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Dudelsackboom made in Germany: Geliefert wird bis Australien

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Köthen - Der studierte Elektrotechniker Steffen Fischer aus Köthen stellt Dudelsäcke her. Das aus Indien stammende Instrument der kleinen Leute galt bis in die 1970er Jahre in Deutschland als ausgestorben. Doch die zahlreichen Mittelaltermärkte sorgen für einen Boom.

 

An Stricken hängen aufgereiht wie tote Gänse mehrere Dudelsäcke. Ihre ledernen Bäuche reichen von kastanienbraun bis rubinrot. Die Hälse strahlen in unterschiedlichen Größen, Formen und Musterungen - vom mit hellem Elfenbein verzierten Instrument bis zur dunklen aus Tropenholz gebauten Sackpfeife. «Ich stelle ungefähr zehn verschiedene Typen von Dudelsäcken her», erklärte der Instrumentenbauer Steffen Fischer. In seiner urigen Werkstatt in Köthen baut der 42-Jährige seit mehreren Jahren die ungewöhnlichen Instrumente.

Deutschlandweit sind Fischer etwa sieben hauptberufliche Dudelsackbauer bekannt. «Das Interesse am Dudelsack nimmt seit einigen Jahren rasant zu», erklärt der Vorsitzende des Vereins Bordun, Tilman Teuscher, der die europäische Dudelsack- und Drehleiermusik vom baden-württembergischen Esslingen aus fördert. Musikstunden seien deutschlandweit ausgebucht, eine neue Riege junger Instrumentenbauer stoße auf den Markt.

Fischer spürte den Trend. «Durch die Mittelaltermärkte erlebt der Dudelsack wieder einen Boom», erklärte der Köthener. Die Anfragen nach einem Instrument kämen nicht nur aus ganz Deutschland, sondern mittlerweile auch aus den USA oder Australien. Bis zu sechs Monate müssten Interessierte auf ein handgefertigtes Exemplar warten.

Erst im Mittelalter sei das Instrument nach Deutschland gekommen - jedoch nicht aus Schottland, sondern aus Indien. «Vermutlich hatten Kreuzfahrer das aus einer Schweinsblase gemachte Instrument nach Europa mitgebracht», so Fischer. Gemälde und Wandzeichnungen mit Dudelsackspielern wie etwa im Magdeburger Dom deuten von dieser Zeit. «Damals spielten es vor allem Bauern und niedere Schichten.»

In Deutschland galt das auch als Sackpfeife bezeichnete Instrument nach dem Mittelalter als «ausgestorben». Erst in den 1970er Jahren kamen erste Rekonstruktionen auf. Fischer selbst hat die Leidenschaft für das Rohrblattinstrument in den 1990er Jahren entdeckt, als er selbst irische und schottische Folkmusik machte und viel auf Märkten unterwegs war.

«Die Dudelsäcke waren mir aber einfach zu teuer und es gab auch zu wenig Hersteller in Deutschland», erklärte er. Aus der Not wurde eine Tugend. Fischer kaufte sich ein altes Buch über die Bauweise der Sackpfeife und werkelte an seinem ersten eigenen Instrument. Freunde und Marktbesucher waren von der gedrechselt, geölten und genähten Eigenkonstruktion begeistert. Die Produktion stieg. Der studierte Elektrotechniker hing seine Stelle an der Hochschule in Köthen im Jahr 2001 an den Nagel und machte sein Hobby zum Beruf.

Heute baut der 42-Jährige «so viele im Monat, dass ich davon leben kann.» Das kleine Modell «Hümmelchen» sei für etwa 480 Euro zu haben. Große, laute Typen könnten um die 1000 Euro kosten. Extrawünsche wie Silberverzierungen oder Wappen seien da noch nicht eingerechnet.

Romina Kempt

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