Auf eine Höhe von knapp 100 Meter ist die Hamburger Elbphilharmonie bereits angewachsen. Das prestigeträchtige Konzerthaus in der HafenCity ist nicht mehr zu übersehen, wenn man sich per Schiff den Landungsbrücken nähert. Das hoch moderne Bauwerk soll Hamburg zu größerem internationalen Renommee verhelfen und sich in seiner architektonischen Bedeutung mit der weltberühmten Oper im australischen Sydney messen lassen. Doch die von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) als Wahrzeichen bezeichnete Elbphilharmonie hat im übertragenen Sinne Risse im Fundament.
Terminverzögerungen, Kostenexplosionen, Baumängel und ein Untersuchungsausschuss rütteln an dem Vorhaben, das am Freitag und Samstag (28./29. Mai) sein Richtfest feiert.
Die ersten Skizzen für die Elbphilharmonie tauchten 2003 auf. Der deutsch-amerikanische Architekt und Musikliebhaber Alexander Gérard hatte die Idee zu dem Bau - eine bis heute einzigartige funktionale Mischung aus Konzerthaus, Hotel und Wohnungen direkt am Rand von Deutschlands größtem Seehafen und eine ebenso bislang einzigartige Herausforderung an die Akustik. Welchen Stellenwert eben jene Akustik für Musiker hat, demonstrierte Leonard Bernstein kurz nach der Eröffnung der neuen Münchner Philharmonie am Gasteig 1985. Nach einem Konzert ließ sich der Komponist und Dirigent zu den Worten «Burn it!» («Brennt sie nieder!») hinreißen. Und das, nachdem Millionen für die Akustik ausgegeben worden waren.
Das soll der Elbphilharmonie nicht passieren, hat man sich in Hamburg vorgenommen. Gebaut auf dem traditionsreichen Kaispeicher A nach den Plänen der Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron mit dem ehrgeizigen Ziel, eines der weltbesten Konzerthäuser mit einem der zehn besten internationalen Konzertsäle zu erschaffen. Dies ist Experten zufolge etwa beim Konzertgebouw Amsterdam, dem Musikvereinssaal Wien, der Symphony Hall Boston und der Philharmonie Berlin gelungen.
Gérard schied 2004 aus dem Vorhaben aus und übergab die Verantwortung an die Stadt Hamburg, die das Projekt zwei Jahre später erstmals ausschrieb - zu früh, wie ein Insider im ddp-Interview sagt. Es ist der Beginn einer langen Kette von Problemen. In der Folge grenzt der Bau nicht nur architektonisch an Superlative, sondern avanciert zum Politikum, zum Zankapfel zwischen der Stadt, den Architekten, dem Baukonzern Hochtief und den Parteien in der Bürgerschaft.
Laut Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler ist das Großprojekt ein Paradebeispiel für den unwirtschaftlichen Umgang mit Steuergeldern. So sollte das Konzerthaus die Stadt zunächst 77 Millionen Euro kosten. Heute liegt der von der Bürgerschaft bewilligte Kostenanteil am 500-Millionen-Euro-Bau bei 323,5 Millionen Euro.
Mitte April legte Hochtief einen Terminplan vor, wonach einzig der Große Konzertsaal nicht fristgerecht bis Ende 2011 fertiggestellt werden könne. Damit würde sich die Eröffnung des Konzerthauses auf 2013 verschieben. Nun soll ein von der Bürgerschaft eingesetzter parlamentarischer Untersuchungsausschuss die Ursachen der Kostenexplosion und die Fehlentwicklung ergründen. Die ersten «unangenehmen Verhöre» erwartet die SPD nach der Sommerpause.
Kürzlich wurde ferner bekannt, dass schwerwiegende Sicherheitsmängel an tragenden Teilen beim Bau der Elbphilharmonie aufgetreten sind. Aus Sicht des Insiders haben die Architekten mit ihrem Vorstoß «die Alarmglocken» geläutet, weil sie «irreversible Schäden» befürchten. Seither ist Bewegung in die Sache gekommen, weil sich der Druck auf Hochtief erhöht habe, wie es auf der Baustelle heißt. Aber der Baukonzern sei nicht das einzige Problem. So hätte die städtische Realisierungsgesellschaft ReGe schon viel früher Druck auf Hochtief ausüben müssen. Schließlich seien die Qualitätsmängel nicht neu.
Inzwischen hat der komplexe Streit ein Ausmaß angenommen, dass einem Insider zufolge nur noch ein neues Projektmanagement die Blockade lösen könnte. Der Knackpunkt liege darin, das Hochtief in der Elbphilharmonie nur einen Job sehe, ohne den notwendigen Wert auf den Bau zu legen. Die Architekten hingegen wollten Perfektion abliefern, sagt der Insider. Doch Hochtief habe sowohl den Bauaufwand als auch die Kosten offenbar völlig unterschätzt.
Das Projekt Elbphilharmonie hat eines schon erreicht: eine weltweite Beachtung in den Gazetten. Und ein Ende der Probleme scheint nicht in Sicht. Doch der Insider glaubt, wenn das Konzerthaus erst einmal in der erhofften Qualität fertig sei, werde der Ärger verblassen und eine Freude für wohlmöglich Jahrhunderte auslösen. So sei es bei allen großen Bauwerken gewesen.