Hauptrubrik
Banner Full-Size

Un-Souverän?

Publikationsdatum
Body

Der Kraftaustausch des Energie-Trios Kultur – Wirtschaft – Politik zeichnete sich in unserer Gesellschaft fast traditionell durch hohe temporäre Spannungs-Schwankungen aus. Mal sprühten die Funken, mal flogen die Fetzen. Was die soziale Hackordnung betrifft, belegen die Musen nun immer stabiler den dritten Platz. In der zunehmend elektronischen Flipperkiste unserer durch Spot- und Highlights ausgeleuchteten Sozietät kommt ihnen die Rolle des Spielballes zu. Verbal geschätzt, real gerupft wird die Musen-Haut zwangsläufig dünn. Hin und hergeschussert zwischen Bund und Ländern, zwischen Mäzenen und Sponsoren, zwischen Selbstbewusstsein und Minderwertigkeitskomplex stellt sich ein gewisser Identitätsverlust ein.

Zwar versuchen unter dem Siegel der Vernunft seit Jahren kluge Köpfe aller Sparten im Rahmen zahlloser Symposien Brücken über die Klüfte zu schlagen. Nachdem sich die zivilgesellschaftliche Balance realistisch betrachtet zur überwiegend materiellen Bewertung der Gesamtsituation verschoben hat, wirkt solcher „Austausch“ wie das alte Wipp-Spiel auf dem Kinderspielplatz: Zwei Fette lassen das scheinbar Leichte hoch in der Luft „verhungern“.

Genau in dieses unausgewuchtete Kraftfeld ist – nach Überwindung seiner Insolvenz – der Deutsche Musikrat geraten. Was als heilsames Rezept gedacht war – die Aufteilung in eine wirtschaftlich solide „handlebare“ Projekt-GmbH und einen konzeptionell und kulturpolitisch wirksamen Verein – das erweist sich jetzt als schwerverdauliches Menu.

Mit Norbert Pietrangeli übernahm ein offensichtlich hochkompetenter, engagierter Geschäftsführer die kaufmännische Leitung der Projekt-GmbH. Ihm soll nun eine künstlerische Geschäftsführung zur Seite gestellt werden, eine ausgewiesen eigenständige Persönlichkeit des Musiklebens. Klingt vernünftig, aber: Beide Geschäftsführer sind nur dem Aufsichtsrat berichtspflichtig, der zu sieben Zwölfteln numerisch vom Musikratspräsidium, also einem Organ des Vereins, majorisiert werden könnte. Fakt ist, dass dieses Gremium aus vielen Gründen kaum zum Unisono-Gesang taugt – und die Freiheit von GmbH-Geschäftsführern in Anbetracht ihrer persönlichen materiellen Verantwortung zu Recht sehr weit reicht. Und Fakt ist auch, dass man den gewichtigen Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden – sei es aus Dank für die Rettung des Musikrates, sei es aus vorauseilendem Gehorsam – dem Vertreter eines geldgebenden Ministeriums angedient hat. Der nahm dankbar an und generierte so einen mutmaßlichen Erbhof, dessen von Musikratspräsident Martin Maria Krüger fürs Jahresende angekündigte Abschaffung verlustreichen Kampf bedeuten könnte.

Schwerer wiegend allerdings die Frage: Wo bleiben die zivilgesellschaftlichen Kräfte in diesem Einfluss-Feld mit ihrer fachlichen Kompetenz, mit ihrem unabhängigen innovativen Potenzial? Können im Rahmen der vorhandenen Konstruktion Ideen, Vorschläge, Pläne des eigentlichen Musikrats-Souveräns, der in der Generalversammlung vertretenen Verbände, wirklich wirksam und kraftvoll in die Arbeit der teils dringend reformbedürftigen Projekte innerhalb der GmbH transferiert werden? Einem Versuch der Landesmusikräte, solch ein Wegerecht satzungstechnisch via Aufsichtsrat und Geschäftsordnung festzuschreiben, mag man nicht allzuviel Kraft zubilligen. Sehr bedenklich stimmt, dass Präsident Krüger einen Antrag aus der Generalversammlung unter Rücktrittsdrohung ins Startloch zurücktrieb, der die pädagogisch-künstlerische Zuständigkeit klar dem Souverän zugeordnet hätte. Warum liegt ihm so viel an der Abkoppelung? Antworten – vielleicht – bei der notwendigen außerordentlichen Generalversammlung am 21. Januar kommenden Jahres in Mannheim.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!