Dass Vertriebe für Compact Discs mit rückläufigen Umsätzen zu kämpfen haben, ist nicht neu. Vielleicht bremst die Corona-Pandemie diese Entwicklung etwas, weil viele Musikliebhaber aller Couleur entdecken, dass sie die Stimme der Callas ja bereits haben oder jederzeit erwerben können. Genauso wie das hohe C von Fritz Wunderlich oder sämtliche Beethoven-Klaviersonaten, eingespielt von Friedrich Gulda oder Swjatoslav Richter.
Doch dem noch lebendigen Kreativen nützt das wenig, ihm bricht derzeit der letzte Absatzmarkt für den körperhaften Tonträger weg: das Live-Konzert. CDs verkauft man seit Langem nur noch nach den eigenen Veranstaltungen. Ob die Corona-Pandemie nun der CD den endgültigen Todesstoß versetzt oder ob der Plattensammler mangels Konzert wieder mehr Zeit und Budget zur Pflege seine Schätze aufwenden wird, ist noch nicht ausgemacht.
In diese Zeiten der Ausweitung der digitalen Lebensräume passt gut eine Innovation aus dem Hause der Urheberrechtsgesellschaft GEMA. Vor einem Jahr hat diese die Mehrheitsbeteiligung am Digitalvertrieb Zebralution erworben und gemeinsam eine neue digitale Plattform namens MusicHub entwickelt, über die Musikschaffende ihre Musik selbständig vertreiben können.
Derzeit ist der neue Service nur für Mitglieder möglich, eine spätere Öffnung der Plattform auch für Nicht-Mitglieder ist in Planung. MusicHub will die einfache Distribution von Songs auf die großen digitalen Musikplattformen wie Spotify, Apple Music oder Amazon ermöglichen. Mit weiteren Anbietern ist die GEMA im Gespräch.
Die Künstler laden dazu ihre Musik auf die Plattform, hinterlegen alle relevanten Metadaten, legen fest, wann der Song veröffentlicht wird und MusicHub kümmert sich um die Anbindung und Verteilung in die gewünschten Vertriebskanäle. Ist der Song veröffentlicht, sollen die Nutzer von MusicHub über detaillierte Auswertungen nachvollziehen können, wo und wie häufig ihre Musik gehört wird. Die eigenen Lizenzeinnahmen sieht man direkt auf seinem MusicHub-Konto – die GEMA verspricht, dass 90 Prozent der Einnahmen beim Kreativen landen und nur 10 Prozent der Erlöse für die Infrastruktur von MusicHub benötigt wird. Weitere Kosten sollen nicht anfallen. Der Komponist und GEMA-Mitglied Hannes Seidl bringt den möglichen Nutzen von MusicHub auf den Punkt: „Insbesondere die zunehmende Konzentration der Online-Angebote auf immer weniger große Konzerne macht es notwendig, dass wir als Künstlerinnen und Künstler eine starke Lobby haben, die diesen Konzernen etwas entgegensetzt.“ Solchen Vorschusslorbeeren zum Trotz gilt es zunächst, die Testphase abzuwarten.
Exakte Zahlen zu Streams und Erlösen verspricht die GEMA erst für Anfang nächsten Jahres. Spannend auch die Fragen, welche Synergien zwischen den bisherigen Online-Services der GEMA erwartet werden und ob tatsächlich – wie im GEMA-Blatt „virtuoso“ behauptet wird – 90 Prozent der Streamingerlöse beim Urheber ankommen. Richtig attraktiv für eine breite Nutzung ist das neue Tool in dem Moment, in dem es auch den Nicht-GEMA-Mitgliedern offen steht, also den Kreativen und DIY-Komponisten, die semiprofessionell unterwegs sind beziehungsweise noch am Anfang einer Karriere stehen.