Heute ist Welttheatertag. Rund um den Globus stehen die Bühnenkünste mal für einen Tag (oder zumindest einen Abend lang) im Zentrum. Es wird besondere Aufführungen geben, Diskussionsforen, Rabattaktionen sowie hier und da ein Tag der offenen Tür. Und danach – bleiben die Theater wieder sich selbst überlassen?
Der Welttheatertag 2014 ist wahrscheinlich nirgendwo so gründlich vorbereitet worden wie in Dresden. Die sächsische Stadt an der Elbe spielt ja sehr gern und oft recht theatralisch mit, wenn es um Welt-Theater geht. Man ist offen für Welt-Bürger, wenn sie als Touristen kommen und nach getätigtem Umsatz auch wieder verschwinden, man beruft sich noch heute als „Residenzstadt“ auf blaublütiges und dunkler gefärbtes Mitläufertum, das weltweit viel Unheil angerichtet hat, man hat hier so ziemlich alles erfunden, was in der weiten Welt schon lange zuvor verbreitet war (eine Art deutscher Sprache zum Beispiel, aber auch den Büstenhalter; immerhin der aus einem Löschblatt gefertigte Kaffeefilter gilt tatsächlich als Dresdner Erfindung).
Das jüngste Welt-Theater-Gericht
Diesmal nun stemmten fleißige Dresdner gar fast eine Welt-Theater-Woche! Am Montag schon ging es los. In der größten Semperoper der Welt wurde die kommende Spielzeit präsentiert, die eine weitere ohne Intendant oder Intendantin sein wird. Eine Vakanz, die nun schon seit Sommer 2012 anhält und sich im Alltag des Musiktheaters bemerkbar macht. Die Jahrespressekonferenz nun, auch mit Blick auf Reiseveranstalter frühzeitig angesetzt, wirkte erst einmal, als bräuchte das Haus gar keinen weiteren Chef. In trauter Runde haben Kaufmännischer Geschäftsführer und Künstlerischer Betriebsdirektor gemeinsam mit dem Ballettchef die elf Premieren der neuen Saison vorgestellt und auf weitere Höhepunkte wie Richard-Strauss-Festtage (6.-23.11.2014) verwiesen. Nachzulesen sind all diese Vorhaben in einer beinahe poppigen Broschüre, die außen auf Hochglanz rote Rosen verheißt, innen jedoch überraschend unsortiert wirkt.
Keine rote Linie
Das deckt sich mit den meisten der künstlerischen Vorhaben, denen ebenfalls keine rote Linie zu unterstellen ist. Aus lokaler Verpflichtung heraus reichlich Strauss (sogar relativ kurzfristig die Übernahme der „Arabella“ von den Salzburger Osterfestspielen), mit „Königskinder“ ein fast vergessenes Stück Humperdinck, „Das schlaue Füchslein“ als kluger Griff ins slawische Repertoire. Spannend dürften die deutsche Erstaufführung der „Nachtausgabe“ von Peter Ronnefeld (1935 in Dresden geboren, vor bald fünfzig Jahren jung verstorben) sowie die Uraufführung „Mise en abyme“ der italienischen Komponistin Lucia Ronchetti werden – beides auf die kleine Spielstätte Semper 2 verbannt. Anlässlich der 1985 erfolgten Wiedereröffnung der am 13. Februar 1945 zerstörten Semperoper soll es 2015 einen neuen „Freischütz“ geben. Webers Romantische Oper hat einen besonderen Dresden-Bezug (die letzte Vorstellung im Krieg, die erste danach, dann auch zur Neueröffnung des Hauses von Joachim Herz inszeniert), am 1. Mai 2015 soll die von Axel Köhler inszenierte und von Christian Thielemann dirigierte Premiere für alle Dresdner und deren Gäste auch live auf den Theaterplatz vorm bierseligen Opernhaus übertragen werden.
