Zweimal Oper, Jazz und Experimentelles: Bei unseren neuen Streaming-Tipps geht es um „innere Dämonen“, die Christof Loy anhand von Webers „Euryanthe“ untersucht, einen Schlagzeuger, der vom Garten ans Set zurückgefunden hat, eine Hexe und einen Mönch im Instrumentenmuseum und „musikalisches Immobilien-Infotainment“ aus Neukölln. Es ist des Lernens kein Ende. [jmk]
Ab 18. September
Theater an der Wien: Carl Maria von Weber – Euryanthe
Videostream on demand bei Operavision ab 18.9 2020 für drei Monate verfügbar
Carl Maria von Webers „Euryanthe“ hat es auf den Bühnen deutlich schwerer als der „Freischütz“. Dabei kann man das Werk getrost als Vorläufer von Wagners Gesamtkunstwerk ansehen. Mit einem szenischen Anwalt wie dem Regisseur Christof Loy ist man dennoch gut beraten. Der verlegt die romantische Ritteroper (1823) in einen bürgerlichen Salon der Marke Johannes Leiacker und raus kommt ein ästhetisches, in sich stringentes und hochpräzises Kammerspiel, bei dem vor allem Obsessionen, psychologischen Befindlichkeiten und den Auswirkung von fiesen Intrigen nachgespürt wird. Und siehe da: bei dieser Art von Vergegenwärtigung stellt sich heraus, dass patriarchalischen Strukturen immer noch ziemlich bestimmend sind.
Das dunkle Paar im Stück (muss Verwandtschaft von Ortrud und Telramund aus Wagners „Lohengrin“ sein), intrigiert sogar einen zumindest moralischen „Ehrenmord“ auf der Seite der verleumdeten weiblichen Unschuld herbei.
So präzise wie hier gespielt wird, wird vom Radio Symphonie Orchester Wien unter Leitung von Constantin Trinks auch musiziert und von den Protagonisten und dem Arnold Schoenberg Chor auch gesungen. So packend wie Andrew Foster-Williams als Bösewicht Lysiart und die auch darstellerisch fulminante Therese Kronthaler als seine Eglantine die Finsterlinge verkörpern, so anrührend leidet Jacquelyn Wagner als Euryanthe mit ihrem blühenden Sopran unter der Verleumdung. An ihrer Seite findet auch Norman Reinhardt überzeugend in die Rolle des wider Willen getriebenen Adolar.
Diese Inszenierung von Webers Meisterwerk im Schatten des „Freischütz“ gehört zu den Glanzleistungen des Theaters an der Wien in den letzten Jahren, in denen es dem Haus immer wieder gelang, den Operntanker am Ring flott zu überholen. Neben der Oper gibt es unter der Überschrift „The demons inside us“ auch ein (englisch geführtes) Interview mit dem Regisseur Christof Loy.
[Joachim Lange]
19. September
Jack DeJohnette, Don Byron & Matt Garrison: Stream from Home
Samstag, 19.9.2020, 17.00 Uhr (New York) / 23.00 Uhr (Germany)
Live-Videostream über die Website von ShapeShifter
Jazzer*innen muss man nicht erklären, wer diese drei Personen sind – sie sind musikalische Institutionen. Sie geben also ein Konzert über das Netz (Schlagzeug, elektrischer Bass und Klarinetten) nach langer Pause. Über Facebookeinträge konnte man in der Zwischenzeit Jack DeJohnette als Gärtnerinnen-Ehemann beim Jäten zusehen. Nun darf man gespannt sein, wie das Trio sich über den Stream macht. Ich kann mir vorstellen, es wird eine Hommage an den jüngst verstorbenen Bassisten Gary Peacock werden. Mindestens 20 Dollar werden fällig, will man daran teilhaben.
[Martin Hufner]
24. September
WITCH’N’MONK EXTENDED & LUX:NM
Donnerstag, 24.9.2020, 20:00 Uhr
Live-Videostream auf YouTube
Witch’n’Monk, das sind der kolumbianische Flötist Mauricio Velasierra und die britische Sängerin und Gitarristin Heidi Heidelberg, deren Aktivitäten man als sympathisch angeschrägten Experimental-Pop beschreiben könnte. In Ensemble-Arrangements von Stücken ihres neuen Albums spielt das Duo am 24. September im Musikinstrumenten-Museum der Philharmonie Berlin live mit einem üppig besetzten Ensemble LUX:NM. Auf deren YouTube-Kanal gilt es dann per Live-Stream die angekündigte Mischung aus zeitgenössischer Musik, lateinamerikanischer „Folktronica“ und experimentellem Jazz zu erkunden. Video Scores von Florian Japp dienen darüber hinaus als Grundlage gemeinsamer Improvisationen und Kollektivkompositionen. Angesichts der offenkundigen Energiepotenziale beider Formationen scheint gediegene Langeweile ausgeschlossen!
[Dirk Wieschollek]
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Jumu open - die neue Kategorie bei „Jugend musiziert“
Mitte September findet nun wieder die WESPE statt, der Sonderpreis von „Jugend musiziert“, der die Auseinandersetzung mit noch nicht aufgeführten, weniger bekannten oder besonders schwierig zu interpretierenden Werken fördert. Und 2021 wird es dann voraussichtlich auch wieder einen regulären Bundeswettbewerb geben. Eine neue und ganz besondere Kategorie wird dann erstmals mit „Jumu open“ dabei sein. Was es damit auf sich hat, verrät der kleine Beitrag der einige „Pioniere“ in dieser Rubrik zu Wort kommen lässt. Ein Video von nmzMedia.
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Bis auf weiteres verfügbar
„Opera for Sale“ und „Save the last Kiez“ – zwei digitale Projekte der Neuköllner Oper
Videostreams on demand auf der Homepage der Neuköllner Oper: Opera for sale und Save the last Kiez
Zwei Projekte der Neuköllner Oper sind Teil der Veranstaltungsreihe Reboot Berlin. Die bereits abgedrehte Webserie „Opera for Sale“ basiert auf dem gleichnamigen Bühnenstück und wurde bereits vollständig auf YouTube, Facebook und Instagram veröffentlicht. Parallel dazu erschien eine Firmenwebsite der Angel Dust Opera Neukölln. Hier wurde zunächst aus Sicht der Immobilienfirma Angel Dust erzählt. Hacker und Störmomente schleichen sich in die Website. Am Ende siegen die Widerstandskämpfer*innen im Kampf gegen das große Geld.
Für das Videoprojekt „Save the last Kiez“ wurde die Neuköllner Oper von der Aktion Karl-Marx-Straße gefördert: Dieser Zyklus brachte deren Ensembles und den durch die Auswirkungen der Pandemie umso stärker bedrohten Kiez in touch: Musiktheater mit Nachbar*innen im Dialog über Corona, Mietexplosionen und deren Einfluss auf das Miteinander. Kurze Ausschnitte aus den nächsten Produktionen fanden mit exklusiven Darbietungen statt an jenen Restaurants, Läden und Kleinstinstitutionen, die dem Quartier Neukölln die bunten und von vielen Zuzügler*innen geliebten Gesichter geben. Nach der bereits erschienenen Folge mit „Die Fleisch“ im Deutsch-Arabischen Zentrum werden in den nächsten Monaten weitere Episoden veröffentlicht.
[Roland H. Dippel]