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Das Dresdner Rektoratskollegium: Prof. Ekkehard Klemm, Prof. Elisabeth Holmer, Prof. Andreas Baumann und Peter Neuner (v.l.n.r.). Foto: Hochschule
Das Dresdner Rektoratskollegium: Prof. Ekkehard Klemm, Prof. Elisabeth Holmer, Prof. Andreas Baumann und Peter Neuner (v.l.n.r.). Foto: Hochschule
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Zukunftsfähigkeit im Blick: Dresdens Musikhochschulrektor Ekkehard Klemm zieht eine erste Bilanz

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Ekkehard Klemm ist seit 100 Tagen Rektor der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden. Der Dirigent und Komponist hat den Beginn seiner Amtszeit jetzt einer ersten Bilanz unterzogen, vor allem aber blickt er nach vor. Das bedeutet bei dem 1948 geborenen Professor: weit nach vorn. Und es bezieht andere künstlerische Institutionen der sächsischen Landeshauptstadt unbedingt mit ein.

Verantwortung, Vernetzung, Vorreiterrolle – mit solchen Worten meint Ekkehard Klemm keine Phrasen, sondern Inhalte. Der „neue“ Rektor der Dresdner Musikhochschule – er kennt die Bildungseinrichtung nicht erst seit seiner Berufung, sondern hat, wo er vor gut dreißig Jahren selbst einmal studierte, seit 2003 eine Professur für Dirigieren inne – weiß um seine Verantwortung für den studentischen Nachwuchs sowie für die Qualität und den Ruf seiner Institution. Der einstige Chefdirigent des Theaters Vorpommern und heutige Gastdirigent des Münchner Gärtnerplatztheaters, seit 2004 zudem Leiter der Dresdner Singakademie, er versteht sich als Teil eines Ganzen und sucht in der Kulturstadt Dresden feste Bindeglieder zwischen Lehre und Praxis. Der äußeren Bedingungen scheint er sich bewusst, sieht angesichts von Sparbeschlüssen des Freistaats den Zwang, die seit mehr als 150 Jahren bestehende Lehreinrichtung innovativ in die Zukunft zu lenken, was bei ihm auch Zukunftsfähigkeit meint.

Zum anstehenden Termin der ersten 100 Tage als Rektor präsentierte er zwar faktenreich das Hochschul-Jahrbuch 2010, blickte ansonsten aber nicht lang zurück, sondern vor allem nach vorn. In nur 100 Tagen kann Enormes geschehen: Klemms Konzerte mit dem Hochschulorchester zum Schumann-Jahr etwa wurden in Dresden, Köln und Leipzig gefeiert. Die Eröffnung des neuen Schulgebäudes des zur Hochschule gehörenden Sächsischen Landesgymnasium für Musik brachte für für 150 Schülerinnen und Schüler, mithin die potentiellen Studiosi der Zukunft, endlich sinnvolle Verbesserungen.

Zu Klemms feierlicher Investitur musizierten Lehrkräfte gemeinsam mit Auszubildenden, erklangen Werke aus Klassik, Jazz und Moderne, steuerte der Rektor unter dem bildungspolitisch beziehungsreichen Titel „Master Schumann“ eine launige Rede zum Jubilar bei. Die Premiere von Glucks Reformoper „Orpheus und Eurydike“ testete die Synergien aller drei Dresdner Kunsthochschulen im Kleinen Haus des Staatsschauspiels, also mit einem etablierten Partner. Ein mit der Ehrendoktorwürde für den Komponisten Helmut Lachenmann verbundenes Festival aus Anlass von dessen 75. Geburtstag gab sich „Berührt von Musik“. Die Professorenschaft der Hochschule ist insgesamt noch internationaler geworden. Und nicht zuletzt kommt mit „Musik aus Dresden“ eine CD heraus, die „Avantgarde 1846 und 2010“ vereint, indem sie Schumanns Zweite Sinfonie einer Uraufführung von Friedrich Schenkers gegenüberstellt. Dessen „12 Charakterstücke für jugendliches Orchester“ sollte als heutige Resonanz auf die Moderne von einst verstanden sein.