Die meisten der Neuproduktionen sollen noch auf die 2012 verstorbene Intendantin Ulrike Hessler zurückgehen. Eine Spielplanposition jedoch wurde ausdrücklich dem Doch-nicht-Intendanten Serge Dorny zugeschrieben: „Pelléas et Mélisande“ von Claude Debussy in der Handschrift des katalanischen Ensembles La Fura dels Baus sei von ihm initiiert worden. Dass der belgische Noch-Intendant im französischen Lyon zur sächsischen Premiere kommt, scheint eher fraglich.
Nicht in die Oper sondern zum Sponsor gehen wir
Der Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle war übrigens auch nicht zur Pressekonferenz der Oper erschienen. Er gab aber tags drauf sehr optimistisch den Ton an, als das Orchester eigens den Konzertplan vorgestellt hat. Nicht in der Oper, sondern beim Sponsor. Auch da klang vieles nach Strauss, einiges aber auch reichlich russisch. Christian Thielemann wird wieder Tschaikowski dirigieren (die „Pathétique“), endlich auch etwas Neues von Schostakowitsch einstudieren (das 1. Violinkonzert mit dem Solisten Nikolaj Znaider). Und das Orchester wird seine nächste Asien-Tournee via Moskau beginnen: „Gerade wenn die Politik so doof ist, muss die Kunst erst recht etwas bringen!“, so Thielemann. „Jetzt fahren wir gerade hin“, denn man müsse die Menschen dort durch Musizieren auch einfach mal glücklich machen. Bis zum Februar 2015 ist ja noch Zeit. Niemand weiß, wie sich die Politik bis dahin entwickelt.
Deutliche Bezüge in diese geopolitische Richtung weisen allerdings die für die neue Saison erkorenen Künstler auf, die als Capell-Compositrice und Capell-Virtuos nach Dresden verpflichtet worden sind. Mit Sofia Gubaidulina und Gidon Kremer sind zwei einander eng verbundene Persönlichkeiten gewählt worden, die den Konzertplan mit herausragenden Positionen bereichern. Die aus dem tatarischen Tschistopol stammende Komponistin wird ein neues Werk für Chor und Orchester uraufführen lassen, der lettische Geiger interpretiert unter anderem das 1981 erstmals von ihm aufgeführte Violinkonzert „Offertorium“.
Die Causa Dorny
Wer nun noch immer den Intendanten erwartet hat, der musste sich auf den jüngsten Tag vorm Welt-Theater vertrösten lassen. Da gab es schon früh ein weiteres Pressegespräch in Dresdens Societaetstheater, das sich beinahe ausdrücklich der Heimat von Serge Dorny widmete: „Szene Flandern“. Ein Zufall? Wenn ja, dann ein sehr schöner. Drei Stunden später stand freilich die von der Presse wesentlich stärker beachtete erste Verhandlung der Causa Dorny vorm Arbeitsgericht Dresden an. Es sollte ein Gütetermin werden. Doch der prozessbevollmächtigte Anwalt des Freistaats wollte für den Vergleich den 1,5 Millionen Euro schweren Fünf-Jahres-Vertrag Serge Dornys gar nicht erst einbeziehen, sondern nur den Vorvertrag für diese Amtszeit. Dieser aber sollte mit nur 55.000 bis 60.000 Euro versilbert werden, auf diese Summe würde sich der Freistaat einlassen und bot knapp fünfzig Prozent als Vergleichsbasis an.
Die Entgegnung von Dornys Prozessbeauftragtem war kurz und bündig: „Man kann einen Vergleich auch dadurch torpedieren, indem man Angebote unterbreitet, die inakzeptabel sind.“ Das saß und wurde auch vom Richter verstanden.
Der Vergleich war damit gescheitert, als Streittermin wurde umgehend der 1. September anberaumt. Das ist mal kein Theater-, sondern der Weltfriedenstag. Mal sehen, ob dieser Titel was taugt.