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Das Urheberrecht kann nur Gehilfe sein

Untertitel
Eine radikale Neubestimmung der gesellschaftlichen Bedeutung von Kunst tut not
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Nun wird schon seit Jahren an der Verfeinerung des Urheberrechts gearbeitet. Körbeweise werden neue Regelungen und Präzisierungen ins Urheberrecht eingearbeitet. Das alles findet im deutschen Recht statt, welches außerdem mit dem europäischen harmonisiert werden muss. Eine schwere Arbeit. Alles soll ja auch passen und alle Interessengruppen, von den Herstellern, der Verbreitern bis zu den Nutzern sollen nach Möglichkeit adäquat berücksichtigt werden. Es geht seinen Gang, streitbar und mit Abstrichen einvernehmlich im Ergebnis. Jetzt sind von der Piratenpartei und den GRÜNEN jedoch neue Steine in den Weg gerollt worden; für manche türmen sie sich vorderhand zu einer massiven Mauer auf, die auf die Urheber zu fallen drohe.

So sollte die Dauer von Schutzfristen zur Disposition gestellt werden, oder die mit Kunst und Musik über das Urheberrecht verbundenen Geldströme umgelenkt, oder wie manche meinen, verödet und der Urheber de facto enteignet werden. Konkret wollen die GRÜNEN in einem netzpolitischen Leitantrag die urheberrechtliche Schutzfrist auf fünf Jahre nach Veröffentlichung des Werks beschränken – versehen mit der Möglichkeit, die Frist seitens des Schöpfers gegen eine Gebühr (in nicht genannter Höhe) jeweils zu verlängern (von nicht genannter Dauer): entscheidende Unbekannte in der Rechnung. Jörg Evers, Präsident des Deutschen Komponistenverbandes kommentiert den Vorschlag: „Schlechtesten Falls würde dies bedeuten, dass ein Urheber, der ein Leben lang an der Verfeinerung seiner Kunst gearbeitet hat, an den Erträgen seiner Schöpfung nach fünf Jahren nicht mehr beteiligt wird, selbst wenn sich der große Erfolg seines Werkes erst nach diesen fünf Jahren einstellen sollte.“ Evers unterschlägt dabei die Zusatzformulierungen des GRÜNEN-Antrags und handelt damit mindestens unredlich. 

In Richtung der GRÜNEN gesagt: Auch sie können nicht konkretisieren, wie sich ein in den Schutzfristen so radikal abgewandeltes Urheberrecht positiv auf das Kulturleben und den sozialen Status der Schöpfer auswirken würde. Schon im Detail hakt es: Welcher Aufwand muss von den Nutzern getrieben werden, herauszubekommen, wann der Schutz eines Werkes abgelaufen ist, wie macht man eine vom Urheber bezahlte Schutzfristverlängerung deutlich? So eine Regelung schafft nicht Rechtssicherheit sondern das Gegenteil, es vergrößert den Verwaltungsaufwand und es zieht den Künstler ökonomisch zusätzlich ins Risiko (Wer kann sich die Fristverlängerung leisten?). Fairer wäre es, wenn die Gesellschaft den Künstlern eine Entschädigung dafür anböte, wenn Urheber auf eine lange Schutzfrist verzichteten. 

Aber die Interventionen der Urheberverbände haben gewirkt. Der netzpolitische Leitantrag wurde nur mit der Änderung zum Thema Urheberrecht angenommen. Die fünf Jahre sind weg, aber eine Verkürzung der Schutzfristen wird weiter angedacht. Wer die Debatte auf dem Parteitag verfolgt hat, wird aber zum Schluss kommen müssen, dass Kultur- und Netzpolitik sich in Zukunft wohl als feindliche Politiksysteme gegenüberstehen. Diese Kluft zeigt sich vor allem in der Form, in der der Streit geführt wird. Jeder wirft dem anderen reaktionäres Verhalten vor. Die Urheber wären gut beraten, darin eine aktive Rolle einzunehmen und nicht in der Rolle des bloßen Beharrens und Abwartens zu versteinern. Das Dumme und Sinnlose des Widerstreits liegt ferner darin begründet, dass Daten über die Ökonomie des Urheberrechts gar nicht bekannt sind. Geht man von den überhaupt vorliegenden belastbaren Zahlen aus, so muss man konstatieren, dass das existierende Urheberrecht jedenfalls den Wohlstand der Schöpfer nicht garantiert. 

Nach wie vor, darüber weiß die Künstlersozialkasse Buch zu führen, leben die Kulturschaffenden am unteren Ende des Sozialstaats. Das hat sich auch in Europa herumgesprochen. Neelie Kroes, Vizepräsidentin der EU-Kommission und EU-Kommissarin für die digitale Agenda, resümiert in ihrer Rede „Wer ernährt die Künstler?“, dass 50 Prozent der professionellen Autoren in Deutschland, ein ebenso hoher Anteil der bildenden Künstler in Großbritannien und 97,5 Prozent der Mitglieder einer der größten europäischen Verwertungsgesellschaften durchschnittlich nicht einmal 1.000 Euro im Monat verdienten. Trotz des geltenden Urheberrechtes? Oder vielleicht doch wegen dieses Urheberrechts? Das jedenfalls meint Neelie Kroes, wenn sie sagt, dass nicht alles am Urheberrecht hänge, dass man von der Besessenheit auf dieses Recht loskommen müsse. „Wir müssen zu den Grundlagen zurückkommen und ein System aus Anerkennung und Belohnung entwickeln, das die Künstler und Schöpfer in sein Herz nimmt.“ Aber wie? Klar werden über das zukünftige Zusammenspiel zwischen Netz und Kultur muss man sich schon. Sonst positionieren sich andere Rechts-Richtlinien vor denen des Urheberrechts. Erst kürzlich entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Internetprovider nicht dazu verpflichtet werden können, elektronische Sperrfilter einzubauen, die das Herunterladen urheberrechtlich geschützten Materials verhindere. Ein solches Vorgehen einer aktiven Überwachung komme einer „allgemeinen Überwachung“ gleich, die mit der EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr unvereinbar sei. Zudem führe dies zu einer Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit des Providers, da er ein kostspieliges und allein auf seine Kosten betriebenes Überwachungssystem einrichten müsse. 

Daher weht also der Wind! Der Schöpfer, übrigens selbst freier Unternehmer, muss zurückstecken. Am bes-ten, indem er nicht mehr urhebt, oder? Denn ein Produkt, das nicht existiert kann auch nicht exploitiert werden, egal von wem. Nein! Und deswegen ist die Diskussion über das Urheberrecht weniger dringend als die Diskussion darüber, wie eine Gesellschaft mit ihren Kulturproduzenten umgehen will (national und international) – das Urheberrecht kann da, da hat Neelie Kroes vollkommen Recht, nur Gehilfe sein, niemals jedoch die innergesellschaftliche soziale Klärung ersetzen.

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