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Theo Geißler. Foto: Charlotte Oswald
Theo Geißler. Foto: Charlotte Oswald
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Theos Kurz-Schluss: Wie ich im ZDF-Schulfernsehen von Jan Böhmermann einmal den optimalen Weg zu demokratischer, allseits befriedigender Kulturförderung gewiesen bekam

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Jetzt ist auch noch mein dereinst geliebter Heimatrundfunk – der Bayerische – materiell mehrfach in die Bredouille geraten: angeblich zwei Riesen-Airbusse A380 für den Transport der relativ normalgewichtigen technischen Direktorin vom Produktionsort München-Freimann zum Verwaltungsresort München-Mitte. War der christlich-soziale Druck auf die Gestaltung von Sendungen aller Art bis hin zum Wetterbericht dank schlichter Durchschaubarkeit gewisser simpler Werbefunk- und Influencer-Methoden noch erträglich – jetzt das, und zwar bundesweit: Schulden in Millionen- oder Milliardenhöhe.

Man kennt sich ja schon gar nicht mehr aus bei der Häufung von angehängten Nullen, verursacht durch die Spitzenetagen unserer ausstrahlenden Häuser des öffentlichen Rechtes. Intendantenhonorare auf Donald-Trump-Anwalts-Niveau. Wanderheuschreckenscharen im Beraterkostüm fressen die eigentlich für die Produktion möglichst qualitätvoller Programme vorgesehenen Hör-und-Sehwert-Steuern weg wie nix. Es ist ein Gier- und Machtgeier-Getöse, das die Hilferufe der verhungernden freien Mitarbeiter und der aussterbenden Spezies festangestellter Redakteure im optischen und akustischen Niemandsland verschwinden lässt. Das führt natürlich zu einer Spaltung der Gesellschaft. Zu Montagsdemonstrationen mit der Forderung „Tod dem Stunk-Funk“, „Lieber mit geiler Layla swingen als Krach hören in Donaueschingen“ oder „Kohle fürs Oktoberfest-Bier massig – statt für Bayern-Vier-Klassik“. Und neuerdings klebt sich „Die letzte Generation“ an Studiotüren und Übertragungswägen fest, „um energieverschlingende Kack-Produktionen zu verhindern“.

Dabei gibt es immer noch wunderbare Kreativblüten, die sich nur dank der Bestäubung öffentlich rechtlicher Fantasie und Liberalität entwickeln können (oder soll man den Medienpessimisten glauben schenken, die schlicht Desinteresse der Programmchef-Überwachungsinstanzen an allen Programminhalten jenseits von Fußball, Börsenkursen und deutschem Schlager wittern?).

Konstruktiv, wie ich nun mal bin, möchte ich anhand eines einzigen Beispiels zeigen, wie man diese zerstörerische Missstimmung unseres Volkes auf dem Weg zu einer echten, ehrlichen Mitbestimmung befriedigen und somit befrieden könnte. Es geht um eine geniale Idee des Schulfernsehens, die uns leichtverständlich erläutert: Auch von der Wirtschaft kann man lernen, nicht nur trinken. Ein wenig versteckt im Nachtprogramm des Zweiten Deutschen Fernsehens (macht nix, die Kiddies dürfen heutzutage eh bis in die Puppen aufbleiben, damit sie tagsüber matt sind und nicht so nerven) lehrt sogar uns Älteren noch der Diplompädagoge Jan Böhmermann leider nur halbstündig und zu Schulzeiten einmal wöchentlich sehr verständlich den Umgang mit lebensnotwendigen Fakten und Feelings. Das alles in einem kindgerechten Ambiente samt Live-Musik und „Englisch für Starter“ in den Songtexten. Vorbildlich für das hohe Aufklärungspotenzial (im Unterschied zu manchem Panorama- oder Kulturzeit-Trockenfutter) und als pars pro toto die Sendung vom 16. September 2022, vielleicht noch auffindbar im Kuddelmuddel der sogenannten öffentlich-rechtlichen Mediatheken.

Davon dass Computerspiele ein Kulturgut sind, überzeugt uns der Deutsche Kulturrat seit Jahren. Beispielsweise indem er den sich für diese Branche zuständig fühlenden Verband zärtlich in den bunten Strauß all seiner sonstigen irgendwie den Künsten verbundenen Organisationen zugefügt hat. Es ist nicht verwerflich, dass diese Branche  – wie ich von Böhmermann glaubwürdig erfuhr – hierzulande mittlerweile jährlich rein über den Vertriebsweg mehr als eine Milliarde Umsatz macht  – ja, mehr als Musik, Film und Bildende Kunst zusammen. Ferner ist es der begrenzten Auffassungsgabe des ZDF und Böhmermann zu verdanken, dass selbst publizistische Auslaufmodelle wie ich in dieser fein recherchierten Schulfernsehsendung über Liquiditätsbeschaffungsmodelle informiert wurden, die auf einem vom Individuum selbstbestimmten Finanzierungsmodus der Spieleindustrie zusätzlich gut vier Milliarden Euronen in die Geldbeutelchen tropfen ließ: dank sogenannter „InApp“-Einkaufsmöglichkeiten. Fällt der „Supermario“ beispielsweise immer wieder in den Sumpf, kann ich entweder eine Woche warten, bis der Sumpf vertrocknet ist oder mir direkt im Spiel für ein wenig Bares, zahlbar mit PayPal oder fast jeder Kreditkarte, ein Fliegerlein „kaufen“, das mich über das Hindernis hinwegbringt. Luscht mein Verein Bayern München beim Fifa-Bundesligaspiel zu oft ab, schaffe ich mir gegen einen Fuffi mittels „InApp“ die Spielerüberraschungstüte an. Wird schon ein Superspieler dabei sein usw. Bubi oder Mädeli haben längst die Zugangsdaten zum elterlichen Kreditkartenkonto erforscht – die Käufe unterliegen gesetzlich keinerlei Altersbegrenzung.

Also – dreimal auf die Stirn gekloppt: Warum holen nicht gerade die allseits darbenden Kulturschaffenden dieses Modell aus dem Second- ins First-Live? Gefällt Ihnen der Nachwuchsgitarrist einer Rockgruppe nicht? Kaufen Sie für ein paar Dollar mehr einen von fünf Stars, die schon hinter der Bühne warten. Ähnlich könnte jedes Theater, jedes Opernhaus – am Deal natürlich beteiligt  – mit Sängern und Schauspielern verfahren. Digitaltechnik ermöglicht solche kundenorientierten Spielchen vielleicht sogar als „Wer-bietet-mehr, jeder Einsatz verfällt im Fall des Überstimmt-Werdens“ im Cinemaxx oder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. „Ich will Pamela Anderson als ›Heute-Moderatorin‹ – zehn Bitcoin hab ich schon aufs ZDF-Konto übertragen … Pech gehabt  – eine ungenannte, aber uns bekannte Politikerin hat für einen gewissen Steinzeitmoderator namens Theo Geißler 20 Bitcoin hinterlegt – die Sendung beginnt in einer Sekunde … Kapiert, ihr inhaltsfernen Intendantinnen und Intendanten aller Sparten???“

Theo Geißler ist Herausgeber von Politik & Kultur

 

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