Hauptbild
Unser Foto zeigt Mitglieder der Studienvorbereitenden Abteilung Musical an der Musikschule Neukölln bei ihrer fulminanten Performance. Die multikulturelle Multimedia-Collage hätte eine Wiederaufnahme verdient. Foto: Kerstin Heiderich/VdM
Unser Foto zeigt Mitglieder der Studienvorbereitenden Abteilung Musical an der Musikschule Neukölln bei ihrer fulminanten Performance. Die multikulturelle Multimedia-Collage hätte eine Wiederaufnahme verdient. Foto: Kerstin Heiderich/VdM
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Wahre Werte

Untertitel
Theo Geißlers Leitartikel zur nmz 2019/06
Publikationsdatum
Body

Berlin war im Mai dem Verband deutscher Musikschulen (ausnahmsweise besonders?) gewogen: Die Sonne bestrahlte eine höchst lebendige, musikalisch denkbar vielseitige Open-Air-Eröffnung für den Musikschulkongress. Wo Licht ist, gibt’s auch Schatten: Wie in einem – im Unterschied zum gallischen recht unfrohen – kleinen Wehrdorf, frei jeden Zaubertrankes, hatten sich matt trommelnd in einem Winkel vermutlich nichtangestellte Musiklehrerinnen und Musiklehrer versammelt, ausgestattet mit transparenten Unmutsbekundungen der besonders schlichten Art.

Es handelte sich wohl um vorwiegend sächsische DTKV-Ver­t­reter und auffallend schnell sich davon absentierende Berliner ver.di-Beobachter. Unter dem nicht unbedingt von Logik beseelten Motto „Chancengleichheit statt Altersarmut“ forderten sie für ihre Privatschulen oder als Aufbesserung ihres Salärs als Privatmusikerzieher eine an die Förderung der kommunalen Musikschulen angeglichene Bezuschussung ihrer Honorare. Auf Flugblättern ohne gültiges Impressum und auf diversen Social-Media-Seiten schlugen sie dabei einen recht rüden Ton an, der „sachlich-inhaltlich“ durchaus mit Trump-Tweets vergleichbar war. Der DTKV-Bundesverband distanzierte sich sofort vehement von der Aktion.

Ohne an der Qualität vieler freier Musikschulen und Privatmusikerzieher zweifeln zu wollen, möchte ich doch folgendes Beispiel zu bedenken geben: Als ich mich gemeinsam mit meinem Partner vor 25 Jahren mit dem ConBrio-Verlag selbstständig machte, also Unternehmer wurde, waren mir etliche Risiken nicht bewusst. Dass ich mich in die freie Wildbahn begab, für Mitarbeiter, Ideenentwicklung, Rentabilität und auch meine Altersversorgung selbst zuständig war, hielt mich von dem „Schritt in die Freiheit“ aber nicht ab. Es gab materiell harte Zeiten, in denen ich keine kommunale oder sonstige staatliche Institution um Absicherung meiner kulturell sicherlich hochwertigen Produktionen ankeilen konnte. Es erschien mir sinnlos und auch falsch, beispielsweise über Gebührenmillionen, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur Aufzucht seines üppigen digitalen Angebotes – in Konkurrenz zu meinen selbstfinanzierten Webseiten – zugeschustert wurden (und ich zahlte mit), eine Jeremiade zu starten oder wegen grober Wettbewerbsverzerrung vor den Kadi zu schreiten.

So sehr ich eine gesicherte Existenz für alle Musikpädagogen begrüße – die ungezwungene Entscheidung, diesen Beruf als Freelancer oder als Initiator und Leiter einer „freien Musikschule“  zu wagen, sollte ein erwachsener Mensch wohl reflektiert treffen können. Abgesehen davon, dass viele Musiker sich gar nicht in einem festen Anstellungsverhältnis binden wollen, sind die Aufgabenfelder aus vielen Gründen sinnvoll unterschiedlich. Und so kann ich – ohne den Privatunternehmern im Musikbereich auf die sensiblen Zehenspitzen treten zu wollen – den Satz des Berliner Kultursenators Klaus Lederer bei einem Empfang zum Musikschulkongress des VdM voll unterstützen: „Ich möchte nicht, dass aus den kommunalen Musikschulen ein Geschäftsmodell wird.“ An dieser Stelle einen materiell betonierten Konflikt vom Zaun zu brechen, beschädigt jede Werthaltung, mit der Musik wesentlich dazu beiträgt, unsere Existenz lebenswert zu machen.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!