Das Musikhaus Hug und der Musikverlag Hug können dieses Jahr auf eine 200-jährige Firmengeschichte zurückblicken. Chefredakteur Andreas Kolb sprach mit der Geschäftsführerin, Erika Hug, über eine Schweizer Erfolgsgeschichte.
neue musikzeitung: Frau Hug, wie kommunizieren Sie ihr Jubiläum, was für zentrale Veranstaltungen wird es geben?
: Wir haben uns mit unseren Fachleuten und Instrumentenproduzenten mehr als 100 sehr spezielle und teilweise exklusive Jubiläumsangebote ausgedacht, was für ein mittelständisches Unternehmen in unserer Branche eine Leistung ist. Es gibt sieben „Gold-Angebote, die in Inseraten mit der Geschichte vorgestellt werden. Einen Steinway-Flügel Nr. 1, der so genannte Küchenflügel, den wir in drei weltweit einzigartigen Unikaten reproduziert und mit einem modernen Innenleben versehen haben. Ferner ein goldenes Selmer-Saxophon, eine goldene Sankjo-Querflöte und eine aussergewöhnliche reich ausgestatte Konzert-Harfe, von Salvi, die kostbarste Harfe, die es gibt. In der Gründungszeit um 1807 war dieses Instrument von enormer Bedeutung, weil vor allem auf der Harfe musiziert wurde und nicht auf dem Piano, das noch nicht so verbreitet war. Die rund 100 Jubiläumsangebote werden in einem Booklet zusammengefasst, die dort in Haushalte verteilt werden, wo wir Filialen haben. Am 10. November haben wir unseren Jubiläumsfestabend, an dem 300 Leute eingeladen sind aus der Musikszene, Wirtschaft und Politik. Außerdem wird es ein Jubiläumsfest für die Mitarbeiter, Pensionierten und Auszubildenden am 13. April geben.
: Welche Angebote haben Sie konkret für den Kunden?
: Für den Kunden gibt es eine Jubiläums-Ausstellung, die bei uns in Zürich im Tonhalle- Foyer startet und in unseren Filialen fortgesetzt wird. Dazu wird es eine Jubiläumsfestschrift des Musikwissenschafters Thomas Meyer geben, der damit auch 200 Jahre Zürcher, bzw. Schweizer Musikgeschichte schreibt. Es gibt eine Ausstellung im Museum Bellerive, dem mein Vater 1962 die Hug’sche historische Instrumentensammlung geschenkt hat. Die Ausstellung hat das Thema „Saiten, Tasten, Sounds“ und zeigt neben historischen Instrumentn, zb. die Harfe Nägelis, auch zeitgenössische Instrumente. Die Sektion Zürich der Schweizerischen Musikforschenden Gesellschaft veranstaltet im November ein Symposium zum Thema Nägeli/Hug. Im Rahmen dieses Symposiums gibt es Stadtrundgänge und Vorträge, in denen wir vorkommen und bei denen auch Thomas Meyer dabei ist.
: Wie feiern die Mitarbeiter?
Hug: Es gibt das spezielle Mitarbeiter-Fest für alle 400 Mitarbeitenden im April. Alle Mitarbeiter ein persönliches Jubiläumsgeschenk und unsere 55 Lehrlinge laden wir zu einer Musikreise nach Paris mit zwei Übernachtungen ein, in die „cité de la musique“.
: Seit der Übernahme des Musikgeschäftes durch den Pfarrer Jakob Christoph Hug von Georg Nägeli im Jahre 1807 ist der Betrieb in Familienbesitz. Heute führen Sie die Geschäfte. Wie sind Sie in das Unternehmen hineingewachsen?
: Ich habe Learning by Doing praktiziert, hatte aber eine gute kaufmännische Grundausbildung an der Städtischen Handelsschule und habe mich vorerst im Ausland bezüglich Sprachen weitergebildet. Ich war in Cambridge, Perugia und Frankreich. Mein Problem war immer, dass ich sehr vielfältige Interessen habe, meistens jedoch in die künstlerische Richtung. Das könnte ich von meinem Vater geerbt haben, der ausgebildeter Pianist war. Dies ist sozusagen die eine Hälfte, die andere Hälfte ist interessiert an Menschen, am Handel, an Organisation. Ich habe mich ansschliessend in der Werbung weiter ausbilden lassen. Über die Werbung bei uns habe ich mich über verschiedene Stationen wie der Uebernahme der Verlagsleitung, Filialleitungen etc. hochgearbeitet bis in die Geschäftsleitung.
: Ihr Vater hat Sie nicht gedrängt die Firma zu übernehmen?
: Nein, überhaupt nicht. Er war eher der Meinung, für Mädchen sei eine gute Ausbildung nicht so wichtig.
