BGH: Verhandlungstermin am 1. Juni 2023 – Zur Zulässigkeit des Tonträger-Samplings. Es geht in die nächste Runde. Metall auf Metall. Der Rechtsstreit geht in die 11. Runde seit 2004. Wir haben diesen regelmäßig verfolgt. Bewerten können wir ihn nicht, wie auch, wenn es zuvor 10 Entscheidungen über die rechtliche Bewertung des Samplings geht zu einem Stück aus dem Jahr 1977. Der gesamte Vorgang ist komplex, weil unterschiedliche Rechtsvorschriften zu verschiedenen Zeiten zu berücksichtigen sind. Jetzt geht es nur noch um die Zeit nach dem 7. Juni 2021. Die Frage nun: Pastiche oder Nicht-Pastiche?
Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat erneut über die Verletzung der Rechte des Tonträgerherstellers durch Sampling zu entscheiden.
Sachverhalt:
Der Kläger zu 1 und der inzwischen verstorbene Kläger zu 2 waren Mitglieder der Musikgruppe „Kraftwerk“. Diese veröffentlichte im Jahr 1977 einen Tonträger, auf dem sich das Musikstück „Metall auf Metall“ befindet. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die Komponisten des Titels „Nur mir“, den die Beklagte zu 1 mit der Sängerin Sabrina Setlur auf im Jahr 1997 erschienenen Tonträgern einspielte. Zur Herstellung des Titels hatten die Beklagten zwei Sekunden einer Rhythmussequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ elektronisch kopiert („gesampelt“) und dem Titel „Nur mir“ in fortlaufender Wiederholung unterlegt.
Die Kläger sahen dadurch ihre Rechte als Tonträgerhersteller verletzt. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zweck der Vernichtung in Anspruch genommen. Für den verstorbenen Kläger zu 2 wird der Rechtsstreit von dessen Rechtsnachfolger fortgeführt.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung vom 20. November 2008). Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten wiederum zurückgewiesen. Die erneute Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Revisionsurteile und das zweite Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Dieser hat daraufhin dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums vorgelegt, die der Gerichtshof mit Urteil vom 29. Juli 2019 beantwortet hat. Der Bundesgerichtshof hat daraufhin das erste Berufungsurteil aufgehoben und die Sache erneut an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung vom 30. April 2020).
Das Oberlandesgericht hat der Klage nunmehr im Hinblick auf die auf Auskunft, Vernichtung und Schadensersatz gerichteten Ansprüche der Kläger im Zeitraum vom 22. Dezember 2002 bis zum 7. Juni 2021 stattgegeben und die Klage für die Zeiträume davor und danach abgewiesen. Es hat die Revision für die Kläger zugelassen, jedoch nur im Hinblick auf die Abweisung der Klage für den Zeitraum nach dem 7. Juni 2021, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 51a Satz 1 UrhG, mit dem Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG ins deutsche Recht umgesetzt worden ist. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Vervielfältigung der Sequenz aus „Metall auf Metall“ und ihre Überführung in ein eigenständiges neues Werk im Wege des Sampling sei nach dieser Vorschrift als „Pastiche“ zulässig. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihre bisher gestellten Anträge für den Zeitraum nach dem 7. Juni 2021 weiter.
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 51a Satz 1 UrhG:
Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches.
Art. 5 Abs. 3 Buchst. k Richtlinie 2001/29/EG:
Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die in den Artikeln 2 und 3 vorgesehenen Rechte vorsehen: …
k) für die Nutzung zum Zwecke von Karikaturen, Parodien oder Pastiches;
Vorinstanzen:
- LG Hamburg – Urteil vom 8. Oktober 2004 – 308 O 90/99, juris
- OLG Hamburg – Urteil vom 7. Juni 2006 – 5 U 48/05, GRUR-RR 2007, 3
- BGH – Urteil vom 20. November 2008 – I ZR 112/06, GRUR 2009, 403 = WRP 2009, 308 – Metall auf Metall I
- OLG Hamburg – Urteil vom 17. August 2011 – 5 U 48/05, GRUR-RR 2011, 396
- BGH – Urteil vom 13. Dezember 2012 – I ZR 182/11, GRUR 2013, 614 = WRP 2013, 804 – Metall auf Metall II
- BVerfG – Urteil vom 31. Mai 2016 – 1 BvR 1585/13, BVerfGE 142, 74
- BGH – Beschluss vom 1. Juni 2017 – I ZR 115/16, GRUR 2017, 895 = WRP 2017, 1114 – Metall auf Metall III
- EuGH – Urteil vom 29. Juli 2019 – C-476/17, GRUR 2019, 929 = WRP 2019, 1156 – Pelham u.a.
- BGH – Urteil vom 30. April 2020 – I ZR 115/16, GRUR 2020, 843 = WRP 2020, 1033 – Metall auf Metall IV
- OLG Hamburg – Urteil vom 28. April 2022 – 5 U 48/05, GRUR 2022, 1217