Die Campanula, zu deutsch Glockenblume, ist in ihren vielen Unterarten überall auf der Welt anzutreffen, sei es auf Wiesen, an Waldrändern oder sogar im Hochgebirge. Ganz so weit verbreitet ist das Instrument, das den Namen der Glockenblume trägt, noch nicht, auch wenn immer mehr Komponisten und Instrumentalisten es in den Konzertsaal tragen. Im August vergangenen Jahres schließlich fand das 1. Internationale Campanula Musik-Festival in Schifferstadt statt.
Doch bis dahin war es ein weiter Weg. Als Helmut Bleffert in den 1980er-Jahren gebeten wurde, ein Instrument nach einem Pflanzenbild zu entwickeln, wählte er die Glockenblume, um aus der Form des Cellos heraus ein neues Streichinstrument zu erschaffen. „Die Spielsaiten sind wie beim Cello in Quinten gestimmt und die Mensur ist identisch“, kann man auf der Homepage des Instrumentenbauers lesen. „Die Besaitung besteht aus 16 Resonanzsaiten, die über den ganzen Korpus laufen und am Halsfuß gestimmt werden.“ Als barocke Vorbilder gelten die Viola d’amore und das Baryton, deren Obertonreichtum nun in Form der Campanula mit der Spielbarkeit der modernen Streichinstrumente verbunden wird.
Der 1951 geborene Helmut Bleffert ist ein Phänomen. Erst mit 19 Jahren begann er, sein erstes Instrument zu erlernen: die Querflöte. Seine Liebe zur Bildenden Kunst mündete 1973 in einem Kunststudium, in welchem sich seine Leidenschaften verbinden ließen: „Hier vermischt sich bereits Musik und Malerei, viele Stunden verbringe ich flötend in der Akademie, unterstützt und gewünscht von meinem Professor“, so Bleffert. Sowohl seine Bilder als auch seine Musik bezeichnet er als Farbklänge und Klangfarben. Die Neugier, in beiden Bereichen – mit Klängen und mit Farben – zu experimentieren, ist bis heute sein Antrieb, immer wieder auch neue Instrumente zu kreieren; und das, obwohl er als Instrumentenbauer Autodidakt ist. 1978 schließlich übernahm Bleffert eine Werkstatt und entschloss sich dazu, sein Hobby zum Beruf zu machen. Zeitgleich begann er mit dem privaten Cellostudium. Neben klassischen Geigen, Celli und Bratschen sind „viele neue Instrumente entstanden, zum Teil auf pädagogischer oder therapeutischer Grundlage, wie Wichtelgeige, Chrotta, Streichpsalter und andere.“ Und eben auch die Campanula, die in besonderer Weise dem Trend möglichst lauter, elektronischer Instrumente gegenläuft, indem sie durch die vielen Resonanzsaiten und die dadurch entstehende Obertonvielfalt „einen starken Bezug zu einer Art Urklang herstellt.“ Dies sagt der ehemalige Solocellist der Berliner Philharmoniker, Georg Faust, der sich durch Gründung des Vereins „Campanula Musica e.V.“ um die Verbreitung des Instruments kümmert. Und weiter: „Man könnte sagen, die Campanula hat einen Bezug zum Sphärischen. Für mich vereint sie den Klang von vielen Klangtraditionen, und damit gibt sie dem Spieler einen großen Spielraum an Möglichkeiten.“ In der Zwischenzeit hat sich der Spielraum um ein Vielfaches vergrößert, da Bleffert aus der Campanula eine ganze Instrumentenfamilie entwickelt hat.
So gibt es seit einigen Jahren Campanula-Bratschen und -Geigen. Beim 1. Internationalen Campanula Musik-Festival in Schifferstadt, das im August 2014 stattfand, konnte man die gesamte Vielfalt der Campanula-Familie erfahren. Isabel Eichenlaub, die Künstlerische Leiterin des Festivals und selbst begeisterte Campanula-Spielerin, hatte ein Programm zusammengestellt, das neben Konzerten von bekannten Künstlern wie der Geigerin Elena Denisova, Georg Faust, Isabel Eichenlaub selbst oder dem Cellisten und Komponisten Michael Denhoff eine Ausstellung mit Werken, die im Zusammenklang mit Campanula-Klängen entstanden sind, beinhaltete. Auch Workshops sowohl für Kinder als auch für Jugendliche und Erwachsene fanden statt, bei denen unter anderem Helmut Bleffert selbst als Dozent wirkte. Doch wie sieht die Zukunft des Festivals aus? „2015 wird kein Campanula-Festival in Schifferstadt stattfinden, da in diesem Jahr ein Jubiläumsjahr des Vereins gefeiert wird und andere Konzerte Vorrang haben. Der früheste Termin für ein weiteres Campanula-Festival wäre also 2016. Da wir mit dem Gedanken spielen, im Wechsel ein Kontrabassfestival und Campanulafestival stattfinden zu lassen, wird es möglicherweise sogar erst 2017“, so Isabel Eichenlaub, die Künstlerische Leiterin. Aber in jedem Fall wird es eine Fortsetzung geben.
Es gibt also etliche Bemühungen, die Campanula bekannter zu machen. Nicht zuletzt sorgt dafür auch der Komponist Michael Denhoff, der bereits in den 1980er-Jahren neue Werke speziell für das Instrument geschrieben und aufgeführt hat und dies bis heute tut. So ist beispielsweise für den 1. April 2015 die Uraufführung eines Werkes für Campanula und vier Stahlcelli in Bonn geplant.
Man kann nur hoffen, dass die vielfältigen Initiativen Früchte tragen und die Campanula bald ähnlich weit verbreitet sein wird wie ihr botanischer Namensgeber. Es wäre ihr und der gesamten Musikwelt zu wünschen.