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Wie einmal aus dem „Fluch der Karibik“ ein schrecklicher „Fluch der Ägäis“ wurde: Theo Geißlers Kurz-Schluss

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Als frischgebackener Kultursicherheits-Assistent bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt habe ich in meinem Besenkammer-Büro viel Zeit, über die wahren Hintergründe der Euro-Krise nachzudenken. Weil aber Denken bekanntlich nicht meine Starke ist, stürze ich mich auf gründliche Internet-Recherche, wobei mir diverse BND-Trojaner und Passwort-Cracker aus guten alten Innenministeriums-Zeiten recht behilflich sind. [aus politik & kultur 2-2012]

Wie gesagt bin ich dazu verdonnert, in Feldern zu forschen, die Bankern normalerweise am Gesäß vorbeizischen. Dabei stieß ich im Kontext einer routinemäßigen ACTA -Durchleuchtung auf einige sehr beunruhigende Phänomene.

Hintergrund dieser Gesetzesinitiative ist ja in erster Linie der Schutz vor Produktpiraterie vor allem im industriellen Bereich – verbunden mit einer findigen Schnüffel-Software, die räuberische Netzies juristisch verfolgbar macht. Ein Segen vor allem auch für die Kulturindustrie, besonders die Filmwirtschaft, die bekanntlich wegen illegaler Download-Plattformen ganz elend darbt. Anhand einiger Schlagwörter landete ich auf den Trailer-Seiten großer und etwas kleinerer Companies. Und fand dort erschreckende Blockbuster-Beispiele für grundgesetzwidrige Bewusstseins-Manipulation mit erheblichem terroristischem Potenzial. Streifen wie „Robin Hood“, „Gegen alle Flaggen“, „Freibeuter der Meere“ oder –jüngst die vier Folgen von Fluch der Karibik“ mit Johnny Depp – transportieren ideologisch eine Enteignungsmentalitat, die an den Grundfesten unserer sozialen Marktwirtschaft rüttelt.

Demontiert die Kulturindustrie ihr eigenes Geschäftsfeld? Ist sie mittlerweile fest in chinesischer Hand? Gar in iranischer, oder in den Fängen unbelehrbarer altlinker Möchtegern-Intellektueller, die sich nach Vorwende- DEFA-Zeiten zurücksehnen? Gespenstisch. Am Rande fand ich selbst in unserer ansonsten doch stockbraven „ZEIT“ auch noch einen fetten Vierspalter, in dem ein 40-jähriger überzeugter Raubkopierer als heldenhafter Kampfer wider die „Content-Mafia“ aufgeplustert wurde. Bestürzend. Doch damit nicht genug.

Dank eines bangen Geistesblitzes begann ich, die Programme griechischer Fernsehsender und Lichtspielhauser zu durchforsten. Mein Verdacht bestätigte sich aufs Grausigste: Abgesehen von einem hellenischen Serien-Derivat von „Goodbye Deutschland – Die Auswanderer“ seit einem halben Jahr nur „Fluch der Karibik 1 bis 4“ – und überraschend viele Somalia-Dokus mit eindeutig piratenfreundlicher Tendenz. Flugs brach ich in den Pentagon-Zentralrechner ein und besorgte mir aktuelle Satellitenfotos griechischer Hafen. Ein Abgrund tat sich auf: Einst schmucke, weise Milliardärs-Yachten jetzt umgespritzt in Tarnfarben. Versehen mit seltsamen Aufbauten, eindeutig Raketenwerfer und Radarkuppeln. Scheints harmlose Kaikis, aus deren Bug plötzlich bedrohliche Torpedorohre ragen. Tanker, deren Deck von allen sonstigen Aufbauten befreit als Flugzeugträger dienen. Und eine verdächtige Konzentration (natürlich unbezahlter) brandneuer U-Boote aus der Kieler Howaldts-Werft vor der Küste von Lesbos.

Hochalarm! Sofort entwickle ich ein Krisen-Szenario. Als Rache für die Euro-Repressionen verwandelt sich das hoch nautik-affine griechische Volk in eine Armee von Freibeutern, die alle Mittelmeerküsten unsicher machen, den Suez-Kanal blockieren und mit ihrer fetten Beute flugs alle Schulden tilgen. Auch ein – natürlich kulturhaltiges – Rettungskonzept liefere ich mit: In das Repressions-Paket der EU zwecks Bewältigung der Griechenland-Krise wird die Verpflichtung gepackt, ein halbes Jahr über alle Kanale und Leinwände nur noch „Alexis Sorbas“ flimmern zu lassen, damit sich der gemeine Hellene auf alte Tugenden zurückbesinnt:  das Tanzen und Lachen im Angesicht des höchstpersönlichen wirtschaftlichen Zusammenbruchs.

Prompt platziere ich diese Infos mithilfe meines Schäuble-Wurms auf allen Rechnern der EZB. Die vernichtende Antwort folgte binnen Minuten: Ob ich denn nicht wisse, dass der Pentagon-Zentralrechner aufgrund der klammen amerikanischen Finanzlage langst an die Universal-Studios vermietet sei. Ich wäre unberechtigt in den streng geheimen Plot des jüngsten Spielberg-Thrillers eingedrungen. Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe hatte ich persönlich zu begleichen. Mein Arbeitsplatz sei ohne Mitnahme jedweder Unterlagen binnen drei Minuten zu räumen. Ich will aufstehen, gehorchen, da fliegt schon die Tür auf. Weil mein Zimmer so klein ist, streift mich der Rammbock des Sondereinsatz-Kommandos am Kopf. Plötzlich ist alles so dunkel…

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