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Wagners „Die Feen“ in Leipzig. Foto: Kirsten Nijhof
Wagners „Die Feen“ in Leipzig. Foto: Kirsten Nijhof
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Traumwelten aus der Stereoanlage: Richard Wagners „Die Feen“ an der Oper Leipzig

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Großer Bahnhof und ganz große Oper: Leipzig bringt weltweit die einzige szenische Deutung des Jugendwerks „Die Feen“ von Richard Wagner heraus. Eine Großtat des Hauses? Die Besichtigung einer Jugendsünde? Oder einfach nur der Versuch, mit einer Rarität für Schlagzeilen zu sorgen?

Alles im Kopf: „Die Feen“ sind ein kopfiges Jugendwerk des zwanzigjährigen Richard Wagner, seine Geburtsstadt Leipzig lehnte die geplante Uraufführung nach einigen Auseinandersetzungen mit dem Komponisten zunächst ab, erst 1938 wurde die Oper an Wagners 55. Todestag dort erstaufgeführt. Auch die Münchner Uraufführung gab es erst fünf Jahre nach Wagners Tod, ausgerichtet freilich zum 75. Geburtstag des Meisters. Zum 200. feiert die Oper Leipzig nun in Kooperation mit den Bayreuther Festspielen eine Wiederauferstehung der „Feen“. Nur in der Messestadt ist dieses schwer romantische Frühchen szenisch zu erleben, in der Oberfrankenhalle Bayreuth soll im Sommer eine konzertante Aufführung folgen.

„Die Feen“ ironisch in Strichen

Man kann sich der lange Zeit verschollen geglaubten 600-Seiten-Partitur wohl tatsächlich nur mit den Mitteln der Ironie annähern – und mit heftigen Strichen: Das Inszenierungsteam Renaud Doucet (Regie) und André Barbe (Ausstattung) schuf eine Sicht, die ein Brückenkonstrukt aus Feenwelt und Entstehungszeit ins Heute darstellt. Und der Dirigent Ulf Schirmer, Opernintendant und Generalmusikdirektor in Personalunion, hat durch eine derart gekürzte Fassung zu navigieren versucht, dass im Gewandhausorchester die liebe Not mit den passenden Anschlüssen herrschte. Zudem wirkte just dieser Vorzeigeklangkörper in Wagners Geburtsstadt anfangs geradezu matt, hatte sich für den knapp vierstündigen Abend dann zwar rasch freigespielt, ohne aber je in die Nähe von Glanz zu geraten. Über weite Strecken pflegten die Streicher das Mittelmaß, die Bläser steuerten mitunter in Richtung Dilemma. Und das bei einer deutschlandweiten Live-Übertragung im Rundfunk… An eine CD-Aufnahme dürfte nun wohl niemand mehr denken, zumal die Frankfurter Einspielung unter Sebastian Weigle durchaus Vorzeigecharakter hat (Oehms Classics OC 940).

Nur im Kopf und dort auch ironisch geht der vermeintliche Königssohn Arindal auf die Jagd, wo er einer faszinierend schönen Hirschkuh ansichtig wird, die sich als Fee entpuppt und Mutter seiner Kinder wird. Ganz so romantisch wie der in seiner Kindheit von Gespensterträumen geplagte und in späterer Jugend von Webers „Freischütz“ beeinflusste Wagner wollten Barbe & Doucet die Geschichte nicht angehen, also verlegten sie die Szenerie in ein heutiges Wohnzimmer, wo sich der Hausherr eine Live-Übertragung der Romantischen Oper „Die Feen“ anhört. Zur Premiere war das natürlich höchst aktuell. Während sich der Mann in die Musik vertieft, die ihm Traumwelten öffnet, spinnt er sich – offenbar ein CD-Booklet in Händen – durch die gesamte Opernhandlung.

Eigentlich eine ganz tragfähige und originelle Idee. Doch so schreiend der niederländische Tenor Arnold Bezuyen in eine orange Strickweste gekleidet ist, die zum Wohnzimmerambiente gut passt, ihn in der Feenwelt aber zum Außenseiter abstempelt, so singt er sich auch durch den anstrengenden Abend. Mit viel Kraft geht er seinen Part an, dem er kaum gewachsen scheint, zu unbeweglich ist seine Stimme, zu räuberisch wird ihr ein Spagat aus Forciertheit und Lyrismen abverlangt. Beides bleibt er dem Publikum schuldig, das ihn dafür mit einiges Buhrufen bedenkt.
Oder sollte diese Fehlbesetzung bereits Teil des Konzepts gewesen sein, Arindal als Fremdkörper sowohl in seinem häuslichen Nest als auch bei den Feen? Der Mann hat im Reich der Feen alles gehalten, was er für das Liebesglück mit Ada, der Schönen, versprochen hat: acht Jahre lang nicht nach ihrer Herkunft zu fragen. Das ist bis kurz vor Ablauf der Frist auch gelungen. Doch die anderen Feen, betulich in Biedermeier-Gewandung, neiden dieser Verbindung das Glück und intrigieren mit Hilfe von sterblichen Menschen dagegen. Der – die Oper immer noch von der Couch aus durchbuchstabierende – Gatte wird aber auch im Königreich von Tramond gebraucht, wo seine Schwester Lora angeblich von Feinden belagert ist.

Viel Aufwand, und fast alles schon da

Diese unterschiedlichen Welten werden durch massiven Einsatz der Bühnentechnik geschaffen, aus dem Bürgerhaus weitet sich die Landschaft in eine grüne Idylle, dann engt die Fassade den Traum wieder ein, öffnet sich schaufensterhaft für Ausblicke in die tramondische Ritterwelt und gibt irgendwann nach langem Aushalten den Schlusspunkt dieser szenischen Übertragung.

Ebenso, wie sich in Wagners Musik Anklänge an Vorbilder wie Mozart und Beethoven finden, die gewürzt sind mit einigen Prisen späterer Opernideen („Rienzi“, „Holländer“ und „Lohengrin“ lassen hier und da grüßen), ist auch die verquere Handlung von einigem Mix aus der Schauderwelt der Romantik gefüllt. Da wird ge- und verzaubert, ein verbotener Fluch dramaturgisch so eingeführt, dass er selbstredend auch ausgestoßen werden muss, da gibt es ehrenwerte Standhaftigkeit und männliche Schwäche, die bis zum Wahnsinn Arindals gerät, als Ada seinetwegen in einen Stein verwandelt wird. Abgründe, bebildert mit dem Blick in einen Fahrstuhlschacht. Doch der Held wäre nicht Held, würde er nicht sogar Erdgeister bezwingen. Religionskitsch wird aufgefahren, eine Eifersuchtsszene nimmt die Operette vorweg, Kinder gemordet, Wiederauferstehung gefeiert und selbst Richard Wagner persönlich mimt etwas mit. An Schmetterlingsflügeln schwebt der Dichter-Komponist auf die Bühne…

Das muss also ironisch gebrochen werden, hätte jedoch nicht auf Kosten der Musik geschehen dürfen. Selbst der sonst meist so prächtige Opernchor wirkte teilweise unpräpariert, leistete sich arge Zeitunterschiede zum Graben, war in den Weiten der idyllischen Landschaft mitunter kaum recht zu verstehen. Umso mehr ragte Christiane Libor als Ada heraus. Ein so geschmeidiger wie kraftvoller Sopran verdient die Unsterblichkeit wie die Liebe. Ihre zwei Hilfsfeen Farzana und Zemina bestechen mit verspielter Natürlichkeit (Jean Broekhuizen und Viktorija Kaminskaite), als königliche Schwester Lora brauchte Eun Yee You erst einigen Anlauf, um Ausstrahlung und Wohlklang zu finden. Als ihr Geliebter Morald stemmt sich Detlef Roth untadelig durch seinen Part. Gerade noch rechtzeitig ist Arindal, der Mann mit der Oper im Kopf, aus seinen Traumwelten erwacht. Eine Moral sucht man in dieser Geschichte vergebens. Aber wir lernen daraus, uns besser nicht mit Feen abzugeben.

Termine: 16., 24.2., 7., 20.4., 24.5.2013

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