Was mag das für eine Welt gewesen sein, die von damals, die mit Pferdekutschen und/oder Nachtwächtern. Deren Aufgabe es war, Gas-laternen zu löschen und die neuesten Nachrichten vor dem Einschlafen lautstark durch die Gassen zu singen oder zu trällern, zu brüllen gar. Das hat sich geändert. Heute kann fast jeder fast alles über fast jeden er-fahren, einfach. Was damals extrem selektiv war kann sich heute extrem massenhaft, aus allerlei Kanälen heraus, krakenhaft alles übergiessend, ausbreiten.
Die Nachrichtengebung hat sich verändert mit dem Aufkommen der Buchdruckkunst. Um wie viel mehr mit der Er-Findung des Radios. Militärisch erst erdacht und gemacht, später zur Information und Unterhaltung erdacht, von den deutschen Nationalsozialisten als Propagandainstrument zu allererster Güte gebracht.
Doch Radio ist nicht nur ein Mittel zur Manipulation. Radio ist Kunst, ist Magie. Radio kann Aura pur sein. Du ackerst dich durch den Äther. Hörst da einen Fetzen Politik, dort einen Moment der Musik, hier eine Stimme, gegenüber Vielstimmigkeit. Du lauschst dem Philosophen. Oder dem Agitator. Du hörst das Beethoven-Violinkonzert, das dir als Kind etwas bedeutete, während du deinen SUV durch die Sahara steuerst, Richtung Kairo. Und denkst an Rommel und die Britten zurück. An das Geknalle und Geschreie – und an das Beethoven-Violinkonzert inmitten. Du kurbelst an deinem Fünfzigerjahre Telefunken-Kasten herum. Und es knistert und knattert.
Da spricht Albert Schweitzer über Lambarene. Und spielt Johann Sebastian Bach auf dem schnaufenden Klinikinstrument. Der Gründgens bläst dir Goethe ins Ohr. Thomas Mann bringt München zum Leuchten. Stockhausen lässt die Jünglinge singen, Karl Amadeus Hartmann schreibt gegen den Krieg – seine Musik zerreißt uns. Seine Musik verhindert noch heute keinen einzigen Krieg. Der Facettenreichtum, die Vielfalt der Meinungen, Klänge, Stimmen – da wird Leben vielfältig angeregt, bedacht, weitergedacht. Die einst britische Utopie von öffentlich rechtlichem Rundfunk ist nicht nur dort auf die schiefe Bahn gekommen.
Doch Reste davon überleben. Aus dem Autoradio, aus der surround-Empfangsanlage. Vielstimmig, musikalisch, philosophisch, politisch. Du entdeckst. Du bleibst hängen. Und du kannst Radio weltweit hören. Deinen Heimatsender aus Mitteleuropa im Explora-Hotel an der Südspitze Patagoniens. Das lästige und kaum befriedigende ehemalige Kurzwellengekurbele entfällt, dank Live-Stream. Radio: Du hast Geburts- tag. Behalte Dir auch im Zeichen von NSA und Internet Deine Magie, Deine Aura. Herzlichen Glückwunsch!