: Sie sind nicht die erste Frau, die bei Hug die Geschäfte führt, Mitte des 19. Jahrhunderts leitete Susanna Hug-Wild das Unternehmen. Sie führen heute ein Unternehmen mit immerhin 341 Mitarbeitern und 55 Auszubildenden. Hatten Sie – am Ende des 20. Jahrhunderts – mit Vorurteilen und Widerständen als Chefin zu kämpfen?
: Ich bin an der Aufgabe gewachsen. Nach dem Motto: Was mich nicht umbringt, macht mich stark. Man kriegt besonders am Anfang viel Gegensteuerung.
: Die Phase haben Sie jetzt lange hinter sich.
: Die währt ein Leben lang… als Unternehmerin muss man kämpfen können.
Stagnierender Markt
: Das Musikhaus Hug handelt mit Noten, Instrumenten, Tonträgern, Software, Hifi und TV. Sie sind offizielle Steinway-Vertretung in der Schweiz, außerdem unterhalten Sie noch Instrumentenwerkstätten. Ist so ein Vollsortiment eine gute Diversifizierung, oder nicht eher eine Belastung? Man denke an rückläufige Verkaufszahlen bei CD, bei hochwertigen Tasteninstrumenten oder im Verlag auch an die langen Amortisationszeiträume von pädagogischer Literatur oder das Schattendasein zeitgenössischer Musikeditionen. Ist es wie in Deutschland heute?
: Mit Deutschland ist das schwierig zu vergleichen, da in der Schweiz die Fachhandelsdichte viel größer ist. Ein Musikaliengeschäft allein (nur Notenverkauf) hat in den letzten 30 Jahren fast niemals die Chance gehabt davon zu leben, der Aufwand ist viel zu hoch. Sie brauchen Instrumente und CDs. Der Schallplattenpreis hat sich in den letzten Jahrzehnten fast verdoppelt. Das war eine Chance. Wenn Sie alles anbieten, haben Sie immer eine Teil-Branche, die funktioniert, wenn eine andere nicht so gut läuft. Die Schweiz war lange an der Spitze der Pro-Kopf-Ausgaben für Musik und Instrumente. Das gibt eine gewisse Basis. Die Schweiz legt Wert auf gute Instrumente. Dennoch befinden wir uns in einem stagnierenden bis rückläufigen Markt.
: Was könnte man hingegen als Wachstumsmarkt bezeichnen? Die Musikschulen? Der Instrumentenhandel?
: Europa ist im weltweiten Vergleich eher ein rückläufiger Markt insgesamt, wohingegen Asien und China deutlich wachsen. Japan hatte nach dem Krieg eine der besten Musikausbildungen institutionalisiert – in Europa wird dies teilweise sträflich vernachlässigt.
: Sie haben einen Kindermusikladen gegründet. Warum?
: Unser Anliegen ist, dass bei möglichst vielen Kindern die Basis für die Musi, das Musizieren gelegt wird. Wir haben 5.000 Instrumente ständig zum Verleihen herausgegeben, jedermann kann bei uns ein Instrument leihen. Als Basisarbeit gibt es den Kindermusikladen – in diesem sollen Kinder sich wohl fühlen, dürfen alles anfassen und entdecken. Ferner bieten wir eine Instrumenteneinzelberatung mit einem Musikpädagogen an, auch Schulklassen kommen zur Besichtigung und Spielnachmittagen. Dadurch bekommen sie eine Beziehung zu einem Instrument. Der Erfolg spricht für sich!
: Kann man sagen, dass die Arbeit mit Kindern seit den Anfängen des Musikhauses Hug eine bedeutende Rolle spielt?
: Johann Heinrich Pestalozzi war entfernt verwandt mit meinem Ur-Ur-Urgroßvater. Pestalozzi war der Meinung, jedes Kind sollte eine gute (Musik-)Ausbildung bekommen. Das war die Revolution! Volksschulen gab es in unserem Sinne noch gar nicht. Nägeli hat dieses Anliegen von Pestalozzi umgesetzt mit Förderung des Chorgesanges für weite Kreise. Nägeli gründete das erste öffentliche Singinstitut in der Schweiz.
: Ein Hug-Filialnetz überzieht die Schweiz flächendeckend. Wäre es nicht an der Zeit, auch international tätig zu werden? Lässt sich das Modell Hug übertragen?
: Schwierig. Frankreich gibt pro Kopf viel weniger Geld für Instrumente aus. Aber sie haben eine konsequentere Politik in der Musikausbildung. Im Sommer finden in der Nähe unseres Ferienhauses in Südfrankreich tausende von Konzerten statt – gratis! Die Musik ist sehr präsent. In Deutschland ist alles etwas verhalten. Mit einer Expansion z.B. in Deutschland sind wir bisher eher zurückhaltend. Aber wir waren früher auch schon in Leipzig, Süddeutschland und im Elsass ansässig. Vielleicht muss man warten bis sich wirtschaftlich alles etwas erholt hat.