Ein Derwisch, ein Feger, ein Powerpaket. Zaz macht es einem leicht – ihr zu verfallen und Gedanken an kritische Distanz oder künstlerische Abwägung fallen zu lassen. Die Neuronen des französischen Senkrechtstarters auf dem Popmarkt scheinen ununterbrochen „action“ zu feuern. Die große Bühne im Volksfestzelt beim Straubinger Bluetone-Festival bietet kaum genug Platz für die wie ein Gummiball von einer zur anderen Seite federnden, laufenden, springenden und tanzenden Sängerin.
An Energie kann sich die 32-Jährige mit Altrocker Mick Jagger in seinen besten Jahren messen. Stimmlich wird zum Vergleich immer wieder Edith Piaf angeführt. Vielleicht weil die berühmte Chansonsängerin – deren Geburtstag sich bald zum 100. Mal jährt – ebenfalls Erfahrungen als Straßensängerin und eine ähnlich volltönen-de, kraftvolle Stimme hatte, damit aber ganz anders modulierte und Vibrato einsetzte. Zudem sang Zaz auch ein Programm mit „Greatest Hits“ vom „Spatz von Paris“.
Neben der kräftig angerauhten Altstimme ist es Zaz` unbekümmerter Charme und ihre überwältigende Ausstrahlung, die ein wenig in Hintergrund treten lassen, dass ihre leichtfüßigen Lieder eher im Allgemeinen verhaftet, nur an der Oberfläche kratzen und wenig in die Tiefe – wie bei Patti Smith oder Landsmännin Camille – gehen. Musikalisch wandelt sie unter dem Label „Nouveau Chanson“ auf einem geräumigen Boulevard mit Retro-Charme. Wobei ihr umjubelter Auftritt auf dem Festplatz in Straubing, auf dem wenig später die geschmacklosesten Pophits beim traditionsreichen Gäubodenfest im Dauerbetrieb dröhnen, eine deutlich breiter aufgestellte Künstlerin zum Vorschein brachte, als die bisherigen Alben vermuten lassen.
Natürlich dominierten auch hier ihre gold- und platinveredelten Hits „Je veux“, „Ich will (Liebe, Freude und gute Laune, nicht dein Geld“… na ja, wer's glaubt!), „Le long de la route“ und „Les passants“ und wurden mit Mitsinglust und sympathischen Spielchen gefeiert. Dazwischen aber kam mit kurzen orgiastischen Instrumentalausbrüchen, von Zaz beherzt scattend begleitet, und deftigen Rockattacken, die auch an der Grenze zum Heavy Metal schrammten, musikalisch-emotionale Seiten zum Vorschein, die von der swingbetonten Eingängigkeit ihrer Chansons verdeckt sind. Wenn sie ein Intro, wirkungsvoll in blaues Licht getaucht, mit Klangschalen gestaltet, dockt sie an feminine Zeitgeisterscheinungen einerseits und experimentelle Popentwicklungen auf der andere Seite an, wie sie einst von Björk & Co. vorangetrieben worden sind.
Zaz verfügt über leicht belegte, kräftige Stimme, die sie in der Höhe enorm ausreizen kann. Selbst Schreien und überbordendes Toben nutzt sie extensiv und lustvoll als Mittel stimmlichen Ausdrucks. Und sie kann improvisieren, gekonnt phrasieren und erzielt damit immer wieder rhythmische Spannung, wie sie alle große Jazzsängerinnen und auch einer Janis Joplin zu eigen war und ist. Insofern nimmt die rast- und ruhelose Sängerin bei aller Mainstreamorientierung im aktuellen Popgeschehen eine bemerkenswerte Stellung ein. Ihrem stürmischen und überschäumend fröhlichen Temperament haftet bei aller aufrichtigen Bewunderung aber auch etwas Beängstigendes an.
Hier scheint ein riesiges künstlerisches Talent auf beiden Seiten zu brennen und die Befürchtung liegt nahe, dass durch eine gnadenlose Showindustrie ein solch kreatives Powerpaket auch verheizt werden kann. Ihre weitere Entwicklung wird zeigen, ob Zaz das Potential hat, dieser Herausforderung standzuhalten. Zu wünschen ist es ihr allemal.