Der Zeitpunkt rückt näher, von dem an die Rundfunkgebühren nicht mehr für das jeweilige Gerät erhoben werden, sondern für jeden einzelnen Haushalt. Ob dabei höhere Einnahmen erzielt werden ist momentan wohl noch ungewiss. Auf Hochrechner ist nicht immer Verlass. Es könnte auch sein, dass am Ende weniger Geld in die Kassen der Öffentlichrechtlichen Anstalten fließt. Sparen kann deshalb zunächst nicht schaden. Aber wo sparen? Natürlich, da wo es am einfachsten geht. Zum Beispiel bei der Musik. Nicht beim Gedudel, sondern im E-Bereich. Und hier weniger bei den drei B’s (Bach, Beethoven, Brahms), sondern bei der Neuen Musik. Nichts Genaues weiß man vorerst nicht. Was man weiß: Missliche Entscheidungen werden meist kurzfristig veröffentlicht, wenn alles schon intern beschlossen ist und jeder Protest ins Leere läuft.
Gleichwohl mehren sich die Anzeichen, dass sich die Situation der Musik, der Neuen Musik im Besonderen, in den Rundfunkhäusern zum Schlechten hin verändert. In unguter Erinnerung ist noch die Empfehlung des Obersten Bayerischen Rechnungshofes, der Bayerischen Rundfunk möge doch seine Klangkörper, vor allem das Sinfonieorchester, aus dem Etat ausgliedern. Wohin? Das wurde nicht gesagt. Fast schon skandalös erscheint die Behandlung, die beim Südwestrundfunk das hauseigene Vokalensemble erfährt. Ein früherer Intendant wollte dieses Eliteensemble von 36 hochqualifizierten Sängern und Sängerinnen einmal schon auflösen. Das scheiterte am weltweiten Protest aller Musikfreunde, Komponisten, Kritiker. Der faule Kompromiss lautete: der Chor soll nach und nach auf 24 Mitglieder schrumpfen, zu einem Kammerchor also, was gleichbedeutend wäre, dass alle bisher erarbeiteten Werke, ob alt oder neu, für das Repertoire hinfällig würden. Inzwischen umfasst das Vokalensemble nur mehr 32, vielleicht sogar nur noch 30 Mitglieder. Als kürzlich eine Sängerin aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden musste, durfte ihre Stelle nicht nachbesetzt werden. Auch so kann man einen Chor, ein Orchester peu à peu abschaffen.
Selbst der sonst so kulturbewusst auftretende Bayerische Rundfunk hat aus seinem zweiten Programm alle Neue-Musik-Features gestrichen. Warum? Hätte nicht eine vertretbare Verringerung der Beiträge genügt? Bei den Donaueschinger Musiktagen 2011, die wieder einmal demonstrierten, wie wichtig der Beitrag des Rundfunks zur Musik der Gegenwart ist, geisterte in Form eines eher geflüsterten Gerüchts die Nachricht um, dass beim Westdeutschen Rundfunk größere Umstrukturierungen speziell für die Musikredaktion geplant werden? Das wird man aufmerksam beobachten müssen.
Gerade hat man beim WDR mit einem Konzert an die Eröffnung des neuen Sendesaals vor sechzig Jahren erinnert. Damals dirigierte Igor Strawinsky das Orchester. Ein historischer Augenblick, der in eine große Zukunft für die lange verfemte Neue Musik wies. Der Beitrag der Rundfunkhäuser zur Musikkultur unseres Landes, den sie in den vergangenen Jahrzehnten geleistet haben, den sie immer noch leisten, ist unverzichtbar. Dieser Beitrag bildet zugleich eine große Substanz für die Funkhäuser selbst. Er gibt ihnen eine unverwechselbare Identität. So etwas setzt man nicht gedankenlos und leichtfertig aufs Spiel. Etwas mehr historisches Bewusstsein und Stolz auf das Geleistete kann nicht schaden.
Von den Taliban heißt es, sie hätten nichts für Musik übrig. Bei der Musik unserer Zeit gewinnt man manchmal den Eindruck, dass sich in den höheren Etagen der Funkanstalten schon ein Talibanvirus eingeschlichen hat. Auch die Gefahr, dass er demnächst noch die Sinfonieorchester der Sender befällt, ist nicht gebannt.