Der Heilige Abend rückt unübersehbar näher, da helfen Beethoven und Dickens’ Weihnachtsgeschichte – jeweils in ganz eigenen Lesarten –, Augen und Ohren wach zu halten in diffizilen Zeiten. Desweiteren sorgen Ravel, Rossini, Weill und das Sonar Quartett dafür, dass Sie sich nicht wie allein im „Lonely House“ fühlen. Vierte Kerze anzünden nicht vergessen! [jmk]
19. Dezember
The Ninth Wave – Ode To Nature. Sound Art after Ludwig van Beethoven
Samstag, 19.12.2020, 20:00 Uhr, Einführungsgespräch ab 19.30 Uhr
Live-Videostream via YouTube; Trailer und Pressestimmen auf der Seite des Schwere Reiter
In diesem im März 2020 beim Spring Festival in Tokio uraufgeführten Stück bringt Stefan Winter mittels einer anspruchsvollen Verzahnung von Bildern und Tönen die Lampedusa-Tragödie von 2013 mit der Musik Beethovens zusammen. In der geräuschhaften Musik Fumio Yasudas tun sich immer wieder Beethoven-Inseln auf, die in der Besetzung zwei Klaviere (eines davon zu vier Händen, das andere improvisierend), zwei Violen, Klarinette, Bassklarinette und Perkussion Nähe und Ferne zugleich evozieren. Zusammen mit den eindringlichen Hochkant-Filmbildern (Tänzerin Aki Tsujita) ist das dem Thema entsprechend keine leichte Kost, aber hypnotisierend und stimmig. Beim Livestream aus dem Schwere Reiter München spielen u.a. Ferhan & Ferzan Önder (Klavier) sowie Kelvin Hawthorne und Klaus-Peter Werani (Viola).
[Juan Martin Koch]
Ab 20. Dezember
Teatro Piacenza und Teatro Parma: Gioachino Rossini – „Il barbiere di Siviglia“
Sonntag, 20.12.2020, 15.30 Uhr, danach als Video on demand verfügbar
Live-Videostream via Operastreaming
Die Idee entstand schon lange vor Corona. Die Emiglia Romagna versteht sich als musikintensive Heimatregion von Giuseppe Verdi und von überragenden Sängerpersönlichkeiten wie Mirella Freni und Luciano Pavarotti. Die Opernhäuser von Bologna, Piacenza, Parma, Reggio Emilia, Modena, Ferrara, Ravenna und Rimini haben sich mit der EDUNOVA-University von Modena und Reggio Emilia zu einer Streamingplattform zusammengeschlossen und senden reihum Produktionen, von denen mehrere an verschiedenen Häusern gezeigt werden. Das Projekt verdankt seine Entstehung dem Streaming-Dienst TeatroNet der Emiglia Romana, die alle Theater mit dem technischen Equipment für Live-Übertragungen und -Aufzeichnungen ausrüstete, und läuft vorerst bis 2021.
Die Inszenierung von „Il barbiere di Siviglia“ ist eine Koproduktion des Teatro Municipale di Piacenza mit dem Teatro Regio di Parma, in dem die Dekorationen angefertigt wurden. Die mit einem jungen Ensemble besetzte Aufzeichnung erfolgte Anfang Dezember 2020. Im Archiv der Website befindet sich außerdem zum Beispiel Händels „Aci, Galatea e Polifemo“ mit Giuseppina Bridelli und Raffaele Pe, die nächste Stream-Premiere findet am 30. Dezember 2020 mit Rossinis „La cenerentola“ statt.
[Roland H. Dippel]
Charles Dickens – Eine Weihnachtsgeschichte
Sonntag, 20.12.2020, 16.00 Uhr
Live-Videostream über die Website des Hinterhofsalons Köln
Der Klassiker in Uraufführung! Der Komponist und Pianist Markus W. Kropp hat die Musik zu dieser Weihnachtsgeschichte neu geschrieben. Sonja Kargel wird die etwas bearbeitete Version lesen. Das ganz findet statt im Kölner Hinterhofsalon. Man darf also gespannt sein. Wer dabei sein möchte, sollte 15 Euro oder auch gerne mehr spenden. Gleichwohl wird man auch „heimlich“ dabei sein können. „Umsonst Kultur anbieten ist natürlich semioptimal, wir hoffen daher , dass Sie einen Eintritt als ‚Spende‘ gerne zahlen.“
[Martin Hufner]
Ab 22. Dezember
Komische Oper Berlin: „Lonely House“
Dienstag, 22.12.2020, 19:00 Uhr, danach einen Monat lang verfügbar
Live-Videostream über die Theaterwebseite
Wenn es nicht so deprimierend wäre, könnte man sich daran erfreuen wie an einer dialektischen Pointe: in der Komischen Oper ist das coronabedingte Planen sozusagen bei sich selbst angekommen, denn auch der digitalen Spielplanvariante grätscht das unselige Virus – bzw. der Kampf gegen seine Verbreitung – mittlerweile schon mal dazwischen. Eigentlich war hier eine Empfehlung für die von Barrie Kosky und seiner Truppe ins Visier genommene „Die Blume von Hawaii“ vorgesehen, deren Premiere nun aber aus Sicherheitsgründen in den nächsten, hoffentlich wieder kulturfreundlicheren Dezember 2021 verschoben werden musste.
Dank der kleinen Besetzung möglich bleibt aber der Live-Stream von „Lonely House“ mit Katharine Mehrling und Barrie Kosky. Er findet am 22. Dezember um 19 Uhr statt und wird unter https://www.komische-oper-berlin.de/programm/a-z/lonely-house/ einen Monat lang abrufbar sein. Es ist eine Begegnung mit Musik Kurt Weills, die vor allem den regelmäßigen Besuchern des Kurt Weill Festes, das seine Heimatstadt Dessau zur festen Größe im Kulturkalender gemacht hat, nicht unbekannt ist. Es geht um die Musik des Emigranten, der bei seiner Flucht vor den Nazis via Frankreich schließlich in Amerika landete und dort ein erfolgreichen Musical-Lieferant für den Broadway wurde. Mehring und Kosky laden also zu einer Begegnung mit bzw. Entdeckungsreise zu einem von beiden verehrten Komponisten ein.
Aber es gibt auch noch ein paar großformatige Schmankerl aus der Zeit vor Corona. So wird Massenets „Cendrillon“, die seit Juni 2016 im im Repertoire des Hauses ist ab 20. Dezember 19.00 Uhr als On-Demand-Stream für einen Monat abrufbar sein. Der weihnachtlichen Vollständigkeit halber: ab 27.12. werden auch Offenbachs „Les Contes d‘Hoffmann“ (Hoffmanns Erzählungen) und ab 3. Januar Händels „Semele“ (beides bemerkenswerte Inszenierungen des Hausherrn!) als kostenlose Streams zur Verfügung stehen.
[Joachim Lange]
23. Dezember
Sonar Quartett: Materie (Evolution II)
Mittwoch, 23.12.2020, 20:00 Uhr
Live-Videostream via Radialsystem oder YouTube
Evolution nennt das Sonar-Quartett eine Konzertreihe, die in diversen Berliner Locations aktuelle Streichquartettkompositionen mit traditionellen Gattungsbeiträgen in Verbindung bringen wird. Am Vorweihnachtsabend gastiert die Formation im Radialsystem mit einem vielversprechenden Programm und streamt live:
Neben Verdis Streichquartett e-Moll (1873) und Samir Odeh-Tamimis „Paravolí“ (2014) darf man gespannt sein auf Laure M. Hiendl und sein/ihr String Quartet No. 1 „Tubular-Mondo“ (2018) für Streichquartett und Elektronik. Der/die Komponist*in und Performer*in wird zur fachgerechten Realisierung des Sampling selbst an den Reglern stehen. Eine Besonderheit der „Evolution“-Reihe ist die Einbeziehung improvisatorischer Praktiken: So werden Susanne Zapf (Violine), Wojciech Garbowski (Violine), Nikolaus Schlierf (Viola) und Cosima Gerhardt (Violoncello) mit „Magma“ ein selbst konzipiertes Stück aus der Taufe heben, das sich als Work-in-Progress von Aufführung zu Aufführung verändern wird und auf die „Materie“ des jeweiligen Programms Bezug nimmt. Die allgemeine Klangregie liegt in den Händen von Daniel Weingarten.
Weitere Termine der Evolution-Reihe am 21.1. im Konzerthaus, 20.4. im Berghain, 15.6. in der Musikbrauerei.
[Dirk Wieschollek]