Zukunftspotential mit „Leuchtturmprofessoren“

All diese Rückblicke sind für Ekkehard Klemm ein Ausblick mit Potential für die Zukunft. Das Hochschulorchester unter seiner Leitung mit Tradition und Moderne musizieren und die CD einspielen zu lassen, zeugt vom Reifegrad aller Mitwirkenden. Die „Leuchtturmprofessoren“, zu denen seit jüngstem neben Trompeter Till Brönner auch der Schlagzeuger Sebastian Merk und der Saxofonist Finn Wiesner für die Jazzklasse sowie der von den Wiener Philharmonikern kommende Kontrabassist Jerzy Dybal im Klassikfach zählen, sorgen für weiteren Zuspruch durch eine internationale Studentenschaft. Bewerbungen aus aller Welt sind als Zeichen positiver Ausstrahlung zu sehen. Da Klemm in den meisten Fachklassen vor allem das Interesse von Bewerberinnen sieht, betont er gern: „Die Zukunft der Musik ist weiblich!“ Unabhängig von Geschlechtsfragen ist der Rektor jedoch überzeugt: „Wer diesen Weg vom Landesgymnasium über unsere Musikhochschule durchläuft und sich da positiv hervortut, hat im künstlerischen Berufsleben alle Chancen.“

Darin sieht er den Schwerpunkt seiner Leitungstätigkeit, deshalb übertrug er auch Steffen Leißner für die kommenden fünf Jahre seine Dirigierprofessur. Denn Ekkehard Klemms sonstige Vorhaben – neben Dirigat, Lehre und Rektorat auch Komposition – sind beachtlich. So sollen in einem künftigen Institut für Orchester- und Ensembleentwicklung Sächsische Staatskapelle und Dresdner Philharmonie sowie das Europäische Zentrum der Künste Hellerau gemeinsam mit Musikhochschule und Institutionen der freien Szene zusammenwirken, um den Studierenden im Bachelor- und Master-Studiengang Praxisbezug mit Spitzenensembles zu bieten. Orchesterakademien beider Orchester sowie die Akademie Hellerau geben ihren jeweiligen Stipendiaten Gelegenheit, Karriere und Berufserfahrungen mit einem Master-Abschluss zu verbinden. Klemm will die bisher einjährige Zeit dafür auf zwei Jahre strecken, um sowohl soziale Sicherheiten als auch qualitätsvolles Studieren zu ermöglichen, hier übernehme die HfM eine Vorreiterfunktion, wie er sagt. Für die oft beklagten Ausbildungslücken in Dramaturgie und Orchestermanagement sollen innovative Studiengänge entwickelt und umgesetzt werden, angeregt werde zudem, die Pflege Neuer Musik auch nach Auslaufen der Bundesförderung als stetigen Prozess mit Praxisbezug fortzusetzen.

„Willkommen am Wettiner Platz – wir sind schon da!“

Neben so handfesten und im musischen Bildungskanon hoffnungsvoll klingenden Plänen wirkt eine weitere Idee Ekkehard Klemms schier visionär, doch er hält es tatsächlich für möglich, aus einem kommunalen Streitfall ein positives Ergebnis nicht nur für alle bislang daran beteiligten Seiten, sondern obendrein für die Hochschule zu ziehen. Das ehemalige Heizwerk Mitte am Wettiner Platz, eine Industrieruine schräg vis-à-vis der HfM, ist nach ortstypisch langem Hin und Her endlich als künftig gemeinsame Spielstätte von Staatsoperette und Theater der Jungen Generation vorgesehen. Klemm schwant darüber hinaus, das Ganze als Kulturareal zu gestalten, in dem neben Operette und Jugendtheater auch Erprobungsstätten der Hochschüler etabliert werden. Er wolle die künftigen Partner gerne empfangen: „Willkommen am Wettiner Platz – wir sind schon da!“

Erst einmal müsse jedoch, und da ist Ekkehard Klemm wieder ganz in der bildungspolitischen Realität angekommen, die „unbefriedigende Situation des im Vergleich mit anderen Hochschulen finanziellen Ungleichgewichts“ bereinigt werden. Denn mit Bologna und anderen Reformen seien in vier Bachelor-Jahren nun Inhalte aus zuvor fünf Diplom-Jahren komprimiert, was erheblichen Mehraufwand schaffe. Als Rektor trage er schließlich Verantwortung für knapp 600 Studenten und obendrein für die 150 Gymnasiasten.

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