Hauptbild
Intendant für einen Tag. Foto: Hufner
Intendant für einen Tag. Foto: Hufner
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Tag der offenen Vier – Invasion der Knirpse

Publikationsdatum
Body

Seit Jahren veranstalten große Kultureinrichtungen wie Opern- oder Konzerthäuser, häufig am Beginn einer Saison, Tage der Offenen Tür. Man lässt die Türen auf, ein Blick hinter die Kulissen wird möglich, der sonst nur den Angestellten oder sonstigen Mitarbeitern dieser Häuser möglich ist. Das Haus wird voll mit Menschen. Schranken fallen, „Vermittlungsveranstaltungen“ werden initiiert. Ein großer Spaß für alle. Wirklich für alle? Beim Besuch des Tages der offenen Tür in der Komischen Oper Berlin fiel anderes auf.

Das Publikum, ich verlassen mich dabei mal auf den Augenschein, zu einer empirischen Untersuchung möchte man gleichwohl raten, setzt sich eigenartig zusammen. Eine Gruppe besteht aus Menschen im Alter zwischen ein und acht Jahren. Säuglinge und Kleinkinder machen das Gros der Besucher aus. Dazu gehören die passenden Aufsichtspersonen, zwischen 28 und 45 Jahren. Junge Familien finden sich ein. Und für sie wird das passende Programm abgespult: Malen, Schminken, Gruselkabinette. Was da ist, ist offensichtlich. Was fehlt, sind die vielen Jugendlichen, Jungerwachsenen und die älteren Herrschaften. Letztere gelten als das Stammpublikum. Die kommen sowieso in die Oper, brauchen also keine offenen Türen, die sie schließlich durch ihre Eintrittskarten in den normalen Veranstaltungen mittels ökonomischer Initiative quasi selbst öffnen dürfen.

Die Jugendlichen aber, muss man sie als verloren ansehen? Es fehlt an ihnen offensichtlich. Dieses Publikum ist ja häufig unterrepräsentiert. Ihnen kann man nicht mehr mit Schminke kommen. Und so bietet man ihnen gleich besser gar nichts? (Außer der Möglichkeit, als Musiker präsent zu sein, wie es Schüler des Arndt-Gymnasiums-Dahlem waren, mit ihren Jazzbands und ihrem vielköpfigen Orchester.)

Sind nicht solche Veranstaltungen letztlich Feigenblätter, die zeigen, dass man irgendetwas macht und nicht viel mehr nichts? Wie weit geht hier „Education“ und wie nachhaltig darf man das einschätzen, wenn diejenigen nicht erreicht werden, die man doch eigentlich auch „haben“ möchte. Ich vermute, man lässt Initiativen in diese Richtung gleich bleiben, weil diese Gruppe ungleich schwerer zu haben ist. Unter der Invasion der Knirpse mit ihren bildungsbürgerlich ausgestatteten Eltern leidet schließlich die Idee selbst. Wo bleibt die „Junge Oper“? Wo bleiben Felder des Diskurses, was Oper heute sein kann und heißt. Wer fühlt sich da noch wohl in der Verkindergartenisierung von Kultureinrichtungen. Warum kann man Oper nicht auch einmal ernst nehmen, auch an solch einem Tag.

Es ist wohl eher kein Zufall, wenn an prominenter Stelle vor dem Eingang zum Opernhaus Zuckerwatte feilgeboten wird. Mag sein, dass dies eine völlig verzerrte Betrachtungsweise ist, die nur den Fall der „Offenen Tür“ der Komischen Oper Berlin betrifft. Ich fürchte eher, dass dies die Norm ist. Wie auch immer, man wünscht sich einfach, dass derartige Aktionen etwas mehr vom Spektakel hin zu einem umfassenderen Ereignis würde, bei dem sich eine Kultureinrichtung Fragen, Wünschen und Interessen stellt – und zwar vom Baby bis zum Greis hin.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!