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Tauchkurs inklusive: Unterwassermusiktheater feiert in München Uraufführung

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München - Besucher der Musiktheaterproduktion «Unter Wasser. Ein Freiheitsentzug» können Opernglas und Abendtäschchen getrost zu Hause lassen. Statt dessen sollten sie ein Handtuch und Badekleidung mitbringen, denn die drei Münchner Komponisten Philipp Kolb, Cornel Franz und Klaus Schedl haben das Bühnengeschehen unter die Wasseroberfläche verlegt. Uraufführung ist am Montag (14. Juni) im Münchner Dantebad.

Dort laufen die Vorbereitungen derzeit auf Hochtouren – geprobt und an der Unterwasserbühne geschraubt wird nachts, wenn der reguläre Badebetrieb eingestellt ist. Cornel Franz sitzt am Beckenrand und bespricht Beleuchtungsdetails. Sein Kollege Kolb wuchtet unterdessen ein Ungetüm aus Holz und Spiegeln über das Wasser: «Ein Periskop aus dem Hause Kolb», erklärt er. Mit dem selbstkonstruierten Gestell sollen die Videobilder, die über die Kulissen gleiten werden, unter die Wasseroberfläche projiziert werden.

Schedl müht sich in der Zwischenzeit mit gelben und orangefarbenen Plastikmuscheln ab, die er - ebenfalls unter Wasser - am Beckenrand zu befestigen versucht. Es handelt sich dabei um acht Speziallautsprecher in einem Kunststoffmantel, die den Unterwasserraum mit der elektronischen Musik beschallen. «Die Musik und die Szene unter Wasser richtig zu gestalten, ist wahnsinnig schwierig», erklärt Schedl. «Jemand, der unter Wasser Angst hat, der bekommt von komplizierter Musik nichts mit. Für einen, der entspannt zuhört, ist das Ganze am Ende vielleicht zu wenig komplex.»

Hinter einem Bauzaun schrauben Techniker grüne Plastiksitze auf ein Plateau aus Draht und Holz. Neben jedem Sitz wird eine Sauerstoffflasche angebracht. Auf diesem Gestell wird das Publikum Platz nehmen - zunächst über Wasser, um dann buchstäblich versenkt zu werden. «Dass hier so etwas wie der Gedanke an Ertrinken entsteht, ist gewollt» erläutert Schedl das Stückkonzept. Das Thema «Freiheitsentzug» wird in dem Musiktheater auf verschiedene Weise erfahrbar. Unter Wasser schränken die befremdlichen Bedingungen den Menschen - und Zuschauer - ein: Er kann sich nicht wie gewohnt fortbewegen, ist auf künstliche Sauerstoffzufuhr angewiesen.

«Aber auch in den Vorbereitungen zur Vorstellung müssen die Besucher auf Freiheiten verzichten», sagt Franz. «Sie müssen ihre Kleidung ablegen und stattdessen alle Neoprenanzüge anziehen.» Damit verzichte jeder auch auf ein Stück Individualität. «Dafür bekommt man unter Wasser aber auch unglaubliche Freiheiten, indem man einen ganz neuen Raum erfährt», verspricht der Komponist. Zum Plot verraten die Theatermacher nur so viel vorab: Das Stück beschreibt eine Gefängnisszene - die jeder Zuschauer auf ganz eigene Art unter Wasser selbst erlebt.

Das Publikum von «Unter Wasser» wird zunächst mit Taucheranzug und Sauerstoffflasche ausgestattet und bekommt dann eine kurze Einweisung von einem Tauchlehrer. Zwei Ärzte vor Ort führen bei jedem einen Gesundheitscheck durch und während der Vorstellung sorgen Rettungstaucher für die nötige Sicherheit.

Im Laufe der Probennacht im Dantebad rückt eine Truppe von sieben Männern und Frauen in buntem Neopren an. «Die Apnoes», ruft Kolb. Die Apnoetaucher, die ohne Sauerstoffflaschen tauchen, sind die Darsteller in «Unter Wasser». Bis zu zwei Minuten kommen sie aus, ohne Luft zu holen. Sie alle sind Schauspiellaien, aber begeistert von den Erfahrungen mit dem Unterwassertheater. «Jeder von uns hat eine kleine Rolle», erklärt Uwe Grintsch, Darsteller und Sicherheitstaucher. «Ich bin gespannt, wie alles klappen wird, aber es macht einen Riesenspaß». Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, den Ablaufplan exakt einzuhalten. «Wir haben einen super Bühneninspizienten», sagt Kolb. «Das ist wahnsinnig wichtig, denn wenn einer nur zehn Sekunden zu spät ins Wasser geht, ist dem anderen schon die Luft ausgegangen».

Das Team hat noch mit einem weiteren Risiko zu kämpfen: den Gewittern. Zwar finden die insgesamt sieben Aufführungen auch bei Regen statt, wenn der Deutsche Wetterdienst aber eine Gewitterwarnung ausgibt, müssen alle unverzüglich das Wasser verlassen.

Auch an diesem Probentag ist es irgendwann so weit. «Liebe Gäste, bitte verlassen sie sofort das Becken es besteht Unwettergefahr», ertönt die Durchsage. «Mist», schimpft Schedl und wickelt hastig die soeben verlegten Kabel wieder auf. «Das passiert uns jetzt sicher schon zum vierten Mal.»


 

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