilfreich dabei sind die CSU und ihr Vorsitzender Horst Seehofer, denen eine Fusion von ARD und ZDF vorschwebt. Nicht hilfreich die CDU-geführte Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt, die eine Abschaffung der Tagesschau vorschlägt sowie eine Verzwergung der ARD auf regionale dritte Programme. Nicht hilfreich die Polemiken des Springer-Verlegers und Präsidenten des Verbandes der Zeitungsverleger, Mathias Döpfner, der vehement ein Verbot von presseähnlichen Angeboten fordert und die öffentlich subventionierte Konkurrenz als „Staatsfunk“ diskreditiert. Indiskutabel sind die Forderungen von Rundfunkbeitragsgegnern aus der populistischen Ecke, nur noch ein bundesweites Radio- und Fernsehprogramm auszustrahlen.
Ende September legten ARD, ZDF und DLR ihre von den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten im Frühjahr 2016 beauftragten Berichte zur Strukturentwicklung bis 2028 vor. Doch trotz vieler avisierter Reformschritte strahlt auch dieser Report Ratlosigkeit aus, was die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angeht. Als Reaktion auf diesen „Sparplan“ forderten die Länderchefs bei einem Treffen in Saarbrücken noch mehr Reformbemühungen. Was dann wohl nur ein anderes Wort für „noch mehr Sparen“ ist.
Was das alles mit Musik zu tun hat? Viel. Denn das Sparen in Redaktionen und Ensembles scheint vor dem Hintergrund des Strukturentwicklungsplans jetzt erst richtig anzufangen: Auf die ARD kommt eine existenzielle Krise zu. Während Festivalchef Björn Gottstein in der Pressekonferenz des „Branchentreffs“ Donaueschinger Musiktage betonte, dass er keine Etateinschnitte für 2018 zu befürchten habe, unterhielt man sich in den Konzertpausen hinter vorgehaltener Hand immer wieder über das Bröckeln des gesamten Systems. Etwa darüber, dass angeblich aus derzeit neun Anstalten vier große Regionalsender werden sollen, denen die übrigen fünf dann zugeschlagen werden.
Bei allen Sparbemühungen kann das jetzige öffentlich-rechtliche System breite Akzeptanz nur durch Exzellenz in seinem Kernauftrag Information, Kultur, Bildung und Unterhaltung erreichen. Dazu, lieber Kollege, gehört es allerdings auch, das Werk Antonio Rosettis wieder allgemein bekannt zu machen.