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Tatiana Monogarova als Rusalka. Foto: Matthias Creutziger
Tatiana Monogarova als Rusalka. Foto: Matthias Creutziger
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Silberfischchen Rusalka - Opulenter Bühnenzauber lässt Dresdner Publikum jubeln

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Stefan Herheim hat sein Debüt als Hausregisseur der Sächsischen Staatsoper in Dresden mit „Rusalka“ von Antonín Dvorák absolviert. Künftig soll pro Spielzeit eine Inszenierung in der Handschrift des gebürtigen Norwegers in der Semperoper herauskommen. Nicht immer muss es da bei Übernahmen – in diesem Fall aus Brüssel (2008) und Graz (2009) – bleiben. Und nicht immer kann am Tag nach der Herheim-Premiere gleich noch eine neue Spielstätte eröffnet werden.

Die Dresdner „Rusalka“ aus Brüssel und Graz spielt möglicherweise in Prag, dort ist die Oper 1901 uraufgeführt worden und darauf deutet die morbid kafkaeske Szenerie hin, möglicherweise auch in Atlantis, jener versunkenen Stadt. Auf jeden Fall spielt sie mit so ziemlich allen Mitteln, die großem Ausstattungstheater derzeit zur Verfügung stehen. Stefan Herheim erzählt das Stück um die Nixe, die unbedingt einen Menschenmann lieben will, aus der Perspektive des Wassermanns, der ihr widerwillig den Weg dazu bahnt. Er weiß ja, dass dieses Ansinnen scheitern wird, ja scheitern muss. In dieser Inszenierung wird und muss er dafür büßen.

Denn die Rusalka aus seinem dunkelnassen Reich ist ein Silberfischchen auf hohen Hacken. Sie geht – anschaffen und sucht sich ihre Opfer. Jungfrau? Von wegen!

Herheim ist auf Austausch, auf Polaritäten bedacht. Wassermanns Ehefrau ist eifersüchtig und verstößt ihn schon bei bloßem Verdacht. Hexenweib Jezibaba fordert von Rusalka das wunderschöne Nixengewand und schmückt sich damit. Der ach so geliebte Prinz, hier: ein Emporkömmling, der überwiegend im biederen Schlafanzug agiert, betrügt die nach dem Hexenspruch stumme Geliebte mit einem Abbild der Wassermann-Frau. Rusalkas Schwestern sind rüstige Marketenderinnen und deftige Nonnen, je nach Bedarf, manchmal auch beides. Wechselseitig im Wandel begriffen ist vor allem das opulente Bühnenbild von Heike Scheele, das mal ein vorstädtisches Plätzchen (Prag) mal Budenzauber mit Einsatz von Logen und ersten Parkettreihen (Kafka?), mal Unterwasserszenario (Atlantis) darstellt. Vor allem aber ist es: Tatort. Denn diese „Rusalka“ ist ein Krimi, ein Psychokrimi.

Opfer und Täter, Nonne und Nutte
Neben allerlei echter und ausgestellter Korpulenz sind es die emotionalen Verstrickungen von jung und alt, von links und rechts, oben und unten, arm und reich, von Frau und Mann. Unfreiwillig sogar von dick und dünn, aber das gewiss nur am Rande. Im Fokus steht die Dualität von Opfer und Täter, von Liebe und Hass. Nixe Rusalka als Nonne und Nutte, der Wassermann als Übervater und Underdog. Er wird, nachdem die ursprünglich als weißes Reh gesichtete Schöne längst zum blutigen Rotwild verkam, zum lächerlichen Übeltäter. Da auch er fast permanent im Schlafanzug auftritt, ein Gegenbild zum Idol seiner verlorenen Tochter, ist das gar kein so langer Weg.

Die Regie allerdings lebt über weite Strecken vom Bild. Die dargestellten Fassaden zeigen mal kühl einen Metro-Schacht (höllischer Abgrund), mal grün einen Blumenladen (himmlische Schönheit). Vis-à-vis ist eine Sex-Boutique eingezogen (statt Liebe Geschäft), die zum Laden für Brautschmuck und zur Fleischhauerei mit aufgehängten Schweinehälften mutiert. Selbst die Bar an der Ecke ist namentlich mal dem Mond und mal der Sonne geweiht. Und auch das Publikum im Saal entgeht dem Heiß-und-Kalt-Hin-und-Her nicht – es wird mit drastischem Zauber voller Gewalt konfrontiert und sitzt wenig später in einem glitzernd realen Lametta-Regen, der den blutvollen Spuk als pures Spektakel entlarvt. Da während der dreieinhalb Stunden so ziemlich nichts an abgründiger Bühnenmagie ausgelassen worden ist, drängt sich der Eindruck auf, dass hier dem Stoff ein Zuviel an feuerwerkelnden Ideen übergezwängt wurde. Denn nicht alle gehen mit Handlung, Text und musikalischer Grundlage konform.

Drüber und drunter
Die Sächsische Staatskapelle musizierte unter Leitung von Tomás Netopil außerordentlich klangschön und mit slawischem Impetus. Da hätte nicht nur Dvorák seine Freude dran gehabt, sondern gewiss auch die zaubervolle Unterwelt seiner „Rusalka“. Gerade das Feenhafte gelang überzeugend, nicht aber das Zusammenspiel von Bühne und Graben. Insbesondere die turbulenten Massenszenen gerieten teils wie vom wogenden Zufallsgenerator bestimmt.
Dabei war die Märchenoper bestens besetzt. Mit der Moskauerin Tatiana Monogarova sang eine beeindruckende Schönheit – stimmlich wie darstellerisch – die Titelpartie. Ihr Widerpart als Fremde Fürstin wurde von Marjorie Owens ebenso kraftvoll dargestellt und gesungen wie die Hexe Jezibana, die changierend als Metro-Pennerin angelegt ist und von der neu im Ensemble angekommenen US-Amerikanerin Tichina Vaughn überraschend kontrastreich umgesetzt wurde.

Zentrale Gestalt, ganz analog dem Inszenierungskonzept, war der Wassermann, den Georg Zeppenfeld mutig als Depp, tolpatschig als Untertan der eigenen Frau und spielerisch tapfer mit sehr wohlklingendem Bass umsetzte. Zu gern hätte sich diese Figur wohl im jugendlichen Prinzen wiedergefunden, der von Zoltán Nyári mit strahlendem Tenor erfüllt wurde und ganz zum Schluss auf den rettenden Kuss der ewigen Kälte hofft.

Es gibt in dieser Märchenoper Brüche und wohl auch Fehler, die Opulenz von Regie, Bühne und Kostümen (Gesine Völlm) bleibt dennoch bestechend. Nicht zuletzt ein Versinken der Szene im Unterwasserbild, durch das sich die qualligen Elfen bewegen, beeindruckt. Ergreifend ist aber auch der Schluss, nachdem Polizisten an Wassermanns Tatort die Spuren gesichert und ihn als Täter abgeführt haben. Rusalka ist aus unschuldsvollem Weiß, das ihr so blutig wurde, wieder im Silberfisch-Dress angekommen. Mit strohblonder Perücke stellt sie den nächsten Opfern nach. Was für ein Fluch!


P.S.: Einen Tag nach der Premiere von „Rusalka“ eröffnete die Semperoper mit der kammermusikalischen Fassung von Henri Purcells „Dido and Aeneas“ auf ihrer Probebühne eine neue Spielstätte, genannt Semper 2. Darin werden künftig Produktionen der Jungen Szene präsentiert.


Termine „Rusalka“: 18., 22., 25.12.2010, 3.1., 17., 28.5.2011
Termine „Dido and Aeneas“:15., 17., 18., 20., 21.12.2010, 8., 9., 22., 23.1.2011


 

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