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Gelungenes Debüt: Das neu gegründete Gstaad Festival Orchester, hier mit Solist Nikolaj Tokarev und Dirigent Maxim Vengerov. Foto: Raphael Faux
Gelungenes Debüt: Das neu gegründete Gstaad Festival Orchester, hier mit Solist Nikolaj Tokarev und Dirigent Maxim Vengerov. Foto: Raphael Faux
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Von der Lust des Beginnens: Das Menuhin Festival Gstaad präsentiert sein neues Festivalorchester

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Ja, das ist ein guter Anfang. Was wir zu hören bekommen, was wir auch sichtlich wahrnehmen, das stimmt hoffnungsvoll. Es ist nicht unwesentlich zu bemerken, dass der akustische und der optische Eindruck, den das erste Konzert des neu gegründeten Gstaad Festival Orchesters hinterlässt auch deshalb von so beflügelnder Langzeitwirkung ist, weil er unter beiden Aspekten ein so hohes Maß an positiver Energie verbreitet.

Von daher fällt es nicht schwer gerne zu hoffen, dass dieser Klangkörper, dessen Fundament eine große Gruppe von Musikern des renommierten kammerorchesterbasel bildet, zu einem so außerordentlichen wie erfolgreichen Botschafter des von Sir Yehudi Menuhin begründeten Festivals werden kann. Das erste Konzert im Rahmen des 54. Festivals gelingt mit Bravour und präsentiert die Potenzen des Klangkörpers unter der Leitung seines diesjährigen Mentors und Dirigenten Maxim Vengerov. Da es kein Residenzorchester werden soll, sondern jeweils von Gstaad aus Klang und Geist des Festivals andernorts auf einer Tournee vermitteln soll, steht schon fest dass im nächsten Jahr unter der Leitung von Kristjan Järvi ein Konzert mit amerikanischer Musik folgen wird.

Maxim Vengerov dirigiert ein fulminantes Programm als Hommage an seine russische Heimat und beginnt ausgesprochen feierlich mit der selten zu hörenden Ouvertüre „Große Russische Ostern“ von Nicolaj Rimski-Korsakov. Ein weihrauchdurchzogenes Werk von üppiger Instrumentierung, folkloristische und liturgische Motive vermischen sich in österlichem Freudenjubel. Für das Orchester eine tolle Möglichkeit die Tugenden der Instrumentengruppen einzeln und im Zusammenspiel zu präsentieren. Weitaus differenziertere Möglichkeiten dazu werden sich im Finale bieten, bei Modest Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“, instrumentiert von Maurice Ravel. Mag sein, dass der Dirigent hier deshalb sehr bewusst und exakt die einzelnen Teile des Zyklus voneinander absetzt, solistische und kammermusikalischen Passagen in sehr helles Licht setzt und unnötiges Auftrumpfen beim begeisternden Zusammenklang des Orchesters vermeidet, was am Ende aber beste Eindrücke plastischen und farbreichen Musizierens hinterlässt.
Bei Tschaikowskis bekanntem Klavierkonzert Nr. 1, b-Moll, konnte Vengerov mit den Musikern auch zur ganz großen, schwelgerischen Geste auffahren. Keine Gefahr der Sentimentalität, denn der wahrhaft satte und gediegene Streicherklang ermöglicht gefühlvolles und sinnliches Musizieren ohne die Grundierung unerlässlicher Sachlichkeit zu verlieren.

Der Solist Nikolaj Tokarev, knapp eingesprungen für den angekündigten Fazil Say, erweist sich als Glücksfall. Er hat die tänzerische Eleganz des ersten Satzes, die Verträumtheit der elegischen Passagen im zweiten und den fulminanten Gestus im virtuosen Finalsatz. Tokarevs jugendlichen Impetus ungestüm zu nennen wäre unangemessen, denn es gibt immer wieder Momente verträumten Innhaltens, eher ist sein so virtuoses wie nachdenkliches Spiel der Widerklang einer modernen, romantischen Empfindung. Das Festival Orchester als „Begleitorchester“ besteht seine Feuerprobe auf Anhieb. Als Zugabe spielt Nikolai Tokarev jazzig und virtuos, augenzwinkernd und humorvoll in einer pfiffigen Improvisation Tschaikowskis kleinen Schwänen großartig zum Tanz auf.

Im Auftrag des Festivals komponierte Daniel Schnyder sein Werk „Himmelsleiter“, das der 1960 geborene in den USA lebende Züricher eine symphonische Meditation nennt. Es ist eher ein knappes, festlich präludierendes Werk mit einer Abfolge geschickt gesetzter Crescendi, vornehmlich für das ganze Orchester. Der stufenweise Aufstieg zum lichtdurchfluteten Finale wird klangbildnerisch leicht empfindbar gestaltet und korrespondiert mit dem diesjährigen Motto des Festivals „Zwischen Himmel und Erde“.

Am Ende dann, als Verneigung vor dem musikalischen Geist des Ortes und als würdevollen Abschluss, vertauscht Maxim Vengerov den Stab des Dirigenten mit dem Bogen um mit der von ihm zu erwartenden instrumentalen Sanglichkeit Beethovens Romanze op. 50 mit dem soeben ins internationale Musikleben entlassene Gstaad Festival Orchesters zu spielen.